Skandal-Urteil des Landgerichts Stuttgart stärkt erneut Nazis den Rücken!

Das Nazi-Gegröle vom 23. September in Göppingen, das vom Verwaltungsgerichts
Stuttgart genehmigt worden war, ist kaum verhallt, da setzen die Richter des
Landgerichts Stuttgart gleich noch einen drauf: Unter dem Vorsitzenden Richter
Wolfgang Küllmer wurde der Versandhändler Jürgen Kamm, der unter anderem Antinazi-Buttons,
-Aufkleber und -T-Shirts mit durchgestrichenen oder zertrümmerten Hakenkreuzen
verkauft, zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt!

Damit hat das Landgericht Stuttgart den Verkauf solcher
Anti-Nazi-Symbole praktisch verboten. Richter Wolfgang Küllmer
und seine Mitrichter legten dem 32-Jährigen die Verwendung von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen zur Last! Die Staatsanwaltschaft hatte sogar
eine Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro beantragt.

In dem Prozess ging es um die Frage, inwieweit
das öffentliche Verwenden und Verbreiten eines etwa nach Art eines
Halteverbotschildes durchgestrichenen Hakenkreuzes strafbar ist. Der
Geschäftsführer des Versandhandels «Nix Gut», Jürgen Kamm, hatte seine
Tätigkeit dagegen klar und durchaus antifaschistisch begründet: Jedermann solle
gegen Nazis Stellung beziehen können, dafür stelle er Mittel zur Verfügung

Besonders skandalös ist die Tatsache, dass
während der Verhandlung in Stuttgart auch die Tatsache zur Sprache kam, dass
die Welt- Fußballverband Fifa während der Fußballweltmeisterschaft 2006 in
Deutschland mir einem der von Kamm vertriebenen und vom Stuttgarter Gericht
bestraften Abzeichen, dem durchgestrichenen Hakenkreuz, in den Stadien
Naziparolen untersagt hatte. Das sei laut Staatsanwaltschaft etwas ganz
anderes. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen!

Die Wortwertdreherei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft
und des Herrn Küllmer hat schon fast Sonderklasse:

Küllmer: Durch eine „kommerzielle
Massenverbreitung“ solcher Symbole bestehe die Gefahr der
Wiedereinbürgerung des Hakenkreuzes. Und die Staatsanwaltschaft Stuttgart
vertrat in ihrer Anklage die Auffassung, dass das Zeigen eines Hakenkreuzes
unabhängig von der Absicht des Trägers strafbar ist, auch wenn das Symbol
verfremdet wird.

Das Gericht folgte mit dem Urteil dieser Argumentation.

Da können die Nazi-Führer in
Deutschland nur noch die Sektkorken knallen lassen! Sie machen sich tatsächlich
schon einen Jux daraus, Antifaschisten wegen der gegen sie selbst gerichteten
Abzeichen anzuzeigen: In Berlin haben Neonazis versucht, die Justiz gegen
verfremdete Hakenkreuze einzuschalten. Nach Informationen des Berliner Tagesspiegels
hat der bekannte Szeneaktivist René Bethage vor drei Wochen die Justiz
eingeschaltet: Bethage, Gründer der 2005 verbotenen Kameradschaft „Berliner
Alternative Südost“, hatte sich von einem Wahlstand der Grünen Jugend eine
Werbepostkarte geben lassen, auf der mehrere verfremdete Hakenkreuze abgebildet
sind. Diese Postkarte übergab Bethage selbst dem Justiziar der Berliner
Polizei. Immerhin weigerte sich die eingeschaltete Berliner Staatsanwaltschaft,
die Sache zu verfolgen. Deren Begründung verweist klar auf den Text der einschlägigen
Strafgesetzbuchparagrafen § 86 (Verbreiten von Propagandamitteln
verfassungswidriger Organisationen) und § 86a (Verwenden von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen. Deren Bestimmungen werden von den
Stuttgarter Richtern klar gebrochen! In §86 heißt es zunächst in Absatz 1 u.A.:

