Was für eine Partei braucht die arbeitende Klasse?

Wenn jedes Jahr im Januar
fast hunderttausend Menschen zu den Gräbern von Rosa Luxemburg und Karl
Liebknecht kommen, um die Führer der Novemberrevolution 1918 und die Gründer
der KPD zu ehren, dann stellt sich unwillkürlich die Frage, warum wir heute in
Deutschland keine starke kommunistische Partei haben, die fest in der
Arbeiterklasse und im gesamten Volk verankert ist.

 Marx, Engels, Liebknecht, Luxemburg, Thälmann

Die aktuelle Lage:

 

Das letzte
Jahr hat deutlich gemacht: die Arbeiterklasse und große Teile des Volkes sind
im Erwachen begriffen. Die Montagsdemonstrationen überzogen das ganze Land und
erfassten zigtausende. Am 3. April demonstrierten in Berlin, Stuttgart und Köln
und am 2. und 3. Oktober in Berlin demonstrierten hunderttausende gegen
Sozialabbau. Dazu kamen eine Reihe regionaler Demonstrationen. In der
Automobil-Industrie fanden heiße Kämpfe mit dem spontanen Streik bei
Opel-Bochum im Oktober als einem Höhepunkt. Auch im Bereich Druck und Verlage,
öffentlicher Dienst, Gesundheitswesen kam es zu Streiks und Kampfaktionen. Es
lassen sich schon gar nicht mehr alle Aktivitäten aufzählen. Man bräuchte dafür
eine Extra-Zeitung.

Nicht nur
unter den Arbeitern, Angestellten und Arbeitslosen gärte es. Zahlreiche
Menschen setzten sich für demokratische Rechte wie vollständiges Streikrecht
und Volksbegehren ein. Zigtausende engagierten sich gegen den Vormarsch der
Neonazis, die in 2 Landtagen Einzug hielten. Schüler, Studenten und im
Bildungswesen und Kulturbereich Beschäftigte protestierten gegen die
Bildungsmisere (Stichwort Pisa), gegen Studiengebühren, Unterrichtsausfall usw.
Patienten und im Gesundheitswesen Beschäftigte wehrten sich gegen den Abbau der
Gesundheitsversorgung. Und viele hunderttausende Menschen engagierten sich
gegen die weitere Zerstörung unserer Umwelt. Die verschiedenen Kämpfe haben
also eine erhebliche Breite gewonnen.

Allerdings
sind die Bewegungen getrennt, zersplittert und oftmals unklar in ihren Zielen.
Immer wieder gelingt es den Herrschenden, den Kampf abzuwürgen (siehe Opel
Bochum). Bürgerliche Kräfte von CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen bis hin zu
rechtsradikalen Gruppen haben teilweise Einfluss auf solche Bewegungen. Ihre
Propaganda und ihre politischen Vorstellungen stecken teilweise in den Köpfen
der Menschen, auch derer, die kämpfen.

Auch wenn die
Bewegung der Arbeiterklasse wie auch anderer Teile des Volkes im Anwachsen
begriffen ist, befindet sie sich noch nicht in einer Offensive. Tatsächlich
muss sie immer wieder Niederlagen und Rückschritte hinnehmen. Trotz aller
Proteste konnten die Hartz-Gesetze mit einigen kleinen Korrekturen durchgesetzt
werden. Im Automobilbereich wie auch in vielen anderen Sektoren der Wirtschaft
mussten die Beschäftigten Lohnkürzungen, Entlassungen,
Arbeitszeitverlängerungen, Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen
einstecken.

Objektiv sind
die Kampfpositionen der Arbeiterklasse durch folgende Faktoren schwach:

– durch die
internationale Konkurrenz des Kapitals,

– und die damit
verbundene Ausnutzung der Konkurrenz unter der Ware Arbeitskraft weltweit,

– durch die rasante
Entwicklung der Produktivkräfte und die damit verbundene Reduzierung der
notwendigen Arbeitszeit. Das Kapital braucht immer weniger Arbeitskraft und es
kann sie immer billiger bekommen.

Angesichts
dieser objektiven Lage bräuchten die Arbeiterklasse und das Volk eine starke,
geeinte Front. Doch tatsächlich sind entsprechend dem Bewusstsein der Aktiven
die Bewegungen – wie bereits gesagt – zersplittert.

Diese
subjektive Schwäche hängt mit der Entwicklung der Arbeiterbewegung und der
Bewegung des Volkes in den letzten Jahrzehnten zusammen. Da gab es zum einen
eine in Zeiten des ökonomischen Aufschwungs des kapitalistischen Systems
„erfolgreiche“ Sozialpartnerschaft und Klassenzusammenarbeit der Führungen der
Gewerkschaft. Dies hat weite Teile der Arbeiterschaft dazu erzogen, auf „die da
oben“ zu schauen, „die machen es schon“. Das war eine jahrzehntelange Erziehung
zu Passivität, die nun in ersten Schritten wieder überwunden wird. Denn
angesichts der Rücksichtslosigkeit des Kapitals ist diese Klassenzusammenarbeit
offensichtlich überlebt. Es gibt kein Zurück mehr zu den „goldenen Zeiten“ der
“friedlichen Partnerschaft“ zwischen Kapital und Arbeit.

Zum anderen
entarteten und verfielen die ehemals sozialistischen Staaten und mit ihnen die
kommunistischen Parteien, die den Marxismus-Leninismus verfälschten und
revidierten. Da wurden auf einmal marktwirtschaftliche Kriterien und Prinzipien
eingeführt, die Arbeiterklasse von der Macht verdrängt und durch eine
Herrschaft einer neuen Klasse ersetzt. Da redete man von „friedlicher
Koexistenz“ mit dem kapitalistischen System und kungelte mit ihm herum. Mit
Gorbatschow und der kapitalistischen Wiedervereinigung wurden die letzten
fortschrittlichen Überreste des ehemaligen Sozialismus zerschlagen. Doch die
Wurzeln der Niederlage kamen nicht von außen. Durch den teilweise widerwärtigen
Entartungsprozess wurde der Arbeiterbewegung zunächst die sozialistische
Perspektive geraubt. Es gab keine Orientierung mehr.

