Rückblick: 23. Mai 1949, Die Gründung des Bonner Separatstaates

“Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb”

Konrad Adenauer

Aus Zeitung: Internationale Jugend gegen Kapitalismus & Faschismus

 

Die Besetzung Deutschlands

Im Mai 1945 war der faschistische deutsche Staat, der angetreten war, Deutschland zu einer Weltmacht zu expandieren, unter den Schlägen der Sowjetarmee und der mit ihr in der Antihitlerkoalition verbündeten Armeen völlig zerschlagen. Reichsregierung und Wehrmacht kapitulierten bedingungslos. Deutschland wurde von den Truppen der Antihitlerkoalition vollständig besetzt und in Besatzungszonen aufgeteilt.

Die Lage des deutschen Volkes am Ende des Zweiten Weltkrieges unterschied sich wesentlich von derjenigen vor 27 Jahren, als der Erste Weltkrieg zu Ende gegangen war. Die Kriegsverwüstungen und die allgemeine Not waren bedeutend größer. Sie erreichten jedoch nicht den Grad, wie in den vom Faschismus eroberten und verheerten Gebieten der Sowjetunion, Polens u.a.

Das materielle Erbe, das der Faschismus hinterlassen hatte, war eine schwere Hypothek für einen demokratischen Neuaufbau; noch schwerwiegender jedoch wog das geistige Erbe. Verwirrung, Demoralisierung und Verzweiflung waren groß, politische Apathie weit verbreitet. Der entscheidende Unterschied zur Lage am Ende des Ersten Weltkrieges war jedoch die bedeutenden Veränderungen in der Weltarena. Die Sowjetunion hatte in einem heroischen Kampf die Hauptkräfte des Hitlerfaschismus geschlagen. Die Faschisten erklärten den Krieg gegen die Sowjetunion als “Weltanschauungskrieg”, als einen welthistorischen “Entscheidungskampf”.

Das strategische Konzept der Faschisten hieß “Erobern und vernichten”. “Der Kampf gegen den Weltbolschewismus ist die Generallinie der deutschen Politik” und “ist der Bolschewismus im Weltmaßstab der Todfeind”, hieß es in einer Propaganda-Anweisung der NSDAP von 1937. Der Sieg über die braunen Barbaren ermöglichten der Sowjetunion, ihren Einfluss und ihr Ansehen weltweit zu vergrößern.

 

Das Potsdamer Abkommen

Die vier Besatzungszonen nach 1945

Vom 17. Juli bis 2. August 1945 tagten die Führer der drei Großmächte UdSSR, USA und England – Stalin, Truman, Churchill bzw. Attlee – in Berlin und schufen mit dem Potsdamer Abkommen die völkerrechtliche Grundlage für eine antifaschistische und demokratische Neugestaltung Deutschlands. Das Potsdamer Abkommen war der einzige und grundlegende, von allen Siegermächten anerkannte internationale Vertrag, der dem deutschen Volk einen Rechtsanspruch auf seine Einheit gab. Das Abkommen sah u.a. die völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands, die Bestrafung und Ausschaltung der Kriegs- und Naziverbrecher, die Umgestaltung Deutschlands auf demokratischer Grundlage, die Dezentralisierung und Vernichtung der Wirtschaftskonzentration – der Kartelle, Syndikate, Trusts und anderer Monopolvereinigungen – vor. Diese Bestimmung entsprang der Erkenntnis, dass die gewaltige Konzentration wirtschaftlicher Macht in Deutschland, besonders in der Schwer-, der Chemie, der Elektroindustrie und im Bankwesen die Grundlage des aggressiven deutschen Imperialismus war. Das deutsche Monopol- und Finanzkapital hatte Hitler in den Sattel gehievt und an der Macht erhalten; es war der Anreger, Antreiber und Nutznießer der faschistischen Massenmorde, des Weltkriegs, der Unterjochung und Plünderung der europäischen Völker gewesen. Ohne die Vernichtung des Monopol- und Finanzkapitals war nicht zu erreichen, was die Alliierten zu ihrem Hauptziel erklärt hatten, nämlich “zu verhindern, dass Deutschland jemals wieder den Weltfrieden bedrohen kann”.

Bereits am 23. Juli – noch während der Potsdamer Verhandlungen – wurden in der Sowjetischen Besatzungszone alle Banken und Sparkassen entschädigungslos enteignet. Am 25.10. wurde dann der Besitz des Kriegsverbrechers Flick in Sachsen beschlagnahmt. In einem Volksentscheid im Sommer 1946 entschieden 77% in der SBZ für eine Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher. Zug um Zug wurde in Ostdeutschland die Macht des Monopol- und Finanzkapitals zerschlagen.

