Korrespondenz: Gegenaktionen zu einer Demo von Neofaschisten in Friedrichshafen/Bodensee

Nazis in FriedrichshafenAm Samstag, den 08. Oktober 2005
wollten die Neofaschisten Friedrichshafen zur „National befreiten Zone“ machen,
wie sie es selbst großkotzig angekündigt hatten. Aber daraus wurde nichts dank
des Einsatzes von Antifaschistinnen und Antifaschisten aus Baden-Württemberg,
Bayern, der Schweiz und Österreich.

Zur Vorgeschichte: Ende August
hatten sich etwa 50 Skinheads aus der braunen Szene in Überlingen zum „Party
machen“ versammelt, waren gewalttätig geworden und einige von ihnen wurden
vorübergehend festgenommen und angezeigt. Zuständig für die polizeilichen
Ermittlungen ist die Polizeidirektion Friedrichshafen.

Für die Faschos, die zurzeit ganz
offensichtlich Morgenluft wittern, war das Anlass, sich zu Kämpfern gegen
staatliche Willkür aufzuschwingen. Sie meldeten für den 08. Oktober eine Demo
„gegen staatliche Willkür“ vom Stadtbahnhof 
FN zur Polizeidirektion an, die ihnen prompt auch genehmigt wurde.
Anmelder der Demo war übrigens der in München und Oberbayern einschlägig
bekannte Hayo Klettenhofer, der früher führendes Mitglied der „Kameradschaft
Süd“ war, die den vereitelten Sprengstoffanschlag auf die Grundsteinlegung des
Jüdischen Zentrums in München im Jahr 2003 geplant hatte. Die städtischen
Behörden taten rein gar nichts, um die Neonazi-Demo zu verhindern, die ihnen
schon mindestens seit Anfang September bekannt sein musste. Erst als
antifaschistische Kräfte, die von dem geplanten Aufmarsch durchs Internet aufmerksam
wurden, sich trafen, um ein „Bündnis gegen Rechts Bodensee“ ins Leben zu rufen,
wurden der Oberbürgermeister und die bürgerlichen Parteien aktiv, aber auch
nur, um eine Demo abseits vom Geschehen vorzubereiten und durchzuführen.

Vor Ort, direkt am Eingang zum
Bahnhof, wo um etwa 13.00 Uhr die „Nationalen Sozialisten“, wie sie sich frech
selbst betiteln, ihre Auftaktkundgebung machen wollten, waren vor 11.00 Uhr
schon die Polizeisperren – natürlich zur Abwehr der Gegendemonstranten –
errichtet worden und nach und nach kamen dorthin immer mehr AntifaschistInnen.

Zunächst stellte sich heraus,
dass die Faschos ihre Kundgebung erst um 14.00 Uhr beginnen wollten, dann
trafen sie in Grüppchen, von der Polizei eskortiert, vor dem Eingang zum
Stadtbahnhof ein und grinsten zu den Gegendemonstranten, die wohl oder übel
hinter den Polizeiabsperrungen bleiben mussten, herüber.

Protest gegen Nazis in FriedrichshafenAls dann die Neonazis begannen,
ihre dumpfen Gesänge über Lautsprecher abzuspielen, gab es Pfiffe, „Haut ab!“
und „Wir wollen keine Nazischweine“ – Parolen, so dass von dem Inhalt nichts zu
verstehen war. Unverschämterweise spielten die Faschos auch einen Song von
„Ton-Steine-Scherben“ ab – um zu provozieren oder zu tarnen und zu täuschen –
fragt sich nur wen, denn von ihren Gegnern werden sie nicht erwarten, dass man
sie als „fortschrittlich“ ansieht. Den gleichen Zweck verfolgte wohl auch das
Schwenken von zwei „attac“-Fahnen. Inzwischen war die Zahl der
AntifaschistInnen samt neugierigen Beobachtern auf geschätzt 800 bis 1000
Personen angewachsen, während das Häufchen der Neonazis nach Polizeiangaben bei
150 (es sah aber eher nach noch weniger aus) blieb.

Die Kundgebungsreden – Redner
Hartmut Wostupatsch, ehemaliger Kader der verbotenen „Aktionsfront Nationaler
Sozialisten / Nationaler Aktivisten“ und Philipp Hasselbach, Mitbegründer der
„Autonomen Nationalisten München“ – gingen in Parolen und „Haut ab“-Rufen
weitgehend unter. Als schließlich Flaschen und andere Gegenstände Richtung
Neonazis flogen, wurden von Greiftrupps der Polizei einzelne Leute verhaftet,
jedoch unternahm die Polizei es auch nicht, generell gegen die
Gegendemonstranten vorzugehen. Trickreich wurden die Neofaschisten durch einen
seitlichen Ausgang von dem Bahnhofsvorplatz Richtung Innenstadt geschleust. Die
Marschroute der Nazidemo war durch Polizeifahrzeuge und –truppen auf den
Seitenstraßen hermetisch abgeriegelt. Trotzdem kam es zu weiteren Versuchen,
den Aufmarsch der Neonazis zu stoppen mit weiteren Verhaftungen von
Nazigegnern. Insgesamt wurden laut Presse während des gesamten Polizeieinsatzes
24 Personen, davon sechs aus der Neonazi-Szene, vorläufig festgenommen.

Leider konnte der Naziaufmarsch
aufgrund der massiven Polizeipräsenz nicht völlig verhindert werden – und
natürlich auch, weil die so genannten „Demokratischen Kräfte“, DGB, bürgerliche
Parteien etc. sich vornehm abseits auf der Schlusskundgebung ihrer eigenen
„Gegendemonstration“ aufhielten. Dennoch blieben die Neonazis weit davon
entfernt, eine „National befreite Zone“ zu erkämpfen. Es blies ihnen kräftig
der Gegenwind, wenn nicht gar –sturm ins Gesicht. Sehr positiv fand ich die
zahlreiche Teilnahme von schweizerischen und österreichischen Nazigegnern an
der Aktion.

 S.N.