Angeboren oder erlernt?

Zunächst eine etwas ungewöhnliche Vorbemerkung auf Grund einer Diskussion:

Nicht wenige überzeugt gegen den Kapitalismus kämpfende Kolleginnen und Kollegen lehnen die Arbeit in einer kommunistischen Partei ab, weil sie meinen, das Leninsche Parteikonzept habe sich nicht bewährt, da es immer wieder zu bürokratischer Verknöcherung geführt habe und dazu, dass die Partei sich gewissermaßen als Diktator über die Arbeiterklasse gestellt habe. Sie verweisen dabei u.a. auf die SED in der DDR, erwähnen aber auch heute in Deutschland existierende Organisationen, die wir hier aber – um des lieben Friedens willen – nicht nennen. Es würde uns allerdings schon interessieren, an wen die/der (hoffentlich) geneigte Leser(in) jetzt denkt…

Wir sind der Meinung, dass solche Erscheinungen nicht auf das Parteiprinzip Lenins zurückzuführen sind, sondern auf den Klassenkampf und darauf, dass die Leninschen Prinzipien nicht befolgt wurden. Man kann sie übrigens auch beobachten in Gewerkschaften und Betriebsräten – die müsste man dann ja auch als „gescheitert“ ablehnen. Hier nur ganz kurz einige bekannte Auffassungen zur Rolle der kommunistischen Partei bzw. der Kommunisten – dabei zitieren wir auch Personen, an deren sonstigen Auffassungen wir Kritik haben:

Mao Tsetung riet den Kommunisten, sie sollten sein „wie ein Fisch im Wasser“ (und nicht ein Fisch über dem Wasser); sie sollten „von den Massen lernen“; sie sollten „aus den Massen schöpfen, in die Massen hineintragen.“ Stalin beschrieb die Partei als Verbindung des Marxismus mit der Arbeiterbewegung und nicht über ihr. Bert Brecht forderte in einem seiner Gedichte: „Lerne, …Du musst die Führung übernehmen.“ Wen sprach er an? Den Arbeitslosen, den Obdachlosen, den Mann im Gefängnis, die Frau in der Küche – also die Arbeiterklasse, sie muss die Führung übernehmen, auch über die Partei. Dazu empfahl ihr Lenin in der Partei ein Zahlenverhältnis von 8 : 2 zwischen Arbeitern und Intellektuellen. Die Aufforderung Brechts an die Arbeiter unterstützen wir durch einen Textausschnitt der US-amerikanischen Gruppe Prairie Fire aus ihrem Lied „Change Things“ (1976)

„You got to learn things

If you want to change things,

But you got to change things

If you want to learn anything.“

(Du musst etwas lernen,

wenn Du etwas verändern willst,

doch Du musst etwas verändern,

wenn Du etwas lernen willst.)

Auch Lenins bekannte Forderung „Jede Köchin muss lernen, den Staat zu führen“ besagt eindeutig, wer seiner Meinung nach die Führung übernehmen soll – welche Köchin ist schon bürokratisch und wie viele Bürokraten können kochen?

Doch nun zum eigentlichen Thema: woher kommen die Fähigkeiten der Menschen – sind sie angeboren oder erlernt?

Es mag im ersten Moment als vorteilhaft erscheinen, wenn man eine notwendige Fähigkeit von Geburt an beherrscht, denn man braucht sie dann nicht erst (mühsam) zu erlernen. Doch der Haken dabei wird schnell deutlich: ist diese Fähigkeit angeboren, so liegt sie in den Genen, den Erbanlagen, fest; bei einer Veränderung der Umweltbedingungen (und die gibt es ja immer) kann ein Lebewesen nicht in einer angepassten, sondern nur in der angeborenen Weise reagieren – und das ist schädlich bis tödlich.