 

Herzliches Verhältnis

Kriegsverbrecher - von der Anklagebank in den Bankvorstand

Anders verlief die Sache in den Westzonen. Hier standen nicht die Truppen eines sozialistischen Landes wie der Sowjetunion, sondern die Truppen der westlichen Imperialisten. Hatten diese einerseits das Interesse, den deutschen Konkurrenten auszuschalten, so wollten sie doch gleichzeitig sein Potential der westlichen Welt erhalten.

Dass die westlichen Besatzungsmächte, allen voran die USA, nicht gewillt waren, einschneidende Maßnahmen gegen die deutschen Monopole zu treffen, zeigte sich deutlich an ihrer Behandlung der industriellen Kriegsverbrecher. Nur gegen drei der Kriegsverbrecher-Konzerne wurden vor dem Nürnberger Tribunal Prozesse geführt: gegen Krupp, Flick und den IG-Farben-Konzern. Zwar wurden einige Monopolisten zu Zuchthaus bestraft – von dort konnten sie aber weiterhin die Geschicke ihrer Konzerne leiten – wurden aber bald wieder entlassen und in sämtliche Eigentumsrechte wieder eingesetzt.

 

Pläne der USA

In den vierziger Jahren war die amerikanische Regierung in zwei Hauptfraktionen gespalten, von denen die eine der Churchill-Linie folgte: dafür zu sorgen, dass Deutschland jederzeit als Bollwerk und Rammbock gegen die Sowjetunion dienen kann – während die andere die Morgentau-Linie hielt, die Deutschland als Industriekonkurrenten auf dem Weltmarkt ausschalten sollte. Deutschland sollte gespalten werden und sah eine Umwandlung in ein Agrarland vor. Beiden Gruppen war gemeinsam: sie wollten die Spaltung Deutschlands.

 

Erste Spalterpläne

Protest gegen Wiederbewaffnung

Bereits im Dezember 1945 schrieb die halbamtliche französische Presseagentur AFP, dass das zu “lösende Problem” in der Vorbereitung eines Krieges “gegen einen Feind aus dem Osten” bestehe. Sie schrieb: “Es wird daher gut sein, eine westalliierte Militärkommission zu schaffen, die aus den Stabschefs der Verbündeten besteht. Später, nach der Reorganisation Westdeutschlands, kann auch dieses in das System einbezogen werden.”

1945 also schon reiften unter den West-Besatzern Pläne, Deutschland entgegen den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens zu spalten und seine westliche Hälfte in das westliche imperialistische System einzubeziehen und zu einem Aufmarschgebiet gegen die Sowjetunion zu machen. Die treibende Kraft waren dabei die USA, die nach dem Weltkrieg zur stärksten imperialistischen Macht geworden waren und die nun nach Weltherrschaft strebten, wobei in ihren Plänen Westeuropa und besonders Deutschland eine entscheidende Rolle spielten.

Damals, unmittelbar nach Beendigung des Weltkrieges, konnten die USA aber ihre Pläne zunächst nicht durchsetzen. Da war das große internationale Ansehen und Gewicht der Sowjetunion, die die Hauptlast des antifaschistischen Kampfes getragen hatte; da waren die Friedensbestrebungen der Völker, die Friedens- und Einheitsbestrebungen auch des deutschen Volkes. Hinzu kam eine Anzahl ehrlicher Demokraten, die noch in den westlichen Militärverwaltungen saßen.

In dem Maße aber, wie es den westlichen Imperialisten gelang, das Gift des Antikommunismus und Antisowjetismus zu verbreiten, die Demokraten aus den Militärverwaltungen hinauszusäubern und die Durchführung der demokratischen und antifaschistischen Umgestaltungen in den Westzonen zu sabotieren – in dem Maße konnten sie auch mit ihrer Spaltungspolitik immer offener hervortreten.

Jedoch ging die Sabotage- und Spalterpolitik nicht ohne “Reibungen” in den eigenen Militärapparaten vor sich: So erklärte der Leiter des Amtes für Entkartellisierung bei der amerikanischen Militärregierung, James Martin, im Juli 1947: “Ich bin aus Protest gegen die Machenschaften der großen amerikanischen Gesellschaften in Deutschland, vor allem der General Electric Company, der General Motors und der Standard Oil Company zurückgetreten. Das amerikanische Volk wird von monopolistischen Gruppen geleitet, die ihre eigenen Auffassungen darüber haben, wie Deutschland zu behandeln ist. Meine Bemühungen sind durch die interessierten amerikanischen Gruppen, die im Herzen Europas ein monopolistisch kontrolliertes Deutschland errichten wollen, zunichte gemacht”.