Erst durch die
völlige Zerschlagung der bereits entarteten Systeme, aber auch der
fortschrittlichen Überreste des Sozialismus sowie durch die nun ungebremsten,
zügellosen Angriffe des Kapitals stellt sich vielen Menschen wieder die Frage
nach einem Ausweg aus diesem System, nach einer sozialistischen Gesellschaft.

Noch aber sind
unter der Masse der fortschrittlichen Kräfte die Ursachen der Entartung nicht
ausreichend geklärt. Im Gegenteil: In dieser Frage besteht Verwirrung und
völlige Zersplitterung. Das drückt sich auch in der Zersplitterung der
zahllosen kleinen Gruppen, Parteien und Organisationen aus, die sich
kommunistisch, revolutionär oder marxistisch-leninistisch nennen.

 

Wie kann die Arbeiterklasse ihre Lage ändern?

 

Die aktuelle
politische Lage wie die Lage der vergangenen Jahrzehnte zeigen die
Arbeiter/innenklasse in einer schwachen Position. Stück um Stück wurden und
werden ihr die eroberten und ertrotzten, die erstreikten und erkämpften
Errungenschaften abgenommen. Um das zu ändern, muss sie optimal organisiert
sein. Sie braucht eine eigene Stimme. Sie braucht eine ihr treu ergebene
Organisation und Führung. Sie braucht die innere Disziplin, sich um diesen Stab
zu scharen, ihn kritisch zu prüfen und zu unterstützen. Nur unter diesen
Umständen kann sie den ewigen Angriffen des Staates und der Kapitalistenklasse
überhaupt etwas Bleibendes entgegensetzen. Nur mit einer politischen
Organisation ist sie so stark, dass sie im gemeinsamen eigenen Interesse
Einfluss auf die Staatsmacht nehmen kann und diese letztendlich erobern und
ihre eigenen Hände nehmen kann.

Weil aber die
klar erkennbaren gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Tatsachen
beweisen, dass in unserer kapitalistischen Gesellschaft für jeden, die/der
arbeiten muss, um davon zu leben, keine Zukunftsperspektive mehr zu erkämpfen
ist, geht es darum, diesen Kapitalismus hinter sich zu lassen, ihn zu
vernichten und eine kommunistische Gesellschaft aufzubauen.

Das ist ein
revolutionäres Unterfangen, das das eigentliche Ziel dieser Organisation und
des Führungsstabes sein muss. Für ein revolutionäres Unternehmen aber genügt es
nicht, dass die Arbeiterklasse sozusagen im „eigenen Saft schmort“, nur eigene
aus ihrem Lohnarbeitsstatus resultierende Interessen, wenn auch stark und
militant, verfolgt. Sie braucht das Bewusstsein, dass sie sich aus den Zwängen
und Bedrückungen nur befreien kann, wenn sie die ganze Gesellschaft befreit.
Deshalb gilt es für die Arbeiterklasse, die Führung in der Gesellschaft zu
erringen. Deshalb muss dieser Stab in der Lage sein, die Arbeiterklasse an die
Spitze aller Klassen und Schichten zu führen, die unter dem Kapital und seinem
Staat mit all seiner Unterdrückung, Repression und Ausbeutung leiden. Er muss
all diesen Klassen und Schichten ein aus dem Gesamtintersee der Arbeiterklasse
heraus entwickeltes Programm unterbreiten. Deshalb reicht keine Organisation,
die sich um die „eigentlichen ökonomischen Angelegenheiten“ der Arbeiterklasse
in ihrem Kampf mit dem Kapital, um eng, spontan und unreflektierte
„Arbeiterinteressen“ kümmert. Konzentration auf die Arbeiterklasse und die
Verankerung in ihr darf dieser Stab deshalb nicht quasi gewerkschaftlich
verstehen, sondern politisch.

Das bedeutet:
Er muss die Gesamtheit der Interessen der Arbeiterklasse einschließlich ihres
gesamtgesellschaftlichen Führungsanspruches in jeder nur denkbaren Form
vertreten und durchsetzen bzw. die Angehörigen ihrer Klasse dahin führen, dies
in immer mächtigerer politischer Aktion:

– in Wahlen

– in Demonstrationen und
Manifestationen

– in selbständigen
Streiks und anderen Aufständen

– in gemeinsamer Aktion
mit Angehörigen anderer Klassen und Schichten

– im revolutionären
Aufstand und Ansturm auf die gegebene Staatsmacht

selbsttätig zu
tun.

Die konkreten
Aufgaben legt dieser Stab nach bestem Wissen und Erkennen in einem politischen
Programm nieder. Dieses verbreitet er in ständiger Agitation und Propaganda

– unter der
Arbeiter/innenklasse, mit dem Appell, es umzusetzen , wie auch

– unter den Angehörigen
der anderen Klassen und Schichten der Gesellschaft.

Er organisiert
den für die Leitung der gesamten politischen Tätigkeit erforderlichen
wissenschaftlichen Brainpool. Er muss die neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnisse auf der Grundlage des historischen und dialektischen Materialismus
auswerten und für die revolutionäre Theorie und Praxis nutzen.

