Französische Präsidentschaft in der EU: Im Zeichen des irischen „Nein“

In Irland ist der Sieg des „Nein“ im Referendum über den
Vertrag von Lissabon ein Votum der Klasse; die Volksmassen, die Fischer,
Arbeiter, kleinen Bauern haben massiv für das „Nein“ gestimmt, während die
wohlhabendsten Schichten mit „Ja“ gestimmt haben. Also spielte in Irland
dasselbe Phänomen eine Rolle wie 2005 in Frankreich anlässlich des Referendums
zum EU-Verfassungsvertrag.

Die Kampagne für das „Nein“ wurde von Sinn Fein, einer links-sozialdemokratischen
Partei, mit dem Thema der sozialen Rückschritte und in Koalition mit
Organisationen, die sich dem Krieg im Irak und der Anpassung der EU an die NATO
widersetzen, geführt. Ein „euroskeptischer“ Medienbesitzer hat ebenfalls eine
Kampagne gegen den Vertrag geführt, indem er die Verlust an Unabhängigkeit, den
die europäischen Verträge besonders für die kleinen Länder mit sich bringen, in
den Vordergrund stellte.

Es ist dies das 3. Referendum, bei dem das „Nein“ gesiegt
hat und es weist einen Vertrag zurück, der von Sarkozy als „abgeschwächt“
dargestellt wurde, um seine Annahme durch die Völker sicherzustellen. Das ist
demnach eine politische Niederlage für den, der den „Neuanfang Europas“
hinausposaunt hat und der die Ratspräsidentschaft der EU antritt.

Wütend über diese erneute Niederlage zögerten gewisse Leute
nicht, ein erneutes Referendum anzukündigen. Diese neuerliche Manifestation der
Missachtung eines Ergebnisses, das den „Eliten“ nicht passt, kann die Ablehnung
des Aufbaus Europas bei den Völkern nur verstärken.

Es entwickelt sich
eine Art „Solidarität“ der Völker gegen diese EU
. In der Tschechei wird der
Sieg des „Nein“ beim Referendum erwartet und die Meinungsumfragen zeigen, dass
die Völker jene, die mit „Nein“ gestimmt haben, anerkennen. In Frankreich
bleibt es immer noch die Mehrheitsmeinung und das ist es auch anderswo, auch in
den Ländern, wo es kein Referendum gab. In Dänemark, wo die Rechts-Regierung
durch ein Referendum die Aufhebung gewisser „Ausnahmen“ abstimmen lassen
wollte, um die Integration in die EU weiter voranzutreiben, nimmt man sich
jetzt „Bedenkzeit“.

Die Experten sind dabei, nach Lösungen zu suchen, um dieses
Hindernis zu umgehen und den Prozess voranzutreiben, indem sie in den
Mechanismen der schon ratifizierten, insbesondere dem von Nizza,  nach Möglichkeiten suchen, das für sie
Wesentliche zu gewährleisten, sprich die Fortsetzung einer neoliberalen
Wirtschaftspolitik, die Fortsetzung der gemeinsamen Politik der Angleichung der
sozialen Normen nach unten, der Privatisierungen und der gemeinsamen Regelungen
bezüglich des Kampfes gegen die Immigration, nicht zu vergessen die europäische
Politik der Militarisierung.

Das Ergebnis des Referendums in Irland hatte eine unerhörte
Wirkung, und zwar die, dass die „soziale Frage“ in den Fordergrund gerückt ist.
Sie tauchte in der Prioritätenliste der französischen Präsidentschaft
(Immigration, Verteidigung, Energie, Landwirtschaft) überhaupt nicht auf, und
es ist noch nicht genau zu sehen, was Sarkozy auf diesem Gebiet aus dem Hut
zaubern könnte! Am allerwenigstens kann man die Annahme der Direktive über die
Arbeitszeit, die das „gesetzliche“ Maximum der wöchentlichen Arbeitszeit auf 65
Stunden festlegt, als sozialen Fortschritt bezeichnen.

Die
Einwanderungsfrage
ist eines der Schlachtpferde Sarkozys, der seine Politik
der „gesteuerten Zuwanderung“ zum europäischen Maßstab machen will. Sie stößt
in Frankreich auf die Mobilisierung der Organisation zur Verteidigung der
Einwanderer und führt zur Streikbewegung der Arbeiterinnen und Arbeiter ohne
Papiere. Der Erfolg der Parole „sie arbeiten hier, sie leben hier, sie bleiben
hier“, in mehrere Sprachen übersetzt, zeigt, dass die Ablehnung dieser Politik
innerhalb der Arbeiterklasse stärker wird.

Die „Schand-Direktive“ hat in Lateinamerika eine Welle der
Empörung erzeugt. Das Image der EU wurde dadurch nachhaltig beschädigt und
selbst wenn ihre Führer versuchen können, über ihre Anwendung zu verhandeln und
ihre Kritiken zurückzustellen, die Volksbewegungen dieser Länder wurden in
ihrer Überzeugung bestärkt, dass die EU keine Alternative zur USA ist. In
dieser Frage ist es möglich, eine konkrete Solidarität der Völker zu
entwickeln, insbesondere der Völker Amerikas, Afrikas und Europas.

Sarkozy,
Handlungsreisender der Atomenergie-Lobby,
will seine Kollegen auf diesen Kurs  bringen, um die so
genannte Energiesicherheit zu gewährleisten. Er provoziert die Wut der
Bewegungen, die gegen Atomkraft kämpfen und versuchen, ihre Aktionen auf
internationaler Ebene zu koordinieren.

Überall drücken die
Völker ihr „Nein“ zu den neoliberalen Projekten, die von den Regierungen vorgestellt
werden, aus
. Sei es in Irland beim Referendum über den europäischen Vertrag
von Lissabon, sei es die „Schand-Direktive“ 
oder das „Euro-Méditerranée“- Projekt Sarkozys (Projekt über die
Kooperation der Mittelmeeranrainer-Staaten und Frankreich bzw. EU – der
Übers.): überall, vom amerikanischen Kontinent über Afrika bis zum europäischen
Kontinent drücken die Völker ihre Opposition gegen die Pläne der Imperialisten
aus, welche ihre Fesseln der Ausbeutung und Plünderung enger ziehen wollen.

Die Alternative zu
dieser neoliberalen und reaktionären EU ist der Aufbau der Solidarität zwischen
den Arbeitern und Völkern der ganzen Welt. Das ist unser Kampfprogramm für die französische
Präsidentschaft
.  

 

Aus „La Forge“, Juli – August 2008