Kapitalistisches Wirtschaftssystem: Technik so marode wie das ganze System

Gerne wird von den Schönrednern des kapitalistischen Systems
die technische Entwicklung und die ach so fortschrittliche moderne Technik
gepriesen, als da wären moderne Kommunikationstechniken wie Mobilfunk und Internet,
Weltraumforschung, „friedliche“ Nutzung der Atomkraft, Hochgeschwindigkeitszüge
und Einiges mehr. Einfach berauschend, dieser technische Fortschritt! Die
Apologeten (so heißen diese Schönredner bei Lenin) des Kapitals können sich
nicht genug tun, diesen „Fortschritt“ zu preisen, und leider fallen auch ein
paar „Linke“ oder zumindest Leute, die sich dafür halten, darauf herein.

Wie weit es mit der modernen Technik im Kapitalismus, unter
den Bedingungen der Jagd nach größtmöglichem Profit, her ist, darauf wirft das
vor kurzem in Köln geschehene ICE-Unglück ein bezeichnendes Schlaglicht.

Was war geschehen? Nach einer bis zu 300 km/h schnellen
Fahrt zwischen Frankfurt Flughafen und Köln Hbf. entgleiste der ICE 3 bei der
Ausfahrt aus dem Bahnhof infolge eines Achsbruchs. Fahrgäste des ICE hatten
schon auf der Fahrt von Frankfurt nach Köln das Zugbegleitpersonal auf
verdächtige Geräusche aufmerksam gemacht, diese hatten das aber
heruntergespielt und verharmlost. Wortwörtlich, so ein Sprecher der Kölner
Staatsanwaltschaft: “Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, das hat
nichts zu bedeuten.“ Dass es eben doch etwas zu bedeuten hatte, zeigte der
Achsbruch kurze Zeit später im Kölner Hauptbahnhof.

Die „taz“ schrieb am 12.07., also kurz nach dem Unglück:
„Augenzeugen der Entgleisung berichteten von einem ohrenbetäubenden Quietschen,
Ruckeln und abruptem Stillstand, bevor der Zug auf der Hohenzollernbrücke –
eine der meist befahrenen Bahnbrücken Europas direkt hinter dem Kölner
Hauptbahnhof – zum Stehen kam…“  Fast
nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn das bei voller Fahrt passiert wäre.
Bei dem bisher schwersten Bahnunglück mit einem ICE bei Eschede 1998 gab es 101
Tote!

An dieses Zugunglück erinnert auch der Bahnexperte Markus
Hecht, Professor für Schienenfahrzeuge an der technischen Universität Berlin,
der im Tagesspiegel vom 11.07.2008 unter der Überschrift „ICE-Panne war extrem
gefährlich“ zitiert wird. Hecht: „Im schlimmsten Fall hätte die Welle in einer
Kurve brechen können, dann wäre der Zug entgleist und womöglich von der Strecke
abgekommen…Stahl reißt nur langsam – der Schaden muss also schon länger
vorhanden gewesen sein.“ Zum Beispiel habe der Radreifen, der zum Unglück von
Eschede führte, vermutlich schon bis zu zwei Jahre vor dem Unglück erste Risse
aufgewiesen. Systeme, die während des
Betriebs vor einem solchen Defekt warnen, gebe es bei Hochgeschwindigkeitszügen
nicht.

Einen Tag nach dem Kölner Unglück hat dann die Deutsche Bahn
AG 61 ICE-Züge der dritten Generation zur Überprüfung der Achsen aus dem
Verkehr gezogen. Am Tag des Unglücks fuhren diese Züge laut einem
Fernsehbericht von „Frontal 21“ noch flott weiter, als wäre nichts geschehen!
Natürlich, Zugausfälle kosten!!

Inzwischen hat das Eisenbahn-Bundesamt die Bahn AG dazu
verdonnert, ihre Inspektionen der Achsen und Räder von bisher alle 300.000 km
auf alle 60.000 km zu erhöhen. Das ist immerhin fünfmal öfter. Man darf sich
fragen: Wenn jetzt eine Inspektion alle 60.000 km für nötig gehalten wird,
welche Sicherheit boten die Inspektionen dann, als sie fünfmal weniger oft
stattfanden? Aber Inspektionen kosten eben auch! Und Kosten sind für die
Kapitalisten ein rotes Tuch. Da riskiert man schon eher mal wieder ein schweres
Zugunglück als den Profit durch „unnötig“ viele Untersuchungen zu schmälern.

So ist das eben: ein überkommenes, veraltetes
gesellschaftliches System kann nicht viel wissenschaftlich und technisch
Fortschrittliches hervorbringen. Zumeist wird nur das technisch Mögliche
entwickelt, was der Gewinnsteigerung kapitalistischer Monopole dient, heißen
sie nun Deutsche Bahn AG, Telekom, Bayer, Hoechst, Siemens oder Deutsche Bank.
Die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung, etwa das Recht auf Gesundheit und
körperlicher Unversehrtheit, bleiben da weitgehend unbeachtet. Deshalb ist das,
was man technischen „Fortschritt“ nennt, im Zeitalter des Imperialismus, den
Lenin als faulenden oder sterbenden Kapitalismus bezeichnet, mit einem dicken
Fragezeichen zu versehen.

 

S.N.