Ohne eine
solche Organisation ist die Arbeiter/innenklasse machtlos ihrer unterdrückten
und ausgebeuteten Lage in der Gesellschaft sowie den Anschlägen der
Kapitalistenklasse ausgeliefert. Eine solche Organisation ist  eine politische Partei, wie die
Arbeiter/innen sie brauchen. Deshalb und nur in diesem Sinne brauchen sie eine
politische Partei.

Eine solche Partei,
dieser Stab von Organisator/innen, Agitator/innen, Propagandist/innen und
Führer/innen muss diesen Ansprüchen genügen und sich täglich beweisen. Sie hat
keinen Anspruch auf Privilegien und Huldigungen.

In der
gegenwärtigen, oben umrissenen Lage hat sie gegen die herrschende Zerfahrenheit
um die größtmögliche Einheit der Aktion zu kämpfen. Sie darf sich nicht nutzlos
profilieren, sondern muss genau diejenige Form der Aktion für die Klasse und
die anderen Teile des Volkes vorzuschlagen und auch gegen alle Spalter und
Selbstdarsteller durchsetzen, die eine möglichst breite Einheit im Kampf
ermöglicht.

Die
Arbeiter/innenklasse muss nach all den Niederlagen zunächst einmal gar nichts!
Sie muss niemandem ungeprüft vertrauen. Vertrauen kann sich nur durch die
praktische Arbeit herausbilden. Deshalb übernimmt eine Partei, indem sie die
skizzierte Aufgabe anpackt, große Verantwortung und hat sich in jeder Hinsicht
eine starke Verpflichtung auferlegt. Auf der Grundlage erarbeiteter Verankerung
und errungenen Vertrauens kann sie von den Angehörigen der Klasse auf Grund von
Überzeugungsarbeit auch einiges verlangen. Aber müssen, müssen muss die Klasse
nichts. Diese Bemerkungen mögen Verwunderung erregen. Sie sind aber notwendig,
um das Verhältnis zwischen der Partei und der Arbeiter/innenklasse richtig zu
bestimmen.

 

Gibt es eine Arbeiterpartei, die den heutigen Anforderungen
entspricht?

 

Schon die
Frage stellen, heißt, sie zu verneinen! Wer die letzten 30 bis 40 Jahre
politisch bewusst aktiv war und die Entwicklung verfolgt hat, weiß um die
zahllosen Abweichungen, Spaltungen, Zersplitterungen, die permanente
Abwärtsbewegung der verschiedenen Organisationen, die sich kommunistisch,
revolutionär oder marxistisch-leninistisch nennen. Aber auch die Kollegin oder
der Kollege, die an einer größeren Demonstration teilnehmen, werden sich
spätestens, wenn sie mit einem Berg Flugblätter diverser „Führer der
Arbeiterklasse“ nach hause gehen, die Frage stellen, wie viele Lokomotivführer
eigentlich auf eine Lokomotive gehören: so um die hundert streitende, keifende,
um das beste Plätzchen kämpfende Möchtegern-Führer oder eine möglichst
einheitliche Führung, die ihr Handwerk versteht und ruhig und ernsthaft ihre
Arbeit macht?

Schaut man
sich die verschiedenen Organisationen genauer an, so bestätigt sich der
oberflächliche Eindruck.

In der
„Erklärung der Organisation für den Aufbau einer kommunistischen Arbeiterpartei
Deutschlands“ (S.14-15) schrieben wir:

„Da
verbreitet die MLPD seit Jahren unverdrossen, die Arbeiterklasse befinde sich
in der Offensive, wo der gegenwärtig defensive Charakter der meisten Kämpfe,
mit denen oftmals nur das Schlimmste verhindert wird, nicht zu übersehen ist.
Die von ihr als „Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus“ propagierte „Lehre
von der Denkweise“ ist idealistisch und ein ideologisches
Disziplinierungsinstrument.

Die KPD,
aus der die meisten von uns kommen, hat in den letzten Jahren immer stärker
ihre Orientierung auf den Klassenkampf aufgegeben und sich auf eine Propaganda
verlegt, die sich aus den realen Klassenauseinandersetzungen heraushält. Der
Arbeiterklasse werden reaktionäre Eigenschaften angedichtet. Da wurde von den
„langen Zeiten, in denen kein Kampf der Arbeiter aufkeimt” geredet, die
Arbeiterklasse als Quelle des Opportunismus „analysiert”. Sie sehen nicht mehr
das Potential dieser Klasse. Sie flüchten sich in die Sphäre der „Analyse” und
der Betrachtung von außen.

Die DKP
verfolgt unverändert ihre alte revisionistische Politik. Sie biedert sich in
reformistischer Weise an den gewerkschaftlichen Funktionärsapparat, an die
Träger der Arbeiteraristokratie an. Sie strebt nach oben und entfernt sich
damit von der Basis der Arbeiterklasse.

Die KPD-Ost
(Rote Fahne schadet der Organisierung einer kommunistischen Partei, weil sie
diese Frage einer rückwärts gewandten DDR-Nostalgie unterordnet. Propagierung
von Kim-Il-Sung, eklektisches nebeneinander Stellen beispielsweise von Stalin
und Honecker  kennzeichnen ihren politischen
Auftritt. So verweigern sie die selbstkritische Auseinandersetzung mit der
historischen Niederlage der revisionistischen Staaten und des Sozialismus. Auf
dieser Basis existiert keine Zukunft.

Die PDS war
nie eine Partei der Arbeiterklasse, auch wenn sie sich bemühte, sich ein
derartiges Aussehen zu geben. Sie verfolgt im Kern ein
bürgerlich-linkssozialdemokratisches Konzept.“

Man kann
ergänzen, dass sich die PDS mit ihren Regierungsbeteiligungen von jedem
Anschein entfernt hat, eine wirklich andere Gesellschaft zu wollen. Sie will
Marktwirtschaft, aber bitte sozial. Dass die kapitalistische Realität schon
lange über diesen alten, süßen sozialdemokratischen Traum hinweg gegangen ist,
kann und will sie nicht zur Kenntnis nehmen. Zu sehr sind viele ihrer führenden
Köpfe über Minister- und sonstige Pöstchen mit diesem System verbunden, als
dass sie ernsthaft dessen Abschaffung betreiben wollten.

