Kiel gegen Nazis – Dies ist unsere Stadt!

Kiel: 10 Tausend protestierten in Kiel gegen
den Faschistenaufmarsch

Kiel 29-1-2005 Antifa-DemoTrotz des enormen
politischen Drucks, dem sich die OrganisatorInnen der vom Kieler Runden Tisch
gegen Rassismus und Faschismus initiierten antifaschistischen Demonstration
ausgesetzt sahen, trotz der von einflussreichen PolitikerInnen und der Polizei
betriebenen Spaltungs- und Einschüchterungsversuche – die von verschiedenen
Medien kritik- und verantwortungslos weitergetragen wurden – haben am 29.
Januar 10.0000  Menschen deutlich
gemacht:

 Dies ist unsere Stadt! Hier
ist für Faschisten kein Platz! Wer ihnen den öffentlichen Raum zur Verfügung
stellt, wird auf Widerstand stoßen.

 

Zwei Tage nach dem 60. Jahrestag der Befreiung des von den
Hitlerfaschisten betriebenen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz
wurde bekennenden Nationalsozialisten erlaubt, in unserer Stadt zu
demonstrieren.

Ohne Not – und ohne auch nur den Versuch zu machen, dies mit
entsprechenden Auflagen zu verhindern – haben ihnen die Ordnungsbehörden nahezu
die gesamte Innenstadt zur Verfügung gestellt. Den AntifaschistInnen, auch
ehemaligen Widerstandskämpfern, sollte dagegen – unter Androhung massiver
Polizeigewalt – der Zugang zur Kieler Innenstadt verwehrt werden, wenn sie dort
auch ihren Protest zum Ausdruck bringen wollten. Der Öffentlichkeit wurden
zugunsten der Nazis zahlreiche Einschränkungen zugemutet.

Die Oberbürgermeisterin setzte die antifaschistische
Demonstration mit dem Nazi-Aufmarsch gleich. Sie rief öffentlich dazu auf, den
„linken und rechten Extremisten“ keine Beachtung zu schenken und „beiden
Demonstrationen“ fernzubleiben. Mit diesem Abgesang auf die früher vielfach
beschworene Zivilcourage hat Frau Volquartz dem Ansehen unserer Stadt Schaden
zugefügt.

Das Gegen-Angebot einer „garantiert friedlichen“
Demonstration vom Landeshaus zur Nikolaikirche, an der die
SpitzenpolitikerInnen aller Landtagsparteien teilnehmen würden (und nach deren
Ende um 11 Uhr alle nach Hause gehen sollten), sollte den Runden Tisch in
Misskredit bringen und die Beteiligung an der um 11:30 auf dem Wilhelmplatz
beginnenden Demonstration gering halten.

 

Es hat alles nicht genutzt. Mit einem hohen Maß an
Eigeninitiative haben die Kieler Bürgerinnen und Bürger diesen Zumutungen die
richtige Antwort gegeben: An die 10.000 Menschen nahmen an der Demonstration
des Runden Tisches teil. Sie brachten damit auch den VeranstalterInnen, die
seit vielen Jahren in Kiel kontinuierlich gegen faschistische und rassistische
Umtriebe und Tendenzen arbeiten, das Vertrauen entgegen. Gerade SchülerInnen,
denen Frau Volquartz besonders nahe gelegt hatte, diese Demonstration zu
meiden, haben sich beteiligt. Wichtige Organisationen der MigrantInnen waren
vertreten. Zahlreiche GewerkschafterInnen haben es nicht dabei belassen, am
frühen Morgen vom Landeshaus zur Nikolaikirche zu gehen. Sie sind anschließend
zum Wilhelmplatz gekommen. IG Metall und ver.di hatten zu beiden Aktionen
aufgerufen; Wolfgang Mädel, der Erste Bevollmächtigte der Kieler IG Metall,
sprach auf der Kundgebung des Runden Tisches. Besonders beeindruckend war hier
die Ansprache von Peter Gingold, der im französischen und italienischen
Widerstand gegen den deutschen Faschismus gekämpft hat. Sein Aufruf, im Kampf
gegen den wiederauflebenden Faschismus nicht nachzulassen, wird uns
Verpflichtung bleiben.

Nach Beendigung der Demonstration haben sich die meisten
TeilnehmerInnen in die Innenstadt begeben und auch dort ihrem Protest gegen den
Nazi-Aufmarsch Ausdruck verliehen. Hier entstanden noch spontane
Demonstrationszüge.