Seit die Naturwissenschaft die Gesetzmäßigkeiten der Vererbung untersucht (seit 1900), werden ihre Forschungsergebnisse von interessierten Kreisen immer wieder dazu benutzt, die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse (nicht nur wir nennen sie Kapitalismus) „wissenschaftlich“ zu rechtfertigen, vor allem die Herrschaft der Bourgeoisie über die Arbeiterklasse und alle anderen Schichten der Gesellschaft, aber auch die über andere „Rassen“. Demnach ist es erblich bedingt, dass die Angehörigen der Arbeiterklasse in der Schule schlechtere Leistungen erbringen. Während des 3. Reiches gab es z.B. als Beleg entsprechende Tabellen in der Biologie(!)sammlung der Gymnasien bzw. Oberschulen, wie sie damals wohl hießen. Ein Schüler von heute bemerkte dazu: „So eine Tabelle haben wir auch in unserem SoWi-Buch“. Die Antwort des Lehrers: „Da gehört sie auch hin, aber nicht in die Biologie.“

Und selbstverständlich versuchte und versucht man auch so zu beweisen, dass „die europäische Rasse“ anderen „Rassen“ überlegen ist, dass z.B. Schwarze genetisch bedingt geringere Intelligenztestleistungen erbringen als Weiße – ihre bei einer Untersuchung erzielten Ergebnisse lagen um 25 Punkte unter denen der Weißen. Eine andere Untersuchung jedoch wies nach, dass die Intelligenztestleistung um so höher war, je länger ein Schwarzer in einer Großstadt lebte und nicht – wir meinen das bildlich – „im Mississippidelta“; seine Leistungen lagen nach 12 Jahren Großstadtleben um 25 Punkte höher als die eines Großstadtneulings und waren so hoch wie die des Durchschnitts-Weißen.

Wie groß die Anteile von angeborenen und erlernten Fähigkeiten bei uns Menschen sind, ist wissenschaftlich schwer zu erfassen, weil die dazu notwendigen Untersuchungen sogar bei den ja sonst gar nicht zimperlichen Bourgeois auf moralische und ethische Bedenken stoßen – oder fürchten sie die Ergebnisse? Man ist heute der Ansicht, dass das Verhältnis zwischen beiden Fähigkeitsursachen etwa 50:50 beträgt.

Die Bedeutung des Lernenkönnens haben wir oben angedeutet. Wir haben auch versucht klarzumachen, dass es durchaus ein Nachteil sein kann, wenn etwas angeboren ist. Das haben diejenigen Damen und Herren, die bei den „Europiden“ angeborene Fähigkeiten entdecken, die andere „primitive“ Menschengruppen angeblich nicht haben, noch nicht erkannt. Wäre das tatsächlich so, dann wären diese anderen Menschen besser dran, denn sie könnten etwas Notwendiges lernen und die „Weißen“ nicht.

„Der Mensch“ (das gilt für alle mehr als 7 Milliarden heute lebenden Menschen und natürlich auch für die der Vergangenheit) ist eine Tierart mit ungewöhnlich großen Lernvermögen – das ist ihm angeboren, und das hat dazu beigetragen, dass er als einzige von – wir wissen nicht wie vielen – Millionen Tierarten „evolutionsaktiv“ ist, d.h. nach seinen Vorstellungen aktiv in die Weiterentwicklung des Lebens auf der Erde eingreift. Das kann er nur, weil andere „starre“ Verhaltensmuster bei ihm nicht so häufig sind wie bei anderen Tierarten.

Seit einigen Jahrhunderten tut das eine Minderheit der Menschheit zum Nachteil aller und bringt dadurch die gesamte Menschheit und damit auch sich selbst dem Untergang immer näher. Ihnen muss das Handwerk gelegt werden auch in ihrem eigenen Interesse. Das Wissen dazu haben wir und wir alle kennen den Spruch: „Wissen ist Macht.“ An ihm ist etwas dran, doch wie ist es zu erklären, dass der ganze Unfug weitergeht, obwohl wir seit langem das Wissen haben, ihn zu beenden? Es liegt nur daran, dass wir nicht die Macht haben – Wissen ohne Macht ist Ohnmacht.

„Lerne das Einfachste – es genügt nicht, aber lerne es! DU musst die Führung übernehmen!…

Hungriger…, greif nach dem Buch – es ist eine WAFFE!“ (Bert Brecht)

Kommen wir auf die Vorbemerkung zurück:

Wir zitieren aus zwei wohl jedem bekannten Liedern:

„Es kann die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter sein!“ (Bert Brecht)

„Uns von dem Elend zu erlösen können nur wir selber tun!“ (Internationale)

Wir sehen an den von uns hervorgehobenen Stellen, dass hier nicht von der Partei die Rede ist – sie ist notwendig als Verbindung des Marxismus-Leninismus mit der Arbeiterbewegung, aber sie muss unter deren Kontrolle stehen.