Duisburg: 21 Jugendliche dem Profit geopfert!

Der Tod von 21 Jugendlichen in Duisburg während der so genannten „Love Parade“ ist eine furchtbare Katastrophe. Die Empörung, die verzweifelte Wut, die dieses im Desaster geendete „Event“ ausgelöst hat, ist nur zu verständlich. Den verletzten Jugendlichen, vor allem aber den Familien, die den Tod der verunglückten Jugendlichen zu beklagen haben, gilt auch unser Mitgefühl und unsere Solidarität.

Was ist faul an dieser Gesellschaft?

Was ist faul in einer Gesellschaft, die das Bedürfnis junger Menschen nach Musik, Unterhaltung, Tanz und gemeinsamem Feiern nur ausbeutet und in Bahnen hinein lenkt, die dutzenden das Leben kosten?

Faul an dieser Gesellschaft ist das blinde Wirken des Kapitals! Kapitallogik, wohin man bei diesem Skandal blickt!

Kapitallogik beherrscht die Stadt der „Love Parade“: Standortkonkurrenz, Werbeeffekte, Investoren anlocken! Damit sie Geld investieren, um gerade in dieser Stadt Profite zu realisieren. Duisburg wollte laut den Medienberichten die Parade um jeden Preis, um sich als modernen „Standort“ für Investitionen aufzupolieren und ihr industriegraues Image loszuwerden.

Voller Kapitallogik auch die ganze Veranstaltung selbst: Musik des aggressiven Techno-Stils, aus Megamaschinen von Lastwagen heruntergedröhnt, das Publikum in die nackte Konsumentenrolle gedrängt. Kopf zugedröhnt, Körper von Lärmvibrationen durchdrungen, Konsum von Alkohol und Drogen, Billigfastfood zu Höchstpreisen für den Hunger. Verdrängen der alltäglichen Zumutungen des Kapitals, sei es in Fabrik, Werkstatt, Büro, Behörde, sei es als Erwerbslose/r, als Hartz IV-Empfänger/in etc., sei es als Schüler/in und Student/in in dem unsäglichen Bildungssystem dieses Landes. Vergessen im Gewummer der Beats, die von den Floats, den Lastern herunterschallen. Und doch nur in eine passive, ausgebeutete Rolle gezwungen, ganz wie im Alltag…

Kapitallogik auch beim Veranstalter Schaller! Für seine Body-Builduing-Billig-Kette McFit Kundschaft werben, mit der Parade Profit machen, auch ohne Eintrittsgelder! Sponsoren für saftige Geldsummen an Bord holen, auch ihnen exklusive Werbefelder anbieten, auch sie sich zum Wohle des eigenen Profits als Wohltäter aufspielen lassen, Caterern (Bier-, Getränke-, Imbiss-, Verpflegungsständen und –unternehmen) ein Geschäftsfeld bieten und bei deren Umsätzen dann saftig mit abzocken!

Kapitallogik, nun das gesamte Gelände für das Geschäft mit Stahlgitterzäunen zuzurammeln zuzäunen und zu bewachen, obwohl kein Eintritt erhoben wurde. Nichtzahlenden Nutznießern, potentiellen Konkurrenten musste natürlich der Zutritt verwehrt werden, und das alles zu minimalen Investitionen. Übrigens die gleiche brutale Logik, die von der FIFA anlässlich der Fußballweltmeisterschaft dem ganzen Land Südafrika mit Polizeigewalt aufgezwungen wurde, damit die Sponsoren abgreifen können, während die heimische Wirtschaft praktisch nix abkriegt vom Geschäft.

Kapitallogik auch beim „Kostensparen“: Das heruntergekommene alte Bahnhofsgelände zuzusperren – das ist das eine! Aber nun auch für die Sicherheit und Unversehrtheit der Besucher die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, das war für den Herrn Schaller und seinen Laden viel zu viel verlangt. Das war zu aufwändig, das war zu teuer.