Die alte
revisionistische Politik der DKP wird immer deutlicher. Wie im Artikel auf S.11
dargelegt, steht sie beispielsweise voll hinter der Politik der KP Iraks, die
an der von den USA eingesetzten Übergangsregierung aktiv teilnimmt und die
„Demokratie“ und „Chancen“ im Irak preist.

Die MLPD hat
ihrem Beitrag zur Spaltung der bundesweiten Demonstration gegen Sozialabbau am
2. und 3. Oktober 04 klar gezeigt, wie falsch sie mit ihren grundlegenden
Positionen liegt und wie abgehoben sie von der realen Bewegung ist. Sie hat
wesentliche Kräfte der Anti-Hartz-Bewegung ohne jede Not vor den Kopf gestoßen,
indem sie verbreitete, nur diejenigen, die am „Sternmarsch des 3. Oktober“
teilnähmen, wären konsequent gegen Hartz IV. Sie ist in jeden Fettnapf
getreten, den ihre Gegner ihr hingestellt haben, um sie zu isolieren und von
der Masse der Kämpfenden abzuspalten. Im Ergebnis war ihr eine kleinere Aktion
unter ihrer Führung weit wichtiger als eine große gemeinsame, in der sie
begrüßt worden wäre. Ein fantastischer Ausweis ihrer taktischen „Fähigkeiten“!

All die vielen
kleinen Gruppen, die sich auf den ML berufen wie Roter Oktober, Roter Stern,
Neue Einheit, KP Magdeburg, zeigen das Elend der Bewegung nur noch deutlicher.

 

Mit Phrasen zur Partei?

 

Ein Beispiel
für das „hohe Niveau“ auf dem sich diese Bewegung befindet, ist ein Aufruf „Wir
brauchen eine starke Kommunistische Partei!“
im Roten Morgen 10/04, der
Zeitung der KPD.

Ohne auf die
reale Erfahrung von immerhin 36 Jahren eigenem Parteiaufbau einzugehen, wird in
diesem Artikel eine Plattheit an die andere gereiht. Man brauche eine Partei

„die über
eine wissenschaftliche Analyse des Kapitalismus… verfügt.

die in
allen Kämpfen den gemeinsamen Kampf all derer anstrebt, die den betreffenden
Kampf wollen,…

die sich
gegen revisionistische, opportunistische und bürgerliche Auffassungen wendet,…
die in allen Kämpfen die Interessen und Ziele der Gesamtbewegung der
Arbeiterklasse vertritt,… die Erfahrungen aus allen Kampffeldern auswertet… Die
kommunistische Partei muss planmäßig geschaffen werden. …durch hartnäckige,
planmäßige und systematische Bemühungen…

Kritik und
Selbstkritik ist ein Entwicklungsgesetz der Partei…

…setzt
zugleich Kollektivität in der Arbeit jedes Parteigremiums voraus,…

Scharfe
Auseinandersetzungen sind bisweilen notwendig… eine vernünftige Streitkultur…“

Abgeschlossen
wird diese Phrasensammlung mit dem Aufruf: „Wer eine starke kommunistische
Partei will, soll mitarbeiten!“

So einfach ist
das also: Statt die reale Situation des Klassenkampfes und des Parteiaufbaus zu
analysieren und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen für den Aufbau einer
KP zu ziehen, wird von einer „wissenschaftlichen Analyse“ geredet. Es wird von
„planmäßiger Schaffung“ geredet, ohne dass die Pläne auf den Tisch kommen,
erläutert und begründet werden. Es wird von „Selbstkritik als
Entwicklungsgesetz“ geredet, ohne dass Selbstkritik geübt wird. Immerhin hat
sich die „KPD“, die da so schön redet, in den letzten Jahren mehrfach gespalten
und zu einer Mini-Gruppe „gesund“ geschrumpft. Wann endlich will sie die
Öffentlichkeit selbstkritisch über ihren 10. Parteitag und seine Beschlüsse,
insbesondere über den Rechenschaftsbericht der damaligen ZK-Mehrheit
unterrichten?!

Die Augen vor
der gegenwärtigen, komplexen gesellschaftlichen Situation unseres Landes,
Europas, der Welt schließen, so soll eine „starke  Kommunistischen Partei“ aufgebaut werden?
Augen zu und einfach mitarbeiten?

Mit solchen
allgemeinen, weitschweifigen Darlegungen wird keine KP aufgebaut!

 

Wie kommen wir zu einer Partei der Arbeiterklasse?

 

Um endlich zu
einer Partei der Arbeiterklasse  zu
kommen, die den Anforderungen unserer Zeit entspricht, müssen zuerst einmal die
Hausaufgaben erledigt werden:

– Schonungslose
Aufarbeitung der jüngeren Geschichte der Arbeiterbewegung und der
kommunistischen Bewegung, der revisionistischen Entartung in der UdSSR unter
Chruschtschow, Breschnew bis hin zu Gorbatschow, der Entartung der DDR, des
Niedergangs der Arbeiterbewegung. Dabei stützen wir uns auf die Kritik der
marxistisch-leninistischen Weltbewegung, insbesondere der Partei der Arbeit
Albaniens und Enver Hoxhas am Revisionismus sowie auf viele richtige Analysen
der mittlerweile zerstörten KPD.

– Radikale Kritik am
bestehenden Zirkelwesen, an Opportunismus und Sektierertum.

