Von Oligarchen, Banken und Heuschrecken

OC Oerlikon ist ein multinationaler Konzern mit Sitz in der Schweiz. In Deutschland besitzt er weit über zehn Niederlassungen, allein in der Sparte Textilmaschinenbau sind es zehn Standorte, von Neumünster in Schleswig-Holstein bis Kempten im Allgäu, mit etwa 8.000 Beschäftigten.
Der Textilmaschinenbau kam 2006 durch den Zukauf des Saurer-Konzerns zu OC Oerlikon, das damals noch UNAXIS hieß, und durch diesen Kauf zu mehr als der doppelten Konzerngröße anwuchs. Maßgebliche Akteure waren die beiden österreichischen Millionäre Stumpf und Pecik mit ihrer Finanzgesellschaft „Victory“. Beim Kauf von Saurer war die Saurer-Aktie 135 CHF (Schweizer Franken) wert und die Verwaltungsräte und andere Großaktionäre von Saurer machten einen kräftigen Schnitt.

Aber das Intermezzo mit „Victory“ dauerte nicht lange, denn der russische Oligarch Viktor Vekselberg, einer der 20 reichsten Männer Russlands mit Wohnsitz in der Schweiz und mit einem geschätzten Privatvermögen von 6,4 Milliarden $, kaufte im Frühjahr 2008 die Aktienpakete von Stumpf und Pecik mit Hilfe seiner Finanzgesellschaft „Renova“, womit deren Anteil an Oerlikon auf 39,1% stieg. Die Oerlikon-Aktie, die ein Jahr zuvor noch einen Höchststand von 736,50 CHF erreicht hatte, hatte inzwischen den Wert von 390 CHF. Dennoch war der Gewinn von Stumpf und Pecik enorm. Angeblich hat Vekselberg für den 14,1%-Aktienanteil 1,6 Mrd. Franken bezahlt.
Doch dann kam die Finanz- und Wirtschaftskrise, die gewaltige Umsatzrückgänge, besonders im Textilmaschinenbau, brachte. Die üblichen „Restrukturierungsmaßnahmen“, sprich Stellenstreichungen und Standortschließungen, reichten nicht mehr aus, um den Konzern zu sanieren.
Auf Oerlikon lastet ein Schuldenberg von 2,4 Milliarden Franken (rund 1,64 Milliarden €), denn „er hatte sich 2006 mit dem Kauf des Maschinenbauers Saurer übernommen und kämpft ums Überleben“ (Financial Times Deutschland).
Ende März soll Oerlikon Schulden in Höhe von 600 Mio. Franken zurückzahlen, hat aber nur 300 Mio. flüssig. Jetzt wird eifrig zwischen Wechselberg und den Banken verhandelt. Es ist von einer Kapitalerhöhung von 800 Mio. Franken, die Wekselberg zur Hälfte tragen soll, und dem Verzicht der Gläubiger auf 20 Prozent ihrer Forderungen die Rede. Ein eigener Chefsanierer wurde eingesetzt, „um vor allem Gläubigerbanken des Maschinenbauers“ zu „besänftigen“ (FTD).
Wer sind nun diese Banken? Insgesamt sind es 24 Banken, mit so illustren Namen wie Deutsche Bank und Commerzbank, die DZ Bank und Landesbanken.   
Aber noch interessanter ist die Rolle der Hedge-Fonds, die jetzt in die Verhandlungen mit einbezogen werden müssen. Über die Hälfte der Schulden, die Oerlikon angehäuft hat, haben die Banken an diese mit bis zu 30% Abschlägen veräußert.
So schreibt die „Handelszeitung Online“ vom 17.03.:
„Als Käufer treten Distressed-Dept-Fonds auf – Fonds, die Forderungen gegen notleidende Firmen aufkaufen. Mehrere Banken aus dem Konsortium hätten ihre Schuldenpakete mittlerweile abgestoßen…“
„Diese Entwicklung verkompliziert die Lage für Oerlikon, die seit Wochen mit dem Gläubigerkonsortium ums Überleben ringt. Denn neue Verhandlungsteilnehmer bedeuten neue Informationsverhältnisse – und womöglich andere Strategien und Ziele.
Im angelsächsischen Raum sind Distressed-Dept-Fonds häufig anzutreffen. Sie verfolgen meist eine von drei Strategien: Sie fahren entweder eine passive Anlagestrategie oder eine aktive Investitionsstrategie. Im letzten Fall übernehmen sie die Kontrolle über die Firma, beeinflussen die Restrukturierung und erhoffen sich daraus Profite. Oder aber sie verfolgen die Bondmail-Strategie, in Anlehnung an den englischen Ausdruck „blackmail“ (Erpressung). Hier spekulieren die Investoren auf die Insolvenz der Krisenfirma, um lukrative Deals aus der Konkursmasse zu lösen.“
Von „Insolvenz“ ist im Zusammenhang mit der Krise des Konzerns schon öfter die Rede gewesen.
Der Wert der Aktie liegt inzwischen bei 33 CHF.
Wie das Geschacher zwischen dem Oligarchen, den Banken und den „Heuschrecken“ letztendlich ausgehen wird, weiß man heute noch nicht. Fest steht jedoch, dass die Zeche die Arbeiter und Angestellten des Konzerns bezahlen werden, die Leute, welche die Werte geschaffen haben, die verschleudert, verzockt und verhökert wurden.
Wie das Handelsblatt schreibt, sind 5.000 Arbeitsplätze in Deutschland betroffen, allein 3.000 in Nordrhein-Westfalen. Bereits in der Vergangenheit wurden durch Verbandsaustritt von Saurer und Einführung von Haustarifen bis zu 15% der Löhne und Gehälter unter Tarif  gedrückt. In 2 Werken wurde die Produktion eingestellt und teilweise nach China verlagert. Allein in diesem Jahr soll die Belegschaft in Neumünster um ein Drittel verringert, das Werk in Oberviechtach (Bayern) ganz stillgelegt, und der Standort Mönchengladbach, wo es einmal 4.000 Beschäftigte gab, zum großen Teil nach Übach-Palenberg (NRW) verlagert werden.

S.N.