Und da hat die Stadt Duisburg mitgespielt, genauer: ihr CDU-Oberbürgermeister Sauerland, wichtige Behörden-Chefs, die das „Event“ haben wollten, koste es, was es wolle. Sie haben kooperiert, allen Unverschämtheiten des Veranstalters zugestimmt, obwohl die Todesrisiken in den Vorbereitungsverhandlungen offen diskutiert worden waren! Mitgespielt haben aber auch zahlreiche Politiker, die abgetretene CDU/FDP-Landesregierung et tutti quanti. Der inzwischen im Ruhestand lebende ehemalige Polizeichef von Duisburg, Rolf Cebin, hatte bereits Anfang 2009 die Veranstaltung aus genau den Gründen abgelehnt, die nun zum 21fachen Tod geführt haben, was zu einer Intervention des CDU-Bundestagsabgeordneten Mahlberg führte, der vom CDU Innenminister Wolf forderte, die Stadt „Duisburg von der schweren Bürde des Herrn Cebin zu befreien“ Sie alle haben mitgetan!

So gab es schließlich einen Massenzugang durch einen zu engen Tunnel, der auch als Ausgang vorgesehen war! Und keine ausgeschilderten Ausgänge, von Notausgängen ganz zu schweigen! Das zugerammelte Gelände hätte laut Gesetz nur für maximal 250.000 Menschen freigegeben werden dürfen, während schon in den Verhandlungen von mindestens einer halben Million die Rede war. Die Polizei (der Verbindungsbeamte zum Veranstalter hatte kein Funkgerät dabei!), die Ordnertruppe, völlig ohne Abstimmung, ohne ausreichende Qualifikation, ohne klare Richtlinien. In den Aus- und Eingangsrampen drängten die Ankommenden und die, die raus wollten, zu tausenden in entgegengesetzter Richtung, gegeneinander, blockierten einander! Es entstand das irre Gedränge, das 21 jungen Menschen das Leben kostete. Eine tödliche Gemengelage!

Dass laut den Medienberichten gegen zahlreiche Gesetze und Sicherheitsvorschriften, obwohl bekannt und in den Verhandlungen besprochen(!!!), verstoßen wurde, zeigt: Wo es ums Geld geht, um Kapital und Profit, sind diese Sicherheits- und Schutzparagrafen zunehmend wertlos. Nicht das Gesetz regiert, wie Spießer glauben, sondern das Geschäftsinteresse des Kapitals!

Ein wohl älterer Genosse (er unterschreibt in der Tradition der FDJ mit „Freundschaft!“) kritisierte die Love-Parade, auch an die Adresse der Jugend gerichtet, in einer Korrespondenz an „Arbeit-Zukunft“:

Was soll das? Die Welt steht in Flammen, imperialistischer Raubkriege – und ihr hampelt im Technosound unter dem Logo „Friede, Freude, Eierkuchen!“ Ja klar trauern wir mit Euch um die Opfer und den tödlichen Verlauf dieser überschäumenden Jugendfete, zugleich jedoch hinterfragen wir Zweck, Ursachen und Wirkung dieses Duisburger Spektakels!

Eigentlich sieht er die Ursache ganz so wie wir: „Das ist keine Frage der Verantwortung einzelner Funktionäre oder Beamter! Das ist die Widerspiegelung gesellschaftlicher Missverhältnisse !“ Und er erinnert an ein historisches Vorbild: „Im August 1951 traf sich auf Einladung des Weltfriedensrates die Jugend der Welt auf den Straßen und den Plätzen Ost-Berlins. Über 750 000 jugendliche Teilnehmer einer Kriegsgeneration trafen sich zu den dritten Weltfestspielen...“

An dieser Korrespondenz wurde von einem Leser dann wieder scharfe Kritik geübt: „Der Artikel über Duisburg ist jugendfeindlich! So nicht, bitte sofort löschen. Die Kids stehen nun mal nicht mehr auf Blauhemden. Lasst sie uns da abholen, wo sie sind.“

Wir wollen diese Kritiken weder verschweigen, noch wollen wir etwas zensieren. Es ist Realität des Klassenkampfes, dass wir die Einheit von Jung und Alt brauchen, deshalb bleibt die Kritik des älteren Genossen auch lesbar.

 

Aber wir haben nicht mehr 1951! Damals das revolutionäre, demokratische „Jugendevent“ in der DDR, das Weltjugendtreffen! Jugendliche aus aller Welt – und zehntausende auch aus Westdeutschland – letztere trotz Verbots in der BRD! Die DDR, das hieß damals für zahllose Jugendliche: eine friedliche, demokratische, sozialistische Zukunft für ganz Deutschland wird jetzt angepackt. Das verkörperte damals eine optimistische und kämpferische Zukunftsperspektive!