– In öffentlicher
Auseinandersetzung Herausarbeitung eines revolutionären Programms, das es der
Arbeiterklasse ermöglicht, alle Klassen und Schichten, bei denen das möglich
ist, gegen das Kapital zu einen und die Führung der Gesellschaft zu erringen.
Entsprechend unserer Erklärung vom Februar 2003 wird uns dabei das Programm der
KPD von 1993 als Richtschnur dienen.

– Organisierung aller
klassenkämpferischen, revolutionären Kräfte, vor allem aus der Arbeiterklasse
aber auch aller anderen fortschrittlichen, revolutionären Kräfte unabhängig von
ihrer Herkunft und Nationalität.

– Aktive Teilnahme am
Klassenkampf – denn nur dort finden wir die kämpferischsten Kräfte, nur dort
wird sich zeigen, ob unsere Vorstellungen der Realität entsprechen. Ständige
kritische Überprüfung unserer Politik in der Praxis.

– Zusammenarbeit in
Theorie und Praxis mit allen Kräften, die an dieser Aufgabe mitwirken und bei
der Schaffung einer Kommunistischen Arbeiterpartei in Deutschland helfen
wollen. Sammlung aller Marxisten-Leninisten in einer Organisation.

Dies sind kurz skizziert die
wichtigsten Aufgaben die gemeinsam von allen revolutionären, kommunistischen
Kräften, die ernsthaft eine Kommunistische Arbeiterpartei in diesem Lande
aufbauen wollen, gelöst werden müssen. „Arbeit Zukunft“ wird mit aller Kraft
daran arbeiten!           ernst

Leserbrief:
Bochum, den 24.02.05

Betr.: Leserbrief zum Thema: ‚Was für eine Partei braucht
die Arbeiterklasse?‘

Liebe Genossen von ‚Arbeit-Zukunft‘,

ich möchte ein paar kritische Bemerkungen zu Eurem Artikel

‚Was für eine Partei braucht die Arbeiterklasse?‘

machen.

 

Ihr schreibt:

‚Zum einen entarteten und verfielen die ehemals
sozialistischen Staaten und mit ihnen die kommunistischen Parteien, die den
Marxismus-Leninismus verfälschten und revidierten. Da wurden auf einmal
marktwirtschaftliche Kriterien und Prinzipien eingeführt, die Arbeiterklasse
von der Macht verdrängt und durch eine Herrschaft einer neuen Klasse ersetzt.
…‘

 

Weiter ist die Rede von ‚fortschrittlichen Überresten des
Sozialismus‘ und dass die ‚Ursachen der Entartung nicht ausreichend geklärt
sind‘, dass ‚Hausaufgaben zu erledigen‘ seien und dass eine ’schonungslose
Aufarbeitung der jüngeren Geschichte der Arbeiter- und kommunistischen
Bewegung, der revisionistischen Entartung in der UdSSR unter Chruschtschow,
Breschnew, bis hin zu Gorbatschow, der Entartung in der DDR …‘ zu leisten
wäre. Die Zersplitterung und Uneinigkeit in der linken Bewegung wird mit dem
Nichtvorhandensein von Klarheit in diesen Fragen in Zusammenhang gebracht, was
sicherlich richtig ist.

 

Was ergibt sich daraus?

 

Daraus ergibt sich, dass eine Organisation, die den Anspruch
erhebt, die kommunistische Partei in Deutschland wieder aufzubauen, konsequent
daran gehen muss, hier Klarheit zu schaffen. Schafft sie dies nicht, wie die
zahlreichen maoistischen oder halbmaoistischen, halbanarchistischen
Splittergruppen, werden diese Organisationen wegen ihrer theoretischen Gebrechen
keine echten Fortschritte machen. Und umgekehrt: Nur eine Gruppe, der es gelingt,
die Theorie zu meistern und weiter zu entwickeln und der es gelingt, auf der
Grundlage des Marxismus-Leninismus und seiner dialektischen Methode, den
Revisionismus und damit die Ursachen der Niederlage des Sozialismus umfassend, eingehend
und zutreffend zu analysieren, und die aus einer solchen Analyse die richtigen
Schlussfolgerungen für die heutige politische Arbeit zieht, hat eine Chance,
über das embryonale Stadium hinauszukommen.

Alle anderen werden gesetzmäßig scheitern.

Dies ist meine These und ich glaube, dass sie richtig ist.
Weshalb?

Weil das Beispiel der Vielzahl dem Maoismus, dem Trotzkismus
oder Anarchismus in der einen oder anderen Variante verhafteten Organisationen
zeigt, dass die Unklarheit in Sachen ‚linker‘ Revisionismus und seiner Ursachen
dazu führt, dass sie zwangsläufig Sekten bleiben müssen, so sehr sie sich auch
bemühen, in der Arbeiterschaft Verankerung zu finden.

Eine Partei wie die ‚ML’PD beispielsweise, die versucht, den
alten Maoismus und seine revisionistischen Grundpositionen auf die heutigen
Verhältnisse, auf die eines fortgeschrittenen europäischen Landes anzuwenden,
ist nicht und kann nicht in der Lage sein, die reale Situation, die
politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen nüchtern und
zutreffend einzuschätzen. Das liegt im Grunde daran, dass sie auf den
idealistischen Positionen der maoistischen Ideologie steht, die sie, trotz
einiger richtiger Erkenntnisse immer wieder dahin bringt, bei der Einschätzung
realer Situationen sich vom Subjektivismus und vom Wunschdenken leiten zu lassen
(seit 20 Jahren ist bei ihr von der ‚Arbeiteroffensive‘ die Rede, usw.).

