Türkei: Der 2. Lynchversuch innerhalb einer Woche

Die Stimmung in der Türkei verschärft sich weiter. Erneute
Übergriffe gegen Demokraten, Gewerkschafter und Menschenrechtler.

Istanbul / Evrensel

Am vergangenen Samstag wollte ein Zusammenschluss aus dem Umfeld
linker Parteien, Menschenrechtsvereinen und demokratischer Vereinigungen im
Atatürk Park in Trabzon eine Presseerklärung machen, als unbekannte Personen
sich vor die Gruppe stellten und zu schimpfen begannen. Sie riefen die Anwohner
auf gegen die „Ungläubigen“ vorzugehen. Daraufhin versammelte sich 200 Personen
und attackierten die Gruppe. Die eingetroffene Polizei griff nicht sofort ein.
In Folge der Auseinandersetzung gab es viele Verletzte.

Die 30köpfige Gruppe konnte sich vor dem Lynchversuch retten und
floh in ein nahe gelegenes Gewerkschaftshaus. Hier versammelte sich die Meute
erneut und skandierte Sprüche wie „Trabzon ist türkisch und bleibt türkisch“.
Trotz mehrmaliger Aufforderung der Polizei, löste sich die Menge nicht auf.
Erst als einige Angreifer festgenommen wurden, gingen sie auseinander.

Dies ist der zweite Lynchversuch in Trabzon innerhalb einer
Woche. Bereits am 6. April ging eine von Unbekannten aufgestachelte Horde von
1000 Personen auf fünf Jugendliche los. Sie waren gerade dabei Flugblätter des
Hilfsvereins für Politische Gefangene TAYAD zu verteilen. Jemand hatte
absichtlich die Falschmeldung verbreitet, Kommunisten würden die türkische
Fahne verbrennen. Zum Teil schwer verletzt von den Schlägen der Angreifer
konnten sich die Jugendlichen in ein Lokal retten und wurden von der Polizei
festgenommen. Ihnen wird „Widerstand
gegen die Staatsgewalt und Provokation der Bevölkerung“
vorgeworfen. Gegen
die Angreifer unternahm die Polizei nichts.

Angefangen hatte die ganze Anspannung mit einem Vorfall während
der Newroz Feiern in Mersin. Da hatten zwei minderjährige Jugendliche
angestiftet von einem Unbekannten eine türkische Fahne angezündet. Daraufhin
rollte die Regierung landesweit eine nationalistische Fahnen-Kampagne auf.
Unter dem Vorwand, Separatisten würden die nationale Einheit bedrohen, wurde
eine Massenhysterie ausgelöst.

Von www.labournet.de