Karstadt/Arcandor: Keine Staatsknete, weder für Opel noch für Arcandor?

Die Firma Karstadt ist pleite. Der Arcandor-Konzern, zu dem Karstadt gehört, hat Insolvenz angemeldet. Damit stehen bis zu 32000 Arbeitsplätze in 128 Kaufhäusern zur Disposition. Aber die Bundesregierung hat es abgelehnt, mit einem beantragten Notkredit in Höhe von 650 Millionen Euro einzuspringen. Heuchlerisch forderte Merkel mehr Engagement von den privaten Eignern, der Milliardärin Madeleine Schickedanz, der Bank Sal Oppenheim. Heuchlerisch deswegen, weil die Regierung diese Forderung nur als demogische Fensterrede, aber nie verbindlich erhoben hat.

Karstadt ist zudem unter die Hyänen gefallen. Ein betrügerischer Vorstandschef, Middelhoff, verscherbelte, angeblich, um die Schulden des Konzerns abzulösen, die Milliardenteuren Karstadt-Immobilien an einen Fond, an dem er selbst beteiligt ist, und der bis jetzt überhöhte Mieten dafür kassierte, dass Karstadt in seinen Häusern bleiben durfte. Als Vorstandschef von Karstadt verzichtete er gnädig darauf, von diesem Fond Millionenforderungen einzutreiben, die zugesagt waren. Immerhin soll jetzt eine Staatsanwaltschaft wegen Untreue gegen ihn ermitteln. Na, denn!

Für Opel, die Tochter des amerikanischen GM-Konzerns, der ebenfalls Pleite ist, haben bei Merkel, Steinmeier und Steinbrück andere Grundsätze gegolten. Auf vage Zusagen einer „österreichisch-kanadischen“ Firmengruppe namens „Magna“ und der russischen Staatsbank „Sberbank“ hin, große Teile von Opel dem GM-Konzern abzukaufen, leistete die Bundesregierung sofort einen Überbrückungskredit, denn sonst wäre auch Opel pleite und hätte Insolvenz anmelden müssen. Das Pikante bei Opel: Bis heute ist kein einziger rechtsgültiger Vertrag unterschrieben und alles könnte noch immer platzen. Der Plan sieht so aus: GM und die russische Sberbank sollen künftig je 35 Prozent der Anteile an GM Europe halten. 20 Prozent will sich Magna sichern. Und mit zehn Prozent sollen sich die Opel-Mitarbeiter beteiligen! Die Bundesregierung spendiert so viel Geld und Bürgschaften, dass Magna und die Sberbank ohne Risiko bei Opel einsteigen können. Der Bund und vier Bundesländer mit Opel-Standorten sichern einen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro staatlich ab. Insgesamt übernimmt der Bund Bürgschaften für Kredite von bis zu 4,5 Milliarden Euro. Magna erhält Bürgschaften, seine Gelder werden zudem „vorrangig abgesichert“. Würde Opel pleite gehen, dann wird zuerst Magna aus der Insolvenzmasse bedient. Bund und Länder können dann ihre Kredite und Bürgschaften abschreiben.

Nur einen Tag, nachdem der Deal eingefädelt war, überwies die Bundesregierung die ersten 300 Millionen Euro an Opel – als Vorschuss auf die zu erwartenden 1,5 Milliarden Euro Überbrückungskredit sozusagen.

Wer will ernsthaft Wirtschaftsminister Gutenberg widersprechen, wenn er sein „Minderheitsvotum gegen die ‚Opel-Hilfe’“ innerhalb der Regierung mit den großen Risiken begründet, die für Steuerzahler und Staatskasse mit dem Deal verbunden seien. Er spricht einfach cool aus, was in diesem Kapitalismus Realität und Sache ist.

Sicher ist gar nichts für die Opelaner! Nur die Gelder des merkwürdigen Konsortiums aus Magna, Sberbank, GM und dem russischen Autohersteller GAZ. Die haben sie sich so gut als möglich absichern lassen.

Wenn Opel-KollegInnen 10% an Opel tragen sollen, so heißt das nichts anders, als Lohnanteile herzugeben auf ungewisse Zukunft, eine glatte Lohnsenkung! Die Belegschaften sollen aber ruhig gestellt werden, damit sie es nicht wagen, gegen die auf sie zukommenden Schweinereien bei der Durchrationalisierung ihrer Werke Widerstand zu leisten.

Welche ideologischen Illusionen mit diesen Transaktionen verbunden werden! Vor vielen Kaufhäusern sammelten die Kolleg/innen Unterschriften für Staatshilfe zwecks Rettung der Arbeitsplätze. Auf die Frage, warum sie nicht wenigstens die Enteignung von Frau Schickedanz und die Einziehung des Vermögens solcher Leute wie Middelhoff und anderer sinistrer Gestalten im Hintergrund des Arcandor-Skandals verlangen, gab es erschrockene Gesichter. Warum soll Frau Schickedanz nicht von Harz IV leben können, wenn es doch eine Supermarktkassiererin muss, die nie wieder ein Chance bekommt, obwohl die angebliche Unterschlagung von 1,30 Euro ihr nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte?

In der kapitalistischen Ökonomie sind Gelder, ganz gleich, ob sie aus Steuergeldern bzw. der Staatkasse stammen, ob sie aus nicht ausgezahlten Löhnen, für die dann ein pompöses Zertifikat namens „Mitarbeiter-Anteilsschein“ oder so ähnlich ausgestellt wird, oder ob sie von der Staatsbank KFW oder der Vierteles-Staatsbank Commerzbank stammen, nicht etwa „Hilfsgelder“ sondern sofort und unmittelbar Kapital, das als Kapital wirkt: Als Mittel zur Erzielung von maximalem Mehrwert, als Lizenz zum Kostensenken, zum Leute-Rausschmeißen, zum Rationalisieren – also das ganze Programm, dessen gesetzmäßige Folge Arbeitslosigkeit ist. Ob ich arbeitslos werde auf Grund der Insolvenz oder der zwecks Unternehmensrettung verausgabten Staatskredite, ob ich aufgrund des wachsenden Rationalisierungsdrucks durch Magna-Sberbank-GM krank werde, oder weil ich bei Karstadt rausfliege, das ist letztlich das Arbeiter/innenschicksal im Kapitalismus. Die Krise zeigt, dass dieser sich langsam seinem Ende zuneigt. Aber leider geht er nicht allein. Organisieren wir seine Verabschiedung aus der Geschichte – aus gesundem Egoismus!

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