Daimler Benz Werk Gaggenau/Rastatt: „Sparwelle rollt – dramatischer Lohnverzicht!“

Anfang April 09
fand eine außerordentliche Betriebsversammlung des gesamten Werkes 30 (Daimler
Benz Werk Gaggenau/Rastatt) statt. Rund 5 500 MA waren der Einladung gefolgt –
eine Rekordteilnehmerzahl für dieses Werk im Murgtal.

„Die Entwicklung
der Auftragslage ist derzeit nicht absehbar, weswegen wir die Kosten in diesem
Jahr noch einmal um zwei Milliarden Euro über alle Sparten hinweg kürzen
müssen.

Bereits im 4.
Quartal 2008 wies die Bilanz der Daimler AG einen erheblichen Verlust aus – in
den ersten Monaten dieses Jahres ist nun auch noch der Markt für Nutzfahrzeuge
weltweit extrem eingebrochen. Die Situation, in der sich das Unternehmen
befindet, ist dadurch noch schwieriger geworden“, so der Betriebsrat des Werks
Gaggenau im Murgtal.

Der
Mercedes-Nutzfahrzeug – Chef Andreas Renschler stellte folgendes Sparpaket den
anwesenden Mitarbeitern vor:

* Licht am Ende
des Tunnels sei zwar nicht in Sicht. Aber verzichten sollen wir doch schon mal.

* Die 2.
Tariferhöhung 2009 soll verschoben werden. Unsere mickrige Lohnerhöhung von 2.1
% wird nur auf die tariflichen Bestandteile unserer Löhne gezahlt. Also statt
2,1 % nur ca. 1,85 % sockelwirksam. Das bedeutet für die Arbeiter einen
weiteren Reallohnverlust. Mit der Verschiebung der zweiten Tariferhöhung will
der Autobauer mehr als 100 Millionen Euro einsparen.

Dazu der 1.
Bevollmächtigte der IG Metall Zitzelsberger: „Wir kommen momentan in einen
schwierigen Bereich. Die realen Zahlen kennt niemand. Aber bei dem massiven
Rückgang in der Automobilbranche um bis zu 30 % und mehr ist die Situation
nicht mit üblichen Einspar-Paketen zu vergleichen, um einfach günstiger zu
produzieren. Sondern hier geht es um Stabilisierung des Unternehmens und
Absicherung der Arbeitsplätze.  Ob jetzt
in dem Gesamtpaket die Verschiebung der Aufstockung enthalten ist, sei
dahingestellt. Sicher ist zu diesem Zeitpunkt jedoch, dass die
Einkommenssituation der Mitarbeiter kein beliebiger Spielball ist.“

* Die Kurzarbeit
soll intensiviert werden, d.h. weitere Beschäftigungsgruppen sollen einbezogen
werden.

Das heißt:
Büroangestellte die bis jetzt nicht in Kurzarbeit waren werden mit einbezogen.

* Für alle, die
nicht in Kurzarbeit sind, soll die Arbeitszeit um 5 Stunden verkürzt werden –
ohne Lohnausgleich und mit Anpassung der Gleitzeit-Betriebsvereinbarungen.

Beabsichtigt
wird damit, dass die Wochenarbeitszeit für 73 000 Mitarbeiter in Verwaltung,
Vertrieb, Einkauf sowie Forschung u. Entwicklung um bis zu fünf Stunden
verkürzen. Dies bedeutet Lohneinbußen von bis zu 14 %.

* Der Tarifliche
Zuschuss zum Kurzarbeitergeld soll gekürzt werden.

Ausweitung von
Kurzarbeit, gleichzeitig Kürzung der Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld. Kurzarbeit
soll für die Firma billiger, für die Kurzarbeiter teurer werden.

Dazu eine
Anmerkung des Betriebsratsvorsitzenden Brecht: Jemand, der schon in Kurzarbeit
sei und Einbußen habe, dürfe „nicht noch doppelt oder dreifach belastet werden.“

Jeder
Lohnverzicht verschärft die Krise weiter. Seit Jahren sinken die Realeinkommen.
Von der Lohnerhöhung 2008 ist netto nichts übrig geblieben. Das Loch im
Geldbeutel der Kolleg/innen wird immer größer. Wir haben doch heute wie auch
gestern, nichts übrig, auf das wir zu Gunsten der Unternehmer verzichten
können. Deshalb ist Lohnverzicht so falsch, wie Feuer mit Benzin zu löschen.

* Eingriff in
die Ergebnisbeteiligung.

Die
Erfolgsbeteiligung für 2008 von 1 900 € für die fest angestellten Mitarbeiter
der Daimler AG, die sich für den Konzern auf 280 Millionen € summiert, wird an
die Mitarbeiter gar nicht ausbezahlt.

Noch eine
Anmerkung des Betriebsratsvorsitzenden Brecht: „Wenn wir auf Dinge verzichten
sollen oder für Opfer bereit sein sollen, dann wollen wir auch an dem
Unternehmen beteiligt werden. Das einbehaltene Geld soll gutgeschrieben und
vielleicht später in eine Beteiligung am Unternehmen umgewandelt werden.“

* Ans
Weihnachts- und Urlaubsgeld will der Vorstand auch ran.