Auch die Freie Deutsche Jugend (FDJ) stand dafür. 1952 wurde deshalb die um die FDJ (auch und gerade im Westen) kämpfende Jugendbewegung für ein vereinigtes demokratisches und neutrales Deutschland so stark, dass die BRD die FDJ im Westen verbot – nach einer wilden Hetzkampagne und bewaffneten(!) Polizeiprovokationen, denen 1952 während einer Jugenddemo in Essen der FDJ-Genosse Philipp Müller zum Opfer fiel.

Für die, die diese Zeit aktiv kämpfend miterleben und mitgestalten konnten, ist das unvergesslich. Heute haben wir eine sichtbare, sozialistische Zukunftsperspektive nicht, noch nicht wieder.

Auch in Ost-Berlin wurde 1951 getanzt, geschwoft, geliebt, gesungen! Das gehört zu allen Zeiten einfach zum Leben und Kämpfen der Jugendlichen dazu! Aber auch heute gibt es keinen Anlass zu Pessimismus: Wer die Demonstrationen der Schüler und Studenten gegen das kapitalistische Bildungswesen, die Kämpfe für die Übernahme zehntausender Azubis, Jungarbeiter/innen, junger Angestellter für die Übernahme in unbefristete und auskömmliche Arbeitsverhältnisse verfolgt, wer die Jugendlichen in Antikriegsdemos und auch aktuell im Kampf gegen „Stuttgart 21“ erlebt, weiß, wie die Jugendlichen auch heute kämpfen! Diese Jugendlichen gehen auch auf solche Veranstaltungen wie die Love-Parade.

Wir selbst brauchen eine kämpferische Kultur, auf eigene Rechnung, auf unsere Verantwortung, für Aufstand, Zukunft und Sozialismus, die die Jugend massenhaft anspricht, weil von ihr geschaffen, weil von ihr praktiziert! Auch dafür gibt es viele Ansätze. Verbinden wir den schon stattfindenden aktiven Kampf gegen den kapitalistischen Wahnsinn und für eine sozialistische Zukunft mit unserer Kultur, mit unserer Musik, aktiv, nicht als Konsumenten, nicht als zahlende, sondern als kämpfende Jugend. Da werden auch viele Ältere mitmachen!

ft

 

Hier die Korrespondenz:

Ihr Motto: "Friede, Freude, Eierkuchen!"

Welch ein trauriges Motto, und so traurig ging sie denn auch aus, diese "Liebesparade international."

Wer sich die von den jungen Teilnehmern dieser Todesparade life geschossenen Bildern einmal genau ansieht, stellt fest, da hat eine Wasserschlacht auf dem Trockenem unter den Bedingungen des Überlebenskampfes stattgefunden, in deren Verlauf über zwanzig junge Menschen ihr Leben ließen.

Das ist keine Frage der Verantwortung einzelner Funktionäre oder Beamter! Das ist die Widerspiegelung gesellschaftlicher Missverhältnisse ! techno techno techno Techno Techno Techno!

Hier ein Wort an unsere Jugend, an unsere Kinder, an unsere Enkel und zum Teil schon Großenkel: Was soll das? Die Welt steht in Flammen imperialistischer Raubkriege und ihr hampelt im Technosound unter dem Logo "Friede, Freude, Eierkuchen!" Ja klar trauern wir mit Euch um die Opfer und den tödlichen Verlauf dieser überschäumenden Jugendfete, zugleich jedoch hinterfragen wir Zweck, Ursachen und Wirkung dieses Duisburger Spektakels!

Im August 1951 traf sich auf Einladung des Weltfriedensrates die Jugend der Welt auf den Straßen und den Plätzen Ost-Berlins. Über 750 000 jugendliche Teilnehmer einer Kriegsgeneration trafen sich zu den dritten Weltfestspielen,, sie alle übten sich im sportlichem Wettkampf und kulturellen Beiträgen und beendeten ihr Jugendtreffen mit einer gemeinsamen Demonstration für den Frieden der Welt und die Freundschaft der Völker.

Und das, liebe junge Freunde, sind Logos, für die sich Gemeinsamkeiten lohnen.

Freundschaft !