Appell an die marxistischen Parteien und Kräfte in der arabischen Welt

Vertreter von Parteien und
marxistische Einzelpersonen, Unterzeichner dieses Appells, trafen sich und
untersuchten die katastrophale Lage, die in der arabischen Region herrscht.

Diese Lage ist das Ergebnis
der imperialistischen Herrschaft – an ihrer Spitze der amerikanische
Imperialismus
– die darauf abzielt, sich mittels ihrer verschiedenen
Projekte (Großer Mittlerer Osten oder Neuer Mittlerer Osten) sich der Reichtümer
der Region zu bemächtigen und sie politisch und militärisch dem
imperialistisch-zionistischen Diktat zu unterwerfen. Das hat zur Besetzung des
Irak geführt und zu den Versuchen der Liquidierung der palästinensischen Sache,
die den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen dem Vorhaben der arabischen
Befreiung und dem der kolonialen Unterjochung darstellt; das hat ebenfalls zur
kürzlichen kriminellen und zerstörerischen Aggression gegen den Libanon
geführt; so befinden sich die arabischen Länder insgesamt entweder in einem
Zustand der direkten Besetzung oder in einem Zustand der Abhängigkeit in
verschiedenen Graden und unter verschiedenen Formen. Diese imperialistische
Beherrschung zielt darauf ab, die Region immer mehr zu spalten und sie auf
ethnischer oder reaktionärer konfessioneller Grundlage zu zerschlagen.

Die Durchführung dieses Vorhabens
geschieht mit der Komplizenschaft der reaktionären Klassen, die in den  verschiedenen arabischen Ländern an der Macht
sind und deren Interessen mit denen des Imperialismus direkt verbunden sind.
Sie geschieht auch dank der diktatorischen und bestochenen Regimes, welche
ausplündern, welche auf ökonomischem, sozialem und kulturellem Gebiet rückständige
Strukturen fortsetzen und verstärken und die Spaltungen aufrechterhalten und
zuspitzen und so die imperialistisch-zionistische Herrschaft begünstigen.

Die Teilnehmer haben die Ebbe bei
zahlreichen marxistischen und kommunistischen Kräften mit Bitterkeit
festgestellt: eine Anzahl von ihnen wurden marginalisiert und leiden infolge
der fortlaufenden Repressionskampagnen unter vielfältigen Krisen; andere haben
sich als Folge von theoretischen und praktischen Irrtümern entschlossen,
Kompromisse zu schließen.

Endlich haben einige Gruppen –
oder einige ihrer Mitglieder – eine völlige Kehrtwendung gemacht und sich den
liberalen Positionen angeschlossen und es akzeptiert, sich der kapitalistischen
Globalisierung anzupassen, unter dem Vorwand, sie trüge „die Liberalität, die
Demokratie und den Wohlstand“ in sich. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei
der Verteidigung der „demokratischen Reformen“ in den arabischen Ländern. Indem
sie die demokratische Frage von der nationalen Frage trennen, stellen sich
diese Kräfte an die Seite des Imperialismus, was die Schwächung der Rolle der
Linken nach sich zieht, die Abkehr von den Prinzipien, die ihre Rolle als
Avantgarde in dem emanzipatorischen und fortschrittlichen Kampf gegen den
Imperialismus und für die Schaffung einer alternativen Welt begründen. Einer
Alternative, welche die Interessen der Arbeiterklasse und des Volkes ausdrückt
und auf der nationalen Befreiung, der Gleichheit, dem Recht auf
Selbstbestimmung, die Garantie der Rechte auf Verschiedenheit, Pluralität,
Gerechtigkeit, sozialer Gleichheit und Demokratie beruht.

Die imperialistische Offensive
bewirkte auf internationaler Ebene auch, dass die sozialistische,
internationalistische Sache einen schweren Schlag erhielt und auf arabischer
Ebene, dass sie vom Rückgang gewisser nationalistischer Erscheinungen begleitet
war. Das hat den fundamentalistischen, islamistischen Strömungen den Weg
geöffnet, die einen der Befreiung, dem Rationalismus und dem Fortschritt
feindlichen Plan verfolgen; einen Plan, der den Orientierungen des ungezügelten
Liberalismus folgt, welcher bei der imperialistischen Globalisierung
ausschlaggebend ist.
Diese fundamentalistischen Kräfte leisten den
Imperialisten einen hervorragenden Dienst, indem sie den nationalen Kampf und
den Klassenkampf als religiösen und konfessionellen Kampf darstellen; sie
schließen sich den Ultrakonservativen, den Theoretikern des Imperialismus an,
die den Zusammenprall der Zivilisationen und der Religionen propagieren.