Dazu müsste wie
immer der gültige Tarifvertrag gekündigt werden und zwar nicht einseitig.

* Die
Ausbildungszahl soll von bundesweit jährlich von 1 600 Azubis auf 1000 Azubis
drastisch herunter gekürzt werden.

Nicht alle
Jungfacharbeiter sollen übernommen werden, und ältere Kolleg/innen können nicht
in die Frühpensionierung. So wird die Spaltung in den Belegschaften verschärft.

Die
Betriebsratsführung macht in „Guten Zeiten“ Vereinbarungen mit Klauseln für
„Schlechte Zeiten“, und jetzt will keiner gedacht haben, dass es so schlimm
kommen könnte.

* Den
Mitarbeiter/innen von E 4 soll Vertrauensarbeitszeit verordnet werden.

* Die Beiträge
zur Betrieblichen Altersversorgung (Daimler Vorsorgekapital) sollen befristet
gekürzt werden.

 

Soweit das
„Sparpaket“ des Unternehmens, das  im
Werk bekannt gegeben wurde.

Dazu einige
Aussagen nach Ende der Betriebsversammlung:

„Wenn die
Forderungen so durchgehen, fehlen uns im Monat zwischen 300 bis 400 € in der
Haushaltskasse“, so die Aussagen eines frustrierten Mitarbeiters.

„Ich habe gerade
ein Haus gebaut und frage mich, wie ich künftig die Raten vernünftig abstottern
soll.“

Auf
Unverständnis stieß auch das Motorsport-Engagement von Daimler: „Dabei werden
auf den Rennpisten Millionen hinausgepustet, die wirklich sinnvoller verwendet
werden können.“

600 Millionen €
kostet die Formel 1 jedes Jahr. Auf die kann man verzichten. Auf Lohn,
Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Ergebnisbeteiligung nicht!

 

Dem stehen in
den „Verhandlungen“ folgende Bedingungen des Betriebsrates formuliert
gegenüber:

* Die Sicherung
der Arbeitsplätze hat absoluten Vorrang.

Arbeitsplätze
sicher auf Kosten der Arbeiter? Die kassieren das Geld, und unsere
Arbeitsplätze sind trotzdem nicht sicher. Sie nutzen die Krise, um unsere
Arbeitszeiten und -bedingungen zu verschlechtern, die Lage in den Fabriken zu
verschärfen, Löhne zu drücken und den Druck auf die gesamte Arbeiterschaft in
und außerhalb den Betrieben zu erhöhen.

* Die in der 1.
Sparwelle 2009 vom Vorstand einseitig beschlossenen Maßnahmen – wie die
Kündigung der befristeten 40-Stundenverträge, die nichteffektive Tariferhöhung
und die Nicht-Übernahme von 20 % der Azubis – müssen noch einmal auf den
Verhandlungstisch.

* Der Vorstand
und alle Führungskräfte müssen am Sparprogramm in gleichem Maße beteiligt
werden.

„Sparmassnahmen
müssen zumutbar und gerecht sein“, heißt es in einem Infoblatt von Herrn Helmut
Lense (Betriebsratsvorsitzender bei Mercedes Untertürkheim): „Wir werden das
vereinbaren, was notwendig ist, nicht das, was der Vorstand wünscht.“

Ob überhaupt
etwas „zumutbar“ für die Kolleg/innen ist, können die Kolleg/innen doch wohl
nur selbst entscheiden.

* Tarifliche
oder betrieblich vereinbarte Leistungen des Unternehmens dürfen nicht einfach
entfallen, sondern die Beschäftigten müssen dafür Anteile am Unternehmen
erhalten.

Nun, von
„Beteiligungen“ an Unternehmen kann man sich nichts zum „Beißen“ kaufen. Der
Vorstand will diese Einsparungen, aber gleichzeitig sollen die Aktionäre
Dividende in Höhe von ca. 500 Millionen Euro bekommen. Das ist ein Skandal! Die
Kapitaleigner haben die letzten 15 Jahre kassiert. Soll der Vorstand Geld bei
ihnen holen, wenn der Konzern angeblich klamm ist. Wir, die Arbeiter empfinden
diese Vorstände, die seit 20 Jahren mehr als 50 Milliarden verschwendet haben,
als äußerst beklemmend.

Soweit die Betriebsversammlung
des Werks 30 im Murgtal.

 

Am gleichen Tag fand auch die
Betriebsversammlung des PKW Werks Rastatt statt:

Mit
Protestrufen, Pfiffen, aber auch mit Bestürzung sowie Ratlosigkeit haben an
diesem Tag die 3500 Beschäftigte der Früh- und Spätschicht des Daimler-Werkes
das Sparprogramm zur Kenntnis genommen.

„Wir reden nicht
über Personalabbauprogramme und Entlassungen“, so Mercedes-Vorstand Fleig.