 

Die Faschisten hatten etwa 300 AnhängerInnen ihrer
mörderischen Ideologie zur Fahrt nach Kiel bewegen können. Nach einigen Stunden
des Abwartens versuchte die Polizei mit Gewalt, unter Einsatz von
Wasserwerfern, den Nazis einen Weg durch die Straßen Kiels zu bahnen. Das
gelang nur auf 1/3 ihrer geplanten Strecke vom Hauptbahnhof über die
Hummelwiese und die Hopfenstraße bis zur Herzog-Friedrich-Straße, dann mussten
die Faschisten zum Bahnhof zurück geleitet werden, wo ihnen noch eine
volksverhetzerische Kundgebung ermöglicht wurde.

 

Die antifaschistischen Demonstrationen waren ein großer
Erfolg und eine Ermutigung für die demokratischen Kräfte. Am 29.1. wurde eine
gute Grundlage für weitere Aktionen im Landtagswahlkampf – „Keine Stimme den
Faschisten!“ – und darüber hinaus geschaffen.

 

Für die Leitung der Demonstration des Runden Tisches

Bettina Jürgensen – Alexander Hoffmann – Dietrich Lohse –
Heino Schomaker


8000
stoppen Nazi-Aufmarsch in Kiel

 Die
Aktionen gegen den Nazi-Aufmarsch am 29.01. waren ein großartiger Erfolg für
die Kieler Linke. Hier ist ohne Frage etwas Besonderes passiert. An der
Demonstration des Runden Tisches sowie den parallel laufenden und nachfolgenden
Aktionen beteiligten sich rund 8000 Menschen. Daß 2-3000 kommen würden hatten
wohl viele gehofft, doch diese Zahl übertraf selbst die kühnsten Erwartungen.
Antifaschistische Mobilisierungen dieser Größenordnung hat man in den letzten
10 Jahren nicht nur in Kiel, sondern auch bundesweit selten gesehen. Und wann
kommt es schon mal vor, daß ein Ereignis in unserer kleinen Landeshauptstadt
zum Hauptthema in den bundesweiten Medien wird?

 Grundlage
dieses Erfolges war die große Einheit und die hervorragende Mobilisierung aller
beteiligten Gruppen. Nach Bekanntwerden der beabsichtigten Nazi-Demo hatten im
Dezember zunächst der Runde Tisch und das Linksradikale Plenum die Initiative
ergriffen. Der Demo-Aufruf des Runden Tisches traf ganz offensichtlich die
Stimmung von Tausenden. In 30.000-facher Auflage wurde dieser in den Wochen vor
dem 29. in der Innenstadt und den Stadtvierteln, an der Uni, in Kneipen, bei
Konzerten usw. verteilt; die Plakate und Aufkleber des Linksradikalen Plenums
waren bald an jeder Ecke der Stadt zu sehen. Viele Gruppen und Einzelpersonen
wurden selbst aktiv, entwickelten eigene Initiativen und Aufrufe. So wurde
spätestens in der Woche vor der Demo eine hohe Präsenz erreicht: ­ die
Demonstration war Thema in der Stadt. Begünstigt wurde die Mobilisierung noch
durch die Debatte über das Auftreten der NPD im Sächsischen Landtag, die
Befürchtung ähnliches demnächst auch in Schleswig-Holstein zu erleben sowie die
Gedenkfeierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz. All das
verlieh der Demo eine hohe Aktualität.

 Das Ziel
der Demonstration,­ den Aufmarsch der Nazis zu stoppen und sie politisch zu
isolieren,­ wurde voll erreicht. Und dies, obwohl so einiges unternommen wurde,
um die störungsfreie Durchführung der Nazi-Provokation zu ermöglichen. Der ÖPNV
im Innenstadtbereich wurde komplett eingestellt, viele Geschäfte geschlossen
und die City weiträumig abgesperrt. Hierzu hatte die Polizei ein für Kiel wohl
beispielloses Aufgebot von 2700 Beamten, Wasserwerfern und Räumpanzern aus
mehreren Bundesländern aufgefahren. Im Verein mit „unserer“ Oberbürgermeisterin
Vollquartz wurde im Vorfeld an die Kieler BürgerInnen ­ und insbesondere an die
Schüler –  appelliert, sich nicht an der
Demo zu beteiligen bzw. die Innenstadt am Samstag möglichst ganz zu meiden.
Transportiert und unterstützt wurde dies von den KN. In einer weitgehend
unpolitischen Darstellung der kommenden Ereignisse erschien die Demonstration
hier vor allem als Sicherheitsproblem. Die Angst vor „Randale“ und „gewaltbereiten
Autonomen“ wurde geschürt ­ demgegenüber erschien die Nazi-Demo schon fast als
das kleinere Übel. Wenn überhaupt solle man doch an der DGB-Demonstration am
frühen Morgen teilnehmen, die als „friedliche“ Alternative ohne „Risiko“
angepriesen wurde.

