Korrespondenz: Ein nicht veröffentlichter Leserbrief an die Kieler Nachrichten

Artikel der KNBezug: Ihr
Artikel „Maßvoll und maßlos“, Kieler Nachrichten vom 12.03.2007

Sehr
geehrter Herr Kramer!

Ich möchte Sie ansprechen auf Ihren
heutigen Kommentar, der Bezug  nimmt auf
die Streiksituation, sowohl im öffentlichen Dienst als auch bei den Lokführern   der Bahn.

Letzteren sprechen Sie das
moralische Recht ab, für ihre Interessenwahr- nehmung erneut zu streiken. Dabei
übersehen Sie geflissentlich, dass sich die Gewerkschaft der Lokführer und ihre
Klientel mit dem keineswegs befriedigenden Verhandlungsergebnis von vor etwa 2
Monaten abgefunden und akzeptiert hatten. Abgelehnt hat dagegen das
Bahnmanagement den schon sicher geglaubten Abschluss. Das passt zum Prozedere
im Vorfeld des Verhandlungs-Marathons. So wie Herr Mehdorn die ganze Zeit über
agiert hat, gefällt es sicher allen „Arbeitgebern“, die seine Schlitzohrigkeit
als „Verhandlungsgeschick“ bewundern mögen. Aber als „Arbeitnehmer“ musste man
sich fortwährend „verarscht“ vorkommen über dessen Winkelzüge.

Wenn ich das als einfacher Normalbürger
erkennen kann – Warum Sie nicht?

Ich halte
Ihren Kommentar für eine böswillige Stimmungsmache gegen die Lokführer und
deren Vertreter, die meines Erachtens bisher eine Eselsgeduld aufgeboten haben
und immer noch „Gute Miene“ zum „Bösen Spiel“ 
bewahrt haben.

            Wenn 
Sie die Forderungen der GdL als maßlos verunglimpfen, kann ich nur
fragen: „Was halten Sie denn bei Unternehmergewinnen für maßvoll?

Wo setzen Sie dort Ihre Grenze?“ Als
Wirtschaftsjournalist kann Ihnen  nicht
entgangen sein, dass sich die Unternehmerprofite seit Jahrzehnten – nur mit
kurzen Unterbrechungen – in ständigem Aufwind bewegen und sich von einem Rekord
in den nächsten steigern.
Dass im Gegenzug die Einkommen der
abhängig Beschäftigten seit Anfang der neunziger Jahre ständig im Schrumpfen
begriffen sind, wird sogar ganz offiziell und amtlich bestätigt, wenn auch
nicht in dem Ausmaß, wie es tatsächlich stattfindet. Die immer häufiger
beklagte Kaufzurückhaltung kommt ja schließlich auch nicht von ungefähr. Sie
betreiben seit längerem und nicht nur mit Ihrem letzten Kommentar wissentlich
gezielte Desinformation.

Obwohl ich  mich schon lange im Rentner-Ruhestand
befinde, macht mich  so etwas wütend und
ich frage mich zum ersten Mal, ob ich für eine solche irreführende
Meinungsmache weiterhin mein Geld ausgeben soll.
     
Zum Glück
(für Ihre Zeitung) gibt es  auch noch
andere Kommentatoren, die sich nicht so krass arbeitnehmerfeindlich
artikulieren wie Sie. Von Ihnen erwarte ich zwar keine Sympathie – aber doch
eine ausgeglichenere Darlegung 
gesellschaftlichen Situation.

In diesem Sinne einen mahnenden Gruß
von einem aufmerksamen Leser.

(Name ist der Redaktion bekannt)

Brief der Kieler Nachrichten


Betr.: Stellungnahme von
Herrn Kramer zu meinem vorausgegangenen Leserbrief

 Sehr geehrter Herr Kramer!

Sie wollen natürlich nicht bemerken und nicht wahrhaben,
was Sache ist. Wenn Sie Ihre „Ausgewogenheit“ auf die Diskrepanz zwischen den
Forderungen der „ver.di“ und der GdL beziehen, wirkt dieser Begriff auf mich
lächerlich grotesk.
Die Fakten, die der Auseinandersetzung zugrunde liegen,
sind aber für jeden sichtbar, der nicht auf dem rechten Auge blind ist.
Die Lokführer, wie auch viele
andere abhängig Beschäftigte, mussten in den letzten 10 Jahren ohne oder nur
mit geringem Lohnzuwachs auf tariflicher Basis auskommen.

