Bundestagswahl: Verlierer bejubeln ihren „Sieg“

Karte des KapitalsDie Bundestagswahl 2005 hat zu einem überraschenden Ergebnis
geführt: Sowohl die SPD-Grünen-Koalition von Schröder und Fischer hat verloren
als auch die CDU/CSU/FDP um Merkel, Stoiber und Westerwelle. Die Börse
reagierte darauf mit einem Kursrückgang, vor allem bei den Energiekonzernen. Große
Teile des Kapitals hatten fest mit einer CDU/CSU/FDP-Regierung und einer
Kanzlerin Merkel gerechnet. Die Wählerinnen und Wähler haben dem Kapital und
allen herrschenden Parteien kräftig in die Suppe gespuckt.

 

Wie wir in „Arbeit Zukunft“ schon vorher analysiert hatten,
hat die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger kein Vertrauen mehr in die Parteien
der herrschenden Klasse. Rund 70% versprachen sich keine grundlegenden
Veränderungen durch einen Regierungswechsel. Dieses schwindende Vertrauen hat
seinen Niederschlag im Wahlergebnis gefunden – deutlicher als wir es selbst
erwartet hatten. Die CDU/CSU hat eine dramatische Wahlschlappe hinnehmen
müssen. Der bereits sicher geglaubte Sieg entschwand. Die Pläne zum radikalen
Sozialabbau schreckten die Menschen ab, die kurz zuvor noch glaubten, in der
CDU/CSU eine Alternative zur Sozialabbau-Politik der SPD zu finden.

Mit einem demagogischen Wahlkampf riss Schröder die SPD noch
einmal aus den tiefsten Tiefen. Trotzdem erreichte die SPD nur ein äußerst mageres
Ergebnis. So richtig vertrauen wollten der SPD allzu viele nicht mehr. Und den
Zugewinn konnten Schröder und die SPD nur dadurch erreichen, dass sie sich auf
einmal als Kämpfer für „soziale Gerechtigkeit“ präsentierten. Leute wie
Müntefering, die eben noch Hartz IV und ALG II mit durchgepaukt hatten, redeten
auf einmal von Heuschrecken und gebärdeten sich anti-kapitalistisch. Nur mit
linker Verkleidung konnte die SPD die Wahl gewinnen. Am Wahlabend aber
verkündete Schröder bereits, dass der eingeschlagene Weg der „Reformen“
entschlossen fortgesetzt werden müsse.

Dass Schröder nur mit einer linken Verkleidung das
Schlimmste für die SPD verhindern konnte, zeigt deutlich wie stark der
Widerstand im Volk gegen weiteren Sozialabbau ist. Das spiegelt sich ebenso im
guten Abschneiden der Linkspartei wieder. Die Montagsdemonstrationen waren
keine Eintagsfliegen, wie die Herrschenden gehofft haben. Die Bewegung gegen
Sozialabbau hat tiefe Spuren im Bewusstsein der Menschen hinterlassen. Das
konnten und können die Herrschenden mit ihrem Propaganda-Feuer von der
Notwendigkeit weiterer „Reformen“ also Kürzungen nicht mehr ausradieren. Diese
starke Volksbewegung hat die politische Landschaft verändert: Diskussionen über
den Kapitalismus, über eine andere Gesellschaftsordnung, über die Zukunft sind
wieder möglich. Mit der Linkspartei hat sich, ob gewollt oder nicht spielt
dabei keine Rolle, der politische Spielraum weiter vergrößert. Waren z.B. die Gewerkschaften
bislang unbestrittenes Territorium der SPD, so ist dies nun nicht mehr der
Fall. Deshalb konnte die DGB-Führung auch keine offene Unterstützung der SPD
mehr wagen, auch wenn rechtssozialdemokratische Gewerkschaftsführer wie z.B.
von der IG Chemie dies forderten. In den Gewerkschaften kann nun wieder leichter
über den Kurs und die Forderungen der Arbeiterinnen und Arbeiter diskutiert
werden.

Egal welche Koalition in Berlin regieren wird, es wird immer
eine Koalition des Kapitals sein. Zugleich haben sich aber die Möglichkeiten
für alle fortschrittlichen und revolutionären Kräfte erhöht. Wir haben trotz
aller offen geäußerter Vorbehalte die Wahl der Linkspartei unterstützt. Wir
werden die Abgeordneten der Linkspartei nun daran messen, was sie im Parlament
für die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter, für die Jugend, für die
Frauen, für die Arbeitslosen, für die Rentner usw. real tun werden. Und wir werden
ebenso den gewachsenen Spielraum nach Kräften nutzen.

Die Wahl hat zugleich erneut die Schwäche der revolutionären
Kräfte in Deutschland gezeigt. Ihre Möglichkeiten steigen durch die positive
Entwicklung im Volk, aber real können diese Möglichkeiten durch Zersplitterung,
durch Opportunismus und Sektierertum nicht genutzt werden. Sie mussten deshalb
passiv zuschauen, wie sich eine linkssozialdemokratische Linkspartei die
Bewegung gegen Sozialabbau zunutze machte. Diese Schwäche der revolutionären
Kräfte muss überwunden werden. Wir brauchen eine starke kommunistische
Arbeiterpartei in unserem Land.

ernst