Hier zeigt sich, welche praktischen Konsequenzen theoretische
Fehler und falsche Grundpositionen, die im Grunde antimarxistisch sind, in der
konkreten Praxis haben. Trotz der allergrößten Anstrengungen und Bemühungen
führt es dazu, dass diese verbalradikalen und angeblich mit der ‚proletarischen
Denkweise‘ ausgestatteten Kräfte seit Jahrzehnten stagnieren.

Daraus folgt:

Nur eine Organisation, die auf den Grundpositionen des Marxismus-Leninismus
steht – wobei zu diesem Leninismus auch unbedingt das einzubeziehen ist, was
Stalin, Hoxha oder Bland zu seiner Weiterentwicklung beigetragen haben – die
die Theorie meistert und mit einer revolutionären Praxis untrennbar verbindet,
wird sich auch langfristig durchsetzen und entwickeln können und umgekehrt:
Eine Organisation, die die Theorie nicht meistert, die dem Revisionismus
verhaftet bleibt, weil sie ihn nicht aufarbeitet oder nicht aufzuarbeiten
bereit ist, und die demzufolge auf einem wackeligen, schwankenden Fundament
steht, das bei jedem größeren praktischen Test ins Wanken gerät, wird scheitern
und eine unbedeutende Sekte bleiben, so sehr sie sich auch subjektiv bemühen
mag, diesem Schicksal zu entgehen.

Man braucht sich nur die vielen Organisationen anzusehen,
die vor 10 oder 15 oder 20 Jahren so hoffungsvoll begannen, um die
‚kommunistische Partei wieder aufzubauen‘ und die über das embryonale Stadium
nicht hinausgekommen sind, auf der Stelle treten, sich gespalten haben oder
schon wieder ganz verschwunden sind.

Warum haben diese Organisationen so große Schwierigkeiten,
die Theorie zu meistern? fragt man sich. Ich glaube hier gibt es eine ganze
Reihe objektiver und subjektiver Faktoren, aber ein wichtiger Grund ist, so
glaube ich, folgender:

Weil es so unglaublich schwer ist, den Revisionismus in all
seinen Facetten und Varianten zu durchschauen.

Obwohl man sagen muss, dass es heute, im Jahre 2005, nach
der Öffnung verschiedener Archive (wenn auch längst nicht aller!) und nachdem
eine ganze Reihe wirklich guter Arbeiten von Hoxha oder Bland vorliegen,
einfacher geworden ist, den Revisionismus aufzuarbeiten und theoretisch und
damit auch in der Praxis zu überwinden.

Dennoch:

Die Bourgeoisie, nicht nur die deutsche, die internationale
Bourgeoisie, hat auf dem Gebiet der Ideologie nach der Zerschlagung des
Sozialismus in der Sowjetunion seit 1953 und in Albanien 1991, eine so
erdrückende Überlegenheit erlangt – allein schon durch die Masse der von ihren
Ideologen ausgestreuten ‚Untersuchungen‘ und Abhandlungen zur neueren Geschichte
der Arbeiter- und kommunistischen Bewegung, dass sie heute mühelos in der Lage
ist, die Köpfe so gut wie aller gutwilligen, idealistisch eingestellten
Genossen, die sich ehrlich vom Revisionismus befreien wollen, zu benebeln und
ihnen die klare Sicht zu rauben.

Das liegt auch daran, dass es meines Wissens fast keine
Organisation gibt – vielleicht mit einer einzigen Ausnahme – die auf einem
soliden wissenschaftlichen Fundament steht oder dabei ist, sich dieses
Fundament zu erarbeiten.

Man braucht nur die Geschichte der DDR zu nehmen:

Welche Organisation zum Aufbau einer neuen kommunistischen
Partei arbeitet gründlich und systematisch und faktenorientiert an einer
Aufarbeitung des ‚Sozialismus‘ der DDR und seines ‚Scheiterns‘? Ich glaube, von
vielleicht einer einzigen Organisation abgesehen, keine. Aber ich lasse mich
gerne vom Gegenteil überzeugen.

Stattdessen werden alte Ladenhüter wieder hervorgekramt, die
im Grunde schon vor Jahrzehnten von den DDR- oder DKP-Revisionisten entwickelt
wurden. Man braucht sich nur die Seiten von ‚Offen-siv‘, des ‚Marxistischen
Forums‘ oder auch von ‚Kommunisten-online‘ anzusehen und sich die Beiträge zu
diesem Themenkomplex durchzulesen und man merkt sofort, vorausgesetzt man liest
sie einigermaßen kritisch, welches Eingebundensein in revisionistische
Vorstellungen und Vorurteile bei den Betreibern dieser Seiten, trotz ihres ‚antirevisionistischen‘
Anspruchs und ihrer verbalen Radikalität vorherrschen.

Aber auch bei Euch, bei Arbeit-Zukunft, sehe ich (noch) kein
Bemühen um eine gründliche Aufarbeitung des Revisonismus, keine Ansatzpunkte
für eine ’schonungslose Aufarbeitung‘, die Ihr selbst in dem Artikel fordert.

Warum? Erstens liegen keine oder noch keine Arbeiten vor und
zweitens geht Ihr  von vorneherein von
einer; wie mir scheint, falschen Ausgangshypothese aus: von der These der ‚Entartung
des Sozialismus in der DDR‘. Wenn es dort eine solche ‚Entartung‘ gegeben hat,
dann muss es logischerweise, zu irgendeiner Zeit, auch einen Sozialismus gegeben
haben. Die Existenz eines solchen ‚DDR-Sozialismus‘ würde aber nach der
marxistisch-leninistischen Definition von Sozialismus eine ‚Diktatur des
Proletariats‘ voraussetzen. Und die Existenz einer solchen Diktatur des
Proletariats kann nur dann als existent angenommen werden, wenn die von Stalin
in seinen ‚Grundlagen des Leninismus‘ genannten drei Kategorien vorgelegen
haben. Es handelt sich dabei um folgende:

1. Die Macht des Proletariats wird ausgenutzt zur
Unterdrückung der Ausbeuter…

2. Die Macht des Proletariats wird ausgenutzt zur
endgültigen Loslösung der werktätigen und ausgebeuteten Massen von der
Bourgeoisie, zur Festigung des Bündnisses mit diesen Massen, zur Einbeziehung
der Massen in den sozialistischen Aufbau, zur staatlichen Leitung dieser Massen
durch das Proletariat.

