Krankenkassenvertreter für „sozialistisches System“

Der Kampf um den Gesundheitsmarkt wird immer härter. Denn es
ist ein Markt! Hauptziel ist dabei nicht mehr die Gesundheit sondern die
Verwertung von Kapital und der Profit! Das merken Patienten, Ärztinnen und
Ärzte, Krankenschwester und Pfleger und alle im Gesundheitswesen Tätige täglich
deutlicher.

Am 22.11.05 berichtet die Stuttgarter Zeitung über die
Methoden von Pharmakonzernen zur Bestechung von Kassenärzten. Auf dem Medikamentenmarkt
wird mit harten Bandagen gefochten und mit allen möglichen lauteren und
unlauteren Mitteln um Marktanteile gerungen.

Ein Beispiel ist dabei die Firma Ratiopharm, gegen die nun
die Staatsanwaltschaft ermittelt. Ärzte erhielten 200-Euro-Gutscheine, die sie
bei Karstadt, TUI usw. einlösen konnten, wenn sie Patienten das Cholesterin
senkende Pravastatin verschrieben. Apotheken wurden in den Deal mit einbezogen,
damit diese nicht gleich wirksame Mittel anderer Hersteller mit demselben oder
einem niedrigeren Preis an Patienten ausgaben. Denn diese haben einen Spielraum
bei der Medikamentenausgabe.

In einer Anweisung von Ratiopharm an ihre Vertreter, hieß
es: „Mit diesem Instrument können Sie vor
allem B-Ärzte zu Topverordnern entwickeln… Viel Erfolg beim Wettlauf… Auf die
Ärzte, fertig, los!“
Und es wurde angemerkt, der „Arzt muss Gutscheine nicht versteuern!“

Die unappetitlichen Details solcher Bestechungen von
Kassenärzten durch die Pharmaindustrie sind durch frühere Skandale sattsam
bekannt. Erstaunlich ist höchstens die ungeheure „Kreativität“ und kriminelle
Energie mit der hier trotz aller vorangegangenen Skandale vorgegangen wird.

Ein Vertreter der Krankenkassen, Stefan Prüller, der bei
Gmünder Ersatzkasse für die Abrechnung von Arzneimitteln zuständig ist, meint
dazu, die Ermittlungen in solchen Fällen seien „ein zähes Verfahren, bei dem meist nicht viel herauskommt“. Und er
schlägt deshalb in einem entscheidenden Punkt ein „sozialistisches System“
vor. Ärzte sollten ihre Praxissoftware nicht mehr frei wählen dürfen, sondern „eine einheitliche Praxissoftware, die alle
im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kassenärzte einsetzen müssen,“
erhalten.
Hintergrund seines Vorschlages ist, dass viele Ärzte sich ihre Praxissoftware
von der Pharmaindustrie schenken lassen. Diese ist dann so programmiert, dass
als Therapievorschlag immer die Medikamente des Pharmakonzerns erscheinen, der
diese Software verschenkt.

Den Vorschlag von Stefan Prüller, ein „sozialistisches System“
einzuführen, können wir nur begrüßen. Angesichts der offensichtlich schädlichen,
ja sogar zerstörerischen Wirkungen des Profitsystems im Gesundheitswesen, ist
tatsächlich ein anderes System dringend notwendig. Doch müssen wir darauf
hinweisen, dass der Vorschlag von Stefan Prüller höchst inkonsequent und unvollständig
ist! Konsequent zu Ende gedacht, bedeutet ein sozialistisches System:

Enteignung der Pharmakonzerne und gesellschaftliche Planung
entsprechend den Bedürfnissen der Menschen. Abschaffung der vielen kleinen und
kleinsten Krankenkassen mit allen ihren zigtausenden „Führungskräften“, die auf
Kosten der Versicherten große Gehälter einsacken. Verstaatlichung des Gesundheitswesens
mit kostenloser Versorgung für alle. Dadurch könnten die vorhandenen
medizinischen, technischen, pharmazeutischen und sonstigen Möglichkeiten
optimal zugunsten der Patienten, aber auch des medizinischen Personals genutzt
werden. Statt 36-Stunden-Schichten für Krankenhausärzte wäre dann eine
geregelte, menschliche Arbeitszeit möglich. Statt die Milliardenprofite der
Pharmakonzerne und einiger Privatkonzerne im Krankenhaus- und Gesundheitssektor
aus den Mitteln der Allgemeinheit zu finanzieren, könnte damit die
gesundheitliche Versorgung aller verbessert werden.

Und wenn wir noch weiter denken, so ist klar, dass es eine
solche Lösung nicht als „Insel der Seeligen“ im Gesundheitswesen geben kann.
Konsequenterweise ist eine solche Lösung nur denkbar, wenn der gesamte Staat
und die gesamte Wirtschaft ein „sozialistisches System“ sind.

ernst