 All dem
wurde am 29.01. eine klare Absage erteilt. 8000 Menschen zogen zunächst in
einer kraftvollen Demo zum Alten Markt; einem Großteil von ihnen gelang es
danach in die Nähe des Nazi-Aufmarsches vorzustossen und die Straßen im Bereich
Andreas-Gayk-Straße/ Ziegelteich zu blockieren. Die Nazis hatten sich
währenddessen ab 12 Uhr vor dem Bahnhof gesammelt ­ umringt von Polizei,
Schaulustigen und kleineren Gruppen von Antifaschisten. Trotz einer
vermeintlichen Distanzierung war die Präsenz der NPD in Gestalt ihrer
Kandidaten Lütke und von der Born unübersehbar. Auch zahlreiche NPD-Schilder
wurden getragen. Doch die etwa 350 „Kameraden“ angetreten um die „Frontstadt“
Kiel zu erobern ­ konnten erst mal nur stundenlang rumstehen, weil die Polizei
damit beschäftigt war, die Antifaschisten halbwegs auf Distanz zu halten.
Derweil hielt der Hamburger Nazi Thomas Wulff seine Reden jedoch immer wieder
gestört von Schneebällen und Farbbeuteln, Sprechchören und Pfiffen, die
keineswegs nur von organisierten Antifaschisten kamen. Erst gegen 14.45 Uhr
konnten sich die Nazis überhaupt in Bewegung setzen. Begleitet von wütendem
Protest kam es jedoch mehrfach zu Verzögerungen – denn die Polizei mußte
zunächst die kleineren und größeren Menschenansammlungen zerstreuen, die sich
auch im Bereich Hummelwiese/Königsweg/Hopfenstraße immer wieder in den Weg
stellten. Trotz der hierbei gezeigten Brutalität – insbesondere der schwarz
gekleideten Greiftrupps der Polizei ­ war die ursprünglich geplante Route nicht
durchsetzbar. Über die Herzog-Friedrich-Straße wurden die Nazis schließlich
zurück zum Bahnhof geleitet.  Ihr
Aufenthalt in unserer Stadt wurde für sie zum Spießrutenlauf, – selbst, als sie
schon auf den Bahngleisen warteten, wurden sie noch mit lautstarken „Nazis
raus“-Rufen verabschiedet. „Gegen Multikulti und Hartz IV ­ das Volk sind wir“
lautete das Motto der Nazi-Demo, doch das „Volk“ war offenkundig anderer
Meinung. Gegen 16.30 Uhr hatten die letzten Nazis Kiel wieder verlassen, ­ sie
werden vermutlich nicht so schnell wieder kommen. Interessanter weise hat
dieses Fiasko  innerhalb der  NPD offenbar für Streit um die Teilnahme an
Demonstrationen der „Freien Kameradschaften“ gesorgt (FR vom 31.01.).
Wunderbar, sollen sie sich streiten. Mal schauen, wie stabil die „Volksfront
von rechts“ tatsächlich ist…

 Neben der
praktischen massiven Behinderung des Nazi-Aufmarsches ist es uns vor allem
gelungen wichtige politische Inhalte in der Kieler Öffentlichkeit zu plazieren.
So konnten wir die derzeit laufende Debatte um den richtigen Umgang mit der NPD
um eine absolut notwendige Facette, ­ antifaschistischer Widerstand von unten
ist möglich und erfolgreich, ­ bereichern. Wir haben klar gemacht, daß es sich
bei der NPD nicht um eine harmlose Protestpartei handelt, sondern um Nazis, die
nicht toleriert werden können. Trotz aller Lügen und Verdrehungen finden sich
diese Punkte auch in der medialen Berichterstattung wieder. So stürzte sich
z.B. die „Bild am Sonntag“ nicht – wie zu erwarten war ­ auf die „Krawalle“.
Vielmehr griff sie die NPD und ihre berüchtigten „Gute Heimreise“-Plakate unter
der Überschrift „Neonazi-Skandal: NPD verhöhnt KZ-Opfer“ scharf an.