3. Die Macht des Proletariats wird ausgenutzt zur Organisierung
des Sozialismus, zur Aufhebung der Klassen, zum Übergang in eine Gesellschaft
ohne Klassen… (J. Stalin, ‚Über die Grundlagen des Leninismus. Zu den Fragen
des Leninismus‘, Berlin 1946, S. 87).

Das Fehlen auch nur eines dieser Merkmale

„genügt, damit die Diktatur des Proletariats angesichts
der kapitalistischen Einkreisung aufhört, eine Diktatur zu sein.“ (Ebenda).

Und Stalin weiter:

„Nur alle diese drei Seiten zusammengenommen geben uns
einen vollständigen und abgeschlossenen Begriff von der  Diktatur des Proletariats.“ (Ebenda).

Wendet man diese Kriterien auf die SBZ/DDR an, gelangt man
unweigerlich zu der Schlussfolgerung, dass es in der SBZ/DDR nie eine solche
Diktatur des Proletariats gegeben hat, auch nicht in der Zeit vor 1953, also zu
Lebzeiten Stalins. Warum nicht?

Weil schon eine oberflächliche Beschäftigung mit der frühen
DDR oder der SBZ zu dem Ergebnis führt, dass zu keinem Zeitpunkt ‚die Massen in
den sozialistischen Aufbau‘ mit einbezogen wurden. Im Gegenteil: Sie wurden
außen vor gelassen. Und weil die SED selbst keine Arbeiterpartei war, sondern
eine Partei mit altgedienten Verrätern und Revisionisten wie Ulbricht und Pieck
an der Spitze, an deren Hände das Blut einer Unzahl ehrlicher thälmannscher
Kommunisten klebte. Diese Partei besaß bis zu den Vorgängen um den 17. Juni
dennoch eine starke marxistisch-leninistische Fraktion in Gestalt solcher ehrlicher
Marxisten-Leninisten wie Wilhelm Zaisser oder Rudolf Herrnstadt, die nach dem
Putsch der Chruschtschow-Revisionisten gegen den marxistisch-leninistischen
Führungskern in der Sowjetunion 1953 von der Ulbricht-Clique, die in enger
Abstimmung mit den Moskauer Revisionisten arbeitete, aus der Partei
ausgeschlossen und jedes Einflusses beraubt wurde, stattdessen nahm man
besonders in den folgenden Jahren eine Unmenge ehemaliger Nazis, sogar
ehemaliger aktiver Nazis, in die Partei auf. Jedes fünfte Mitglied war Mitte

der fünfziger Jahre ein ehemaliges Mitglied der NSDAP!

Diese ‚führende Partei neuen Typs‘ war zu keiner Zeit,
ebenso wenig wie die neue ‚K’PD, die von der Gruppe Ulbricht im Verein mit
Georgi Dimitroff 1945 gegründet wurde, eine proletarische Avantgarde, sondern
eine revisionistische Partei, die später in Form der SED zu einem Instrument
für die vollständige Restauration des Kapitalismus in der DDR Mitte der
sechziger Jahre wurde.

Wenn es aber in der damaligen DDR von vorneherein und zu keinem
Zeitpunkt eine Diktatur des Proletariats gegeben hat, sondern nur eine
verdeckte Diktatur der alten deutschen Bourgeoisie, aufgefüllt mit einigen
Kräften der neuen Arbeiteraristokratie, dann kann es auch trotz einiger
Zugeständnisse der Revisionisten Ende der vierziger Jahre angesichts des Drucks
vonseiten der sozialistischen Moskauer Führung zu Lebzeiten Stalins, dem man
sich jedoch geschickt im Verein mit revisionistischen Kräften in der SMAD
entziehen konnte, nie einen Sozialismus, also auch keinen ‚entarteten‘,
geschweige denn einen ‚real existierenden‘ gegeben haben.

Was es nicht gibt, kann nicht entarten. Hier wird, getäuscht
durch eine ’sozialistische‘ Fassade in der DDR und einer unablässigen
’sozialistischen‘ Propaganda seitens der DDR-Revisionisten und ihrer Ideologen
die Form für den Inhalt genommen.

Die Grundannahme eines irgendwann einmal existenten
Sozialismus und einer irgendwann einmal vorhandenen Arbeitermacht liegt Eurer
These von der ‚Entartung des Sozialismus in der DDR‘ zugrunde. Aufgrund dieser
falschen Hypothese werden dann auch Eure weiteren Untersuchungen in eine
falsche Richtung gehen: Was dann unterschlagen werden muss, ist, dass es in der
Sowjetunion eine revisionistische Konterrevolution gegeben hat, die 1953 Stalin
und den marxistisch-leninistischen Führungskern der Sowjetmacht mit Hilfe von
Teilen der Roten Armee ausschaltete und damit auch die Diktatur des
Proletariats in der UdSSR. Dieser qualitative Sprung gerät auf der Grundlage
einer solchen falschen Hypothese aus dem Blickfeld und Chruschtschow und Breschnew
werden zu ’sozialistischen‘ Politikern, die nach und nach ‚entarteten‘ und den
Entartungsprozess ein bisschen opportunistisch vorantrieben. Dann kam eins zum
anderen und ‚plötzlich wurden wieder marktwirtschaftliche Kriterien und
Prinzipien eingeführt‘.

