Veranstaltung im Eine Welt Haus München: Die Zukunft der Nato: eine zivil-militärische Besatzungstruppe?

Korrespondenz: Im Vorfeld der jährlich stattfindenden so
genannten „Sicherheitskonferenz“ fanden in München mehrere Veranstaltungen
statt, darunter ein Vortrag über die Zukunft der NATO. Als Referent führte
Jürgen Wagner, der dem Vorstand der Informationsstelle Militarisierung
angehört, im leider schwach besuchten Hauptsaal des Eine-Welt-Hauses die
Planungskonzeptionen der NATO aus. Derzeit erarbeitet die NATO ein neues
strategisches Konzept, dass zu ihrem 60. Geburtstag 2009 beschlossen
werden soll.

Schwerpunktmäßig sprach der Referent die Zielsetzung der
NATO an, den zivilrechtlichen Bereich auszubauen.
Die NATO soll demnach noch mehr als bisher auf die
zivilmilitärische Zusammenarbeit vorbereitet und ausgerichtet werden. Die
Vorgehensweise des US-Imperialismus in seiner Kriegs- und  Besatzungspolitik und deren Fiasko, bestärkte
die EU schon länger eine andere Militärpolitik zu betreiben als ihr Partner
USA. Die allgemeine gegenwärtige Entwicklung des Imperialismus ist laut dem
Referenten gekennzeichnet als eine Verschiebung von informellen Herrschaftsformen
zu formellen Herrschaftsformen des Imperialismus.
Diese etwas umständliche Ausdrucksweise meint lt. dem
Referenten die verstärkte Ablösung von wirtschaftlichen Druckmitteln durch eine Zunahme das
klassischen Kolonialismus mit seinen Methoden. Für die Kontrolle und
Machtausübung dieser Kolonien soll wie bereits eingangs erwähnt, in Zukunft die zivilmilitärische
Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden.
„Liberale Linke“ wie Habermas versuchen ebenso wie die
Imperialisten selbst den Kolonialismus als Entwicklungs- und Aufbauhilfe gegen
die Armut zu verkaufen.
Zu den Versuchen von moralischen Begründungen ist es dann
nicht mehr weit hin zu den sicherheitspolitischen Begründungen, nämlich dass
die Brutstätten des Terrors mit militärischer Gewalt beseitigt und die
entsprechenden Länder „stabilisiert“ werden müssen.

Allzu durchsichtig bleiben bei all den Rechtfertigungen die Zielsetzungen
der Imperialisten, immer mehr Länder, die noch nicht in das „neoliberale
Wirtschaftssystem“ eingefügt sind,  notfalls mit militärischer Gewalt unter die direkte
Kontrolle zu bringen. Doch auch diese Konzeption und Ausrichtung der NATO, die
das militärische Vorgehen mit humanitärer und ziviler Hilfe kombinieren möchte,
ist zum Scheitern verurteilt.

So führte der Referent Jürgen Wagner unter anderem aus, dass
laut einer Umfrageauswertung 50 Prozent der afghanischen Bevölkerung
mittlerweile Selbstmordanschläge gegen die Kriegs- und Besatzungsmächte
befürwortet bzw. nicht ausdrücklich ablehnt, dies als Mittel gegen die Besatzer
einzubeziehen! Des weiterem führte Wagner in diesem Zusammenhang an, stehen
nicht die religiösen Ziele des Widerstandes im Vordergrund, wie uns die
westliche bürgerliche Propaganda immer wieder suggeriert. Denn zunächst ist es
trotz der Widersprüche unter den verschiedenen Gruppen ein gemeinsames
strategisches Ziel des Widerstandes, die Besatzer aus dem Land zu werfen!

In der Vision eines zivil-militärischen Heeres, ist die EU
den USA ein gutes Stück voraus.

Wagner bezeichnete es sarkastisch so, dass die EU-Militärs
ihre „Hausaufgaben“ in dieser Hinsicht „besser“ gemacht hätten als die USA. Doch die
Entwicklung der US-Streitkräfte ist in den letzten zwei, drei Jahren ein weiteres Stück weit
in diese Richtung gegangen. Mittlerweile haben zivilmilitärische Einsätze für
die US-Imperialisten eine etwa gleichwertige Bedeutung wie die rein
militärischen Einsätze. Die Strukturen der Pentagonabteilung sowie deren Ausbildungsprogramme
werden sich in den nächsten 10-15 Jahren grundlegend ändern, so Wagner. Der
Soldat wird somit Besatzer und „Humanitärer Helfer“ und „Aufbauhelfer“ von Infrastruktur und kolonialer Verwaltung.

Humanitäre Hilfe wird jedoch somit immer mehr verwischt und
diese Art „humanitäre Hilfe“ wird damit für die Bevölkerung immer mehr zum
Gegner. So fallen auch immer mehr Helfer, die es mit der Hilfe ernst meinen,
die außerhalb der Nato organisiert sind, Anschlägen zum Opfer. In den Augen nicht
nur des bewaffneten Widerstandes, sondern auch in den Augen breiter Teile der
Zivilbevölkerung, gehören diese Helfer zum Besatzungsregime. Die Organisation
Ärzte ohne Grenzen hat beispielsweise ihre Arbeit nach 24 Jahren in Afghanistan
eingestellt und das Land verlassen.

Dabei hat diese Organisation es nicht versäumt, die ISAF-
Besatzungstruppe in ihrer Vorgehensweise scharf zu kritisieren. Immerhin war
die Organisation Ärzte ohne Grenzen während Krieg und Besatzungszeit der
revisionistischen Sowjetunion ebenso vor Ort anwesend, wie später während der
Taliban-Herrschaft, und ist nun, als sie immer öfter zum Ziel von Anschlägen geworden
ist, abgezogen. Der Referent geht davon aus, dass die internationalen
imperialistischen Truppen in Afghanistan auf die „Schnauze fallen“ werden.

Auch vom NATO- Protektorat Kosova  wusste Wagner in der anschließenden
Diskussion interessantes zu berichten. So ist im Kosovo ein Anstieg des kosova-albanischen
Widerstandes zu verzeichnen. Teile der albanischen Bevölkerung dort, die
vielleicht zuvor noch Hoffnungen in die NATO-Truppe gesetzt hatten, wenden sich
nun zunehmend ab, und der Widerstand nehme zu.                                                                                     
       [rab]