Wenn einige Strömungen des
politischen Islam positiv im Widerstand gegen die Besatzung engagiert sind,
wurden andere, unter der Vorgabe, sie seien „politisch gemäßigte“ Strömungen,
zu Trägern der Umsetzung der imperialistischen Pläne (Plan für einen „Großen
Mittleren Osten und Nordafrika“ und Plan für einen „Neuen Großen Mittleren
Osten“). So setzen sich die herrschenden Kräfte in der arabischen Welt von nun
an zusammen aus reaktionären abhängigen und diktatorischen Regimes,
fundamentalistischen Kräften und bestimmten liberalen Gruppen und Parteien, die
in die internationale kapitalistische Art und Weise integriert oder auf dem Weg
in die Integration sind. Sie sind mit den imperialistischen Kräften verbunden
oder auf dem Weg in eine strategische Allianz mit ihnen. Diese Kräfte können
deshalb nur Unterwerfung, Rückschritt, Ausbeutung, Verarmung, die Verstärkung
der konfessionellen Zersplitterung und Zersetzung bringen. All dies
erfordert die Suche nach einer wirklichen Alternative, welche die Interessen
der Arbeiter, armen Bauern und der Klassen und Schichten des einfachen Volkes
zum Ausdruck bringt, einer Alternative, welche ihren Plan der Befreiung, der
Unabhängigkeit und der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in
sich trägt; eine patriotische, demokratische und populäre Alternative
; eines
Projekts der Hoffnung und der Zukunft, welches die soziale Bewegung, die Rolle
der Gewerkschaften und der unabhängigen zivilen Vereinigungen  und alle Bestandteile des Volkskampfes
stärkt; eines Projekts, welches die Bildung von Kräften vorbereitet, die in der
Lage sind, den Plan des amerikanischen Imperialismus im Besonderen und den Plan
des Kapitalismus im Allgemeinen zunichte zu machen und sich all ihren
Umsturzplänen zu widersetzen; eines Projekts, das einen wirklichen Wechsel realisiert,
der dringend notwendig geworden ist.

Im Bewusstsein dessen erachten es
die unterzeichnenden Parteien und Einzelpersonen als notwendig und geboten,
ihre Aktivitäten auf arabischer Ebene und in jedem Land zu koordinieren, um ein
politisches, ökonomisches und soziales Programm zu erarbeiten, das auf ihren
Gemeinsamkeiten beruht. Es soll erlauben, den Kampf gemeinsam und unter allen
Formen nach den Besonderheiten eines jeden Landes, zu führen.  Dies soll die arabische marxistische Strömung
insgesamt und alle ihre Teile in jedem Land stärken, damit die arabische
marxistische Bewegung zur effektiven Kraft wird sowohl als Ausdruck der
Arbeiterklasse, der armen Bauern und aller Klassen und Schichten des einfachen
Volkes als auch als Trägerin der Werte des Fortschritts, der Demokratie – was
eine dringende Forderungen geworden ist – und Gerechtigkeit in einer
sozialistischen Perspektive.

 

Paris, den 18.09.2006

 

  • Salameh Kaileh, unabhängiger Marxist (Syrien)
  • Adib Dimitri, Sozialistische und demokratische Volkspartei
    (Ägyptens)
  • Brahma Elmostafa, Vize-Sekretär des Demokratischen Weges
    (Marokko)
  • Abderrazak Hammami, Präsident des Konstituierenden Komitees
    der Patriotischen und Demokratischen Partei der Arbeit (Tunesien)
  • Abdellatif Benelhassan, Mitglied des Zentralkomitees der
    Partei der Demokratischen und Sozialistischen Avantgarde (Marokko)
  • Hamma Hamami, Sprecher der Kommunistischen Arbeiterpartei
    Tunesiens
  • Youcef Abdelki, Partei der Kommunistischen Aktion (Syrien)
  • El Hassan Ahmed Salah, Kommunistische Partei Sudans
  • Saadallah Mazraani, stellvertretender Generalsekretär der
    Kommunistischen Partei des Libanon
  • Jamalat Abuyusef, unabhängiger Marxist (Palästina)
  • Nahad Badaouieh, unabhängiger Marxist (Syrien)
  • Kamel Badaoui, unabhängiger Marxist (Algerien)

 

Aus: La Forge, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei
Frankreichs (PCOF), Nr.467, Oktober 2006