„Sollte die
Krise aber weiter anhalten, seien auch solche Maßnahmen nicht mehr
auszuschließen.“

Dazu Aussagen
aus dem PKW-Werk Rastatt:

„Es ist eine
Sauerei, dass 20 % der Lehrlinge nicht übernommen werden sollen. Er selbst
werde künftig wohl nur noch 30 Stunden in der Woche am Band stehen und das ohne
Lohnausgleich.“

Eine weitere
Aussage: „In der Vergangenheit wurden einfach die falschen Prioritäten gesetzt.
Die Belegschaft, die dafür nichts kann, muss jetzt dafür bluten.“

„Der Urlaub ist
in diesem Jahr ebenso gestrichen wie der neue Fernseher.“

Weitere
Aussagen: „Vielleicht gehe ich irgendwo putzen, um über die Runde zu kommen.
Wenn jetzt auch mein Mann noch seine Arbeit verliert, sieht es ganz düster aus.“

„Es ist eine
Schweinerei wie man so mit den Beschäftigten umgeht.“

„Die Nieten in
Nadelstreifen haben die Krise verursacht mit ihrer Gier nach immer mehr Profit
– sie sollen auch für die Krise zahlen.“

„Diese Krise ist
ein Jobkiller, ein Killer demokratischer Rechte in den Betrieben, ein Killer
tariflicher Errungenschaften. Die so hoch gepriesene Sozialpartnerschaft
entpuppt sich als Falle.“

 

Riesenandrang im LKW-Werk Wörth:

 

„Ich habe
gedacht, ich bin in Mekka.“ so Ulli Edelmann, Betriebsratsvorsitzender im Benz
Werk Wörth.

Die Resonanz war
so groß, dass kurzfristig eine zweite Versammlung am Nachmittag angesetzt
werden musste. Nach Schätzungen des Betriebsrates wollten sich rund 5 000
Beschäftigte – das Werk hat etwa 11800 Mitarbeiter – nicht entgehen lassen, was
die Konzernspitze an weiteren Sparvorhaben präsentierte.

Was die
Verschiebung der Tariferhöhung anbelangt, so wollen inzwischen eine ganze Reihe
Unternehmen von der Klausel im Tarifvertrag Gebrauch machen und die Anhebung um
mehrere Monate verschieben.

Dazu IG
Metall-Chef Berthold Huber: „Der Tarifvertrag ist doch kein Wunschkatalog.“ Gesamtmetall
Boss Kannegiesser kündigte dagegen an, dass bis zu 50 % der insgesamt 3,6
Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie die Erhöhung erst
später bekommen. Die Arbeitgeber berufen sich dabei auf die
Tarifvertragsklausel, die es Betrieben in Schwierigkeiten erlaubt, die
vereinbarte Erhöhung von 2,10 % um bis zu sieben Monate zu verschieben. Von
dieser Klausel wollen angeblich schätzungsweise bis zur Hälfte der Firmen mit
twa der Hälfte der Beschäftigten Gebrauch machen.

Berthold Huber:
„Nur wenn Unternehmer und Betriebsrat im Einzelfall gemeinsam der Auffassung
sind, dass eine Verschiebung aufgrund der wirtschaftlichen Lage geboten ist und
Arbeitsplätze gesichert werden, kann eine Verschiebung freiwillig vereinbart
werden.“ Einen pauschalen Aufschub werde es nicht geben.

Laut BR war es die
am besten besuchte Betriebsversammlung in der Geschichte des LKW-Werks Wörth.

Und im Mai gehen
wir in Kurzarbeit. „Schon deshalb ist dies einer der Knackpunkte, der unter den
Mitarbeitern Ärger verursacht.“ Edelmann zufolge läuft die Regelung, dass das
Kurzarbeitergeld auf 90 % erhöht wird, im Juni 2009 aus.

„Da müssen wir
jetzt ernsthafte Gespräche führen.“ Nach Auskunft des Betriebsrats sind die
Beschäftigten bereit, Einschnitte in bestimmten Grenzen mit zu tragen. Fragt
sich nur, wie weit diese Grenzen gehen.

„Doch wir wollen
ein System hinkriegen, bei dem alle ein gutes Gefühl haben.“ Edelmann setzt
dabei auf Dialogbereitschaft mit der Unternehmensleitung.

Von der
Kurzarbeit ausgenommen sind diejenige Beschäftigte bei Sonderfahrzeugen wie dem
Unimog und dem Econic in Wörth, sowie bei Bussen der Marke Setra. Hier sei die
Nachfrage weiterhin auf hohem Niveau.

Seit Wochen
laufen nun die Gespräche zwischen Vorstand und Gesamtbetriebsrat über die sich
kontinuierlich verschlechternde Situation bei Daimler. Aber erst kurz vor
Ostern werden die Belegschaften über den Ernst der Lage und die Forderungen des
Vorstandes informiert. Aber schon Mitte bis Ende April soll ein Ergebnis
vorliegen.

Und das, obwohl
die Mehrheit der Belegschaften bis 20. April in Kurzarbeit ist. Viel
Beteiligung von unten kann da kaum möglich sein. Dies hat schon einen bitteren
Beigeschmack!

MRg

 

Quellen:
Badisches Tagblatt sowie Badische Neuste Nachrichten und Benzler.