In diesem
Zusammenhang ist im übrigen auch die von der gesamten Politprominenz
unterstützte DGB-Demo keineswegs negativ zu bewerten. Die Intention dieser
Initiative war  zwar die Spaltung der
Antifaschisten in „gut“ und „böse“ ­ was verständlicherweise zu viel Unmut und
Ärger geführt hat. Tatsächlich aber muß man sagen, daß wir diese Herrschaften
gezwungen haben sich zu bewegen, ­ was wiederum die öffentliche Aufmerksamkeit
für unsere Aktionen erhöht hat. Zunächst war von den Parteien und der örtlichen
DGB-Führung wochenlang nichts zu hören gewesen; erst in der Woche vor dem
29.01. wurde ihre Demo dann angemeldet ­ ganz offensichtlich eine Reaktion auf
die erfolgreiche Mobilisierung des Runden Tisches und der Versuch insbesondere
Gewerkschafter wieder ins bürgerliche Fahrwasser zurückzuholen. Dieser Versuch
ist auf ganzer Linie gescheitert. Trotz massiver Werbung durch die Medien
schlossen sich dem Parteienprotest lediglich 1000 Teilnehmer an, von denen sich
nicht wenige später zum Wilhelmplatz (zur Demo des Runden Tisches, Anm. der
Red.) begaben.

 Ich habe
keinerlei Illussionen in die „Einheit der Demokraten“ o.ä., und man kann
natürlich mit vollem Recht auf die Heuchelei und den Rassismus der Bürgerlichen
verweisen, die den Nazis immer wieder Steilvorlagen liefern. Dennoch war ihr
Aufruf nicht gegen „Links- und Rechtsextremisten“ o.ä., sondern erstaunlich klar
gegen Faschismus und die NPD gerichtet. Die Demonstration der „Freien
Nationalisten“ wurde als das bezeichnet, was sie war, nämlich als
Nazi-Aufmarsch. Und wenn sich ein bürgerlicher Politiker wie CDU-Carstensen
veranlasst sieht, auf einer Demonstration gegen Nazis mitzulaufen und diese als
„Maden“ zu bezeichnen, ist mir dies immer noch lieber, als wenn seine Partei
bspw. eine derbe rassistische Kampagne im Wahlkampf vorträgt. Diese Demo zwar
hat nichts zur Behinderung des Nazi-Aufmarsches beigetragen, wohl aber zur
politischen Isolation der Nazis ­ und das war schließlich unser Ziel.

 Nach der
erfolgreichen Demo des Runden Tisches versucht man nun, die Demonstranten zu
vereinnahmen. „Angeführt von Ministerpräsidentin Simonis und CDU-Kandidat
Carstensen protestierten in Kiel 8600 gegen die Rechten“ log z.B. die „Bild“.
In einem Kommentar für die KN rügt die Redakteurin Cornelia Müller plötzlich
die „Unkenrufe“ und „peinlichen Empfehlungen“ (zu Hause zu bleiben und nicht zu
demonstrieren), welche sie noch wenige Tage zuvor selbst produziert hatte.
Gleichzeitig wird die übliche Hetze gegen „linke Chaoten und Krawallmacher“
etc. gemacht. Das war allerdings nicht anders zu erwarten und sollte uns daher
auch nicht weiter stören. Diejenigen, die am 29. auf der Straße waren, wissen,
was tatsächlich passiert ist. Tausende haben, vielleicht erstmalig in ihrem
Leben, erfahren, was wir erreichen können, wenn wir solidarisch und einig sind ­
und das macht Mut für die Zukunft!
(cg)

Demagogie der NPDAuf
dem Foto sieht man, dass die NPD sich als „revolutionär“ und
„sozialistisch“ gibt. Es ist dieselbe verlogene Demagogie wie die der
NSDAP, die sich als „Arbeiterpartei“ präsentierte, aber eine Partei des
aggressiven Großkapitals war.

NPD-Hetze in KielDie
NPD hetzt mit allen Mitteln gegen ausländische Kolleg/innen – unten mit
dem Plakat „Gute Heimreise“. Auf dem Transparent dahinter wünschen
antifaschistische Demonstranten den Nazis „Gute Heimreise“ auf den
Müllhaufen der Geschichte.