Im selben Zeitraum stiegen
die Lebenshaltungskosten um mehr als 10 %. Erinnert sei nur an die verdeckte
Preissteigerung bei der Einführung des Euro und die Erhöhung der
Mehrwertsteuer. Ganz zu schweigen von den drastischen Steigerungen auf dem
Energiesektor.
Aufgrund der Entwicklung
unter „1.“ befinden sich die Lokführer im Vergleich mit ihren Kollegen in den
Nachbarländern mit ihrem Einkommen am untersten Ende der Skala.

Aus Ihrer Sicht ist das vielleicht „angemessen“ oder
„normal“.
„Angemessen normal“ ist für
Sie dann auch, dass man eine ausgehandelte Lohnerhöhung zum großen Teil mit
einer Erhöhung der Arbeitsstunden kompensiert und dabei so tut, als sei man den
Lokführern ganz großzügig entgegengekommen.

Die anfänglich gemachte Zusicherung eines eigenständigen
Tarifvertrages für die Lokführer wurde nur wenige Stunden später widerrufen
unter fadenscheinigen Begründungen. Damit blieb eine der Hauptforderungen der
GdL unberücksichtigt. Und eben dass erst die Zusage gemacht wird um die
Zustimmung des Vertragspartners zu erreichen, sich hinterher aber von dieser
Zusage zu distanzieren und in Abrede zustellen, wie Herr Mehdorn und seine Lakaien
verfahren sind – das nenne ich „Verarschung“! Einen milderen Ausdruck halte ich
für nicht angemessen.

Der  eigentliche
Skandal  ist die Irreführung der
Öffentlichkeit über  den  wahren Sachverhalt, an  der 
Sie, Herr Kramer, maßgeblich mitwirken! 
Sie  unterschlagen auch die
Information über die Gründe der GdL, sich als eigenständige
Interessenvertretung zu behaupten.

Es geht doch nicht nur um Lohnfragen, sondern um
grundsätzliche Einstellungen, z. B. zur Privatisierung der Bahn.
Aber auch, um sich nicht bevormunden zulassen von einer
Funktionärsclique bei TransNet und GdBA, die bereit waren zu
Gefälligkeitsabschlüssen, die den Interessen ihrer Mitglieder Hohn sprechen.
Das bezeichnen Sie dann als „maßvoll“, wenn damit, nach Abzug der
Teuerungsrate, nur ein kräftiges Minus erreicht wurde. Kein Wunder, dass denen
die Mitglieder haufenweise weglaufen. – Denn die sind doch nicht blöd! – Zumal
da bekannt wurde, was die Hintergründe für das arbeitgeberfreundliche
Wohlverhalten ihrer Funktionäre sind: nämlich großzügiges Sponsoring der
gewerkschaftlichen Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen.

Wie praktisch! Kann man doch dabei durch diese Hintertür
auch noch arbeitgeberfreundliche Tendenzen fördern … und den Teilnehmern die
Privatisierung schmackhaft machen, die von den Funktionären ohnehin schon
abgesegnet ist, ohne Berücksichtigung der Nachteile für die Beschäftigten wie
für die Allgemeinheit, die ein solches Unterfangen nach sich zieht. Beispiele
dafür, wie so etwas abläuft, gibt es genug, sowohl im In- als auch im Ausland.

Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, ein auf beste
Effizienz gebrachtes Unternehmen zu einem Schleuderpreis zu übernehmen, die
Infrastruktur mit den geringstmöglichen Mitteln aufrechtzuerhalten und nach
deren Verschleiß das Unternehmen wieder abzustoßen. In der Zwischenzeit werden
überdurchschnittliche Gewinne gemacht und danach wird ein marodes Unternehmen
stillgelegt oder dem Staat zur Sanierung überlassen.

Auf Kunden oder Beschäftigte wird dabei am wenigsten
Rücksicht genommen. Wichtig ist nur der Profit.

Wer nicht bereit ist, solches Spiel mitzumachen, wird als
Spielverderber kaltgestellt.

Das ist die wahre Absicht, die dahinter steht, wie mit
der GdL verfahren wird. Um richtig fette Profite einfahren zu können, braucht
man natürlich möglichst billige und willige Arbeitssklaven, die niemals
aufmucken und jede Zumutung bereitwillig schlucken. Ich hoffe, dass dieses Ziel
nie erreicht wird mit oder ohne die GdL. Vielleicht liegt es gerade an deren
Überschaubarkeit, dass man ihre Funktionäre nicht so unbemerkt korrumpieren
kann, seien sie nun CDU-Mitglieder oder nach links tendierend.

Mit der Hoffnung, dass dies so bleibt, grüße ich Sie aus
kritischer Distanz

(Name ist der Redaktion
bekannt)