Wer Propagandamittel …,die nach
ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen
nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, im Inland verbreitet oder
zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder
ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Aber er macht in Absatz 3 eine
wesentliche Ausnahme:

„Absatz 1 gilt nicht, wenn das
Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der
Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der
Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des
Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient
.“

Diese Rechtsbestimmung kann jeder
Antifaschist für sich in Anspruch nehmen, der die kriminalisierten Buttons etc.
verwendet. Denn er tut das ja gerade, um sich der Gefahr der Nazis
entgegenzustellen, die Öffentlichkeit aufzuklären und die Nazisymbole, die
anerkanntermaßen als verfassungsfeindlich angesehen werden, zu bekämpfen. Die Stuttgarter
Staatsanwälte und Richter aber übergehen diese Bestimmung! Sie brechen hier
vorsätzlich gegebenes Recht! Sie ermitteln vorsätzlich an den klar erkennbaren
und erklärten Zielen aller in diesem Zusammenanhang verfolgten Menschen vorbei.

Stattdessen schwadroniert Küllmer davon, dass angeblich durch
eine „kommerzielle Massenverbreitung“ solcher Symbole die Gefahr entstünde,
dass das Hakenkreuz wieder eingebürgert wird. Merkwürdig: Tausende im
Antifaschistischen Kampf engagierte Mitbürger sehen diese Gefahr eher bei dem
immer aggressiveren Auftreten der Nazis allüberall im Land! Bloß wissen sich in
solchen Fällen bekanntlich oft weder Polizei noch Justiz zu helfen. Da ist
gerade kein Streifenwagen frei, da kann niemand einen politischen Hintergrund
erkennen, da handelt es sich um Dummejungen-Streiche und was an Ausreden noch
in den Medien präsentiert wird…

Kein Zweifel. Mindestens die Baden-Württembergische Justiz
schützt auf durchsichtige Weise und mit allen juristischen Tricks die Nazis.
Und man wird gespannt sein dürfen, was beim Bundesgerichtshof, wo Jürgen Kamm
nun Revision einlegen wird, oder ggf. beim in Nazi-Dingen so erfahrenen Bundesverfassungsgericht
aus der Sache wird. Den Optimismus einiger pflichtgemäß empörter bürgerlicher
Politiker, die hier das Heil erwarten, kann man nur als Blauäugigkeit
einstufen!

Immerhin scheint Bundesjustizministerin Zypries inzwischen
Gesetzesänderungen zu erwägen (Quelle: http://www.nachrichtenboard.de/ftopic230328.html#235416)

Doch bis dahin wäre es ein langer Weg, in den man nach allen
Erfahrungen keine Illusionen setzen sollte. Wer aber die zitierte
Gesetzesformulierung (§ 86 StGB) liest, muss sich im Übrigen fragen, warum denn
die jetzige Rechtslage nicht ausreichen soll. Es mangelt nicht an Paragrafen,
es mangelt – zumindest in Baden Württemberg – an Richtern, die sie – man wagt
es kaum noch auszusprechen – gerecht auslegen!

Wir erinnern daran, was Arbeit Zukunft am 1. Mai diesen
Jahres anlässlich einer einschlägigen Schäuble-Äußerung zum rassistischen
Überfall auf einen Potsdamer Deutsch-Äthiopier schrieb(vgl.: http://www.arbeit-zukunft.de/index.php/item/497):

Es gibt immer einen Vertreter der deutschen Reaktion,
der … die tief im Inneren des deutschen Staatswesens versteckt liegende geheime
Räson zum Vorschein bringt, die da besagt: Es gibt in diesem Deutschland einen
unantastbar reaktionären, aggressiven, antidemokratischen und barbarischen Kern
von Anschauungen und Praktiken, auf die werden wir nicht verzichten! Und: Auf
unsere braunen Schläger, Rassisten, Neonazis usw. haben wir ein wachsames Auge!
Wer weiß, wann wir sie noch brauchen!

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