Aber es war keine Laune des Zufalls, dass gerade diese Leute
‚marktwirtschaftliche Kriterien und Prinzipien‘ wieder einführten. Diese Kräfte
haben immer im Rahmen des trotzkistisch-bucharinschen Zentrums gewirkt, haben
seit den zwanziger Jahren daran gearbeitet, den Sozialismus oder seinen Aufbau
erst zu stoppen, als das nicht klappte, durch eine Strategie des Terrors zur
Ausschaltung der führende Exponenten des sozialistischen Aufbaus den Sozialismus
versucht zu zersetzen und rückgängig zu machen. Und Anfang der fünfziger Jahre,
nachdem der proletarische Staat genügend von revisionistischen Kräften unterwandert
war, gelang es ihnen endlich. Die gewandelten Machtverhältnisse an der Spitze
nutzten sie dann konsequent für weitgehende Säuberungen, dann für die ‚Entstalinisierung‘,
dann für die Schaffung weiterer Vorbereitungsmaßnahmen für die spätere, in den
sechziger Jahren erfolgte kapitalistische Restauration auf dem Gebiet der
Ökonomie auf der Grundlage der Libermannschen Ideen. Aber es bedurfte einiger
Jahrzehnte, bis die soliden Grundlagen des Sozialismus in der UdSSR demontiert
waren und auch auf dem Gebiet der Ökonomie qualitativ neue Verhältnisse,
Produktionsverhältnisse, geschaffen werden konnten.

Also: Der konterrevolutionäre Prozess in der damaligen
Sowjetunion war unter den neuen staatlichen und politischen Machtverhältnissen
notwendiger und gesetzmäßiger, nicht zufälliger Natur (‚irgendwann
marktwirtschaftliche Kriterien und Prinzipien eingeführt‘).

Wenn so auch in der UdSSR durch den Putsch der
Chruschtschowianer und Shukow-Leute die ‚Arbeiterklasse von der Macht‘
verdrängt wurde, wie Ihr schreibt, dann trifft das aber deswegen nicht
automatisch auf die DDR zu und zwar deshalb nicht, weil es in der DDR von
vorneherein nie einen echten Sozialismus, sondern nur einen Pseudosozialismus
gegeben hat. Deshalb kann es auch keine ‚fortschrittlichen Überreste‘ gegeben
haben. Wenn es dennoch das eine oder andere Fortschrittliche in der DDR gegeben
hat, wie beispielsweise eine fortschrittliche Arbeitsgesetzgebung und bestimmte
Sozialleistungen, niedrige Mieten usw., so sind diese Dinge nicht als
’sozialistisch‘ einzustufen, sondern es waren Zugeständnisse einer seit Anfang der
50iger Jahre arg in Bedrängnis geratenen konterrevolutionären,
pseudosozialistischen, revisionistischen Staatsmacht, die natürlich auf lange
Sicht auch nicht nur auf der Grundlage der Bajonetten der SMAD existieren und
regieren konnte und die, wie wir inzwischen wissen, wahnsinnige Angst vor dem
eigenen Volk, aber vor allem vor der eigenen Arbeiterklasse besaß, was der Grund
für die umfassende Beobachtung und Bespitzelung der DDR-Bürger durch die faschistische
Stasi war.

Wenn wir, wie Ihr schreibt, unsere ‚Hausaufgaben erledigen‘
wollen, dann müssen wir zusehen, dass wir nicht gleich von unrichtigen
Hypothesen ausgehen. Wir müssen sie verwerfen in der Art von
Naturwissenschaftlern, die im Verlauf ihrer experimentellen Untersuchungen an
einem Problem merken, dass sie neue Hypothesen brauchen, um zu brauchbaren
Ergebnissen zu kommen, wie einst Galileo Galilei, der immer wieder seine Hypothesen
änderte, bis sie so brauchbar geworden waren, dass sie die Dinge am Himmel
erklären konnten und sich für den weiteren Verlauf seiner astronomischen Untersuchungen
eigneten.

Diese Flexibilität echter Wissenschaftler, die nichts mit
Prinzipienlosigkeit zu tun hat, müssen wir uns auf unserem Gebiet, dem sozialökonomischen
und politischen ebenfalls angewöhnen. Aber leider spielen auf diesem Gebiet der
Einfluss revisionistischer Ideologien und starrer Denkweisen, ja auch
emotionale Momente eine sehr große Rolle. Denn auf diesem Gebiet geht es ja
nicht nur um ‚reine Forschungen‘, sondern um die Anwendung in der Praxis und
eine jahrelange falsche Praxis kann dazu führen, dass die Neigung, sich von ihr
loszusagen im Laufe der Jahre immer mehr abnimmt. Das menschliche Denken neigt
dazu, das, was man tut oder getan hat, und wenn es auch das Falsche war, nachträglich
zu rechtfertigen und zu beschönigen, um nicht die eigene Selbstachtung zu verlieren.

Aber wenn wir eine neue kommunistische Partei aufbauen
wollen, dann müssen wir uns bedingungslos und selbstlos dem Prinzip der Kritik
und Selbstkritik unterstellen. Es kann in einer neuen Partei nur dann lebendige
Wirklichkeit werden, wenn die neuen führenden Kader sich diesem Prinzip absolut
unterwerfen. Ein Stück Revisionismus tragen wir alle in uns, seien wir ehrlich.
Wir müssen alle daran arbeiten, diese Seuche loszuwerden, was unglaubliche
Überwindung, permanente intellektuelle Anstrengungen und das ständige Überprüfen
des bestehenden Erkenntnisstandes erfordert.

Mit solidarischen Grüßen

Gerd