 

Unterdrückung der demokratischen und antifaschistischen Bewegung

Es ist bezeichnend, dass die Spalterpolitik der westlichen Alliierten nur auf der Grundlage der Unterdrückung demokratischer und antifaschistischer Bestrebungen in den Westzonen möglich war. Das Verbot und die Behinderung freier gewerkschaftlicher Betätigung, die Unterdrückung antifaschistischer Organisationen und Parteien, das Verbot und die Unterdrückung von Versammlungen, Volksbefragungen, Volksentscheiden, die Entfernung bewährter Antifaschisten und Widerstandskämpfer aus verantwortlichen Positionen des Wiederaufbaus, die Sabotage der Entnazifizierung, die Aufnahme von Faschisten und Militaristen in verantwortliche Stellen, die Sabotage der Entflechtung der Monopole, die Aufpäppelung des abgewirtschafteten deutschen Imperialismus – dies alles waren gleichzeitig Schritte zur Spaltung Deutschlands.

Einzig die Sowjetunion trat dieser verhängnisvollen Entwicklung entgegen. Sie forderte immer wieder die Einhaltung der Bestimmungen des Potsdamer Abkommens, sie forderte die Vorbereitung eines Friedensvertrages mit Deutschland und die Errichtung einer gesamtdeutschen Zentralregierung. Zu allen Punkten unterbreitete sie konkrete Vorschläge. Sämtliche Konferenzen wurden jedoch von den Westmächten hintertrieben, behindert oder zum Scheitern gebracht. Auf einen Friedensvertrag ließen sich die Westmächte deshalb nicht ein, weil er gleichzeitig den Rückzug der Besatzungstruppen aus ganz Deutschland bedeutet hätte.

 

Für die Enteignung der Konzerne: Massenaktionen im Westen

Am Krankenbett des Kapitalismus

In den Jahren 1946 und 1947 entstand im Westen Deutschlands eine Massenbewegung für die Entmachtung der Monopole, für eine Umgestaltung der Macht- und Besitzverhältnisse. Unmittelbarer Anlas war die unerträglich gewordene materielle Lage der Bevölkerung. In den Westzonen herrschte die durch die Hungerpolitik der Besatzerbehörden hervorgerufene “Lebensmittelkrise” – die Arbeiter erhielten oft nicht einmal die niedrigen Lebensmittelrationen. Ermutigt wurden die notleidenden Massen in ihren Aktionen vom Beispiel im Osten Deutschlands und deren Umgestaltungen. Als führende Kraft in diesen Kämpfen im Westen trat die KPD auf. So z.B. in Nordrhein-Westfalen, der wirtschaftlichen Basis der Kohle- und Stahlbarone, die Hitler an die Macht gehievt hatten. Die KPD, der damals 38% aller Betriebsräte angehörten, organisierte viele Aktionen für eine Enteignung der Grubenbarone.

In Hessen wurde am 1.12.1946 der Entwurf einer Verfassung zur Volksabstimmung gestellt. Der Entwurf sah neben Artikeln über die Bodenreform, über gleichen Lohn für gleiche Arbeit, über das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter auch Sozialisierungen vor. Artikel 41 lautete: “Mit Inkrafttreten der Verfassung werden 1. In Gemeineigentum überführt: der Bergbau, die Betriebe der Eisen- und Stahlerzeugung, die Betriebe der Energiewirtschaft und das an Schienen oder Oberleitungen gebundene Verkehrswesen. 2. Vom Staate beaufsichtigt oder verwaltet die Großbanken und Versicherungsunternehmen.” Nicht anders also wie im Osten, sprach sich die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung für die Sozialisierung aus. (71,9%) Die amerikanischen Besatzer aber, die sich in Worten demokratisch gaben, respektierten den Willen der Bevölkerung nicht (Hier liegt übrigens der Unterschied zu den sowjetischen Besatzern, die den Willen der Bevölkerung respektierten!) Die USA verboten einfach den Paragraphen 41 in Hessen. Der US-Militärgouverneur Clay erklärte: “In einer Zeit, in der die USA so viel Geld aus eigener Tasche zahlen, um Deutschland zu unterstützen, haben sie auch das Recht, ihre Meinung zu sagen und Experimente nicht zuzulassen”.

Machtvolle Massenaktionen waren die Antwort. Im Ruhrgebiet kam es zu Streiks und Demonstrationen für Enteignung der Konzernherren. 1947 streikten 80 000 in Wuppertal, in Stuttgart 6 000, in Düsseldorf demonstrierten 80 000 und am 9. Mai in Hamburg 200 000. Höhepunkt war dann ein Streik im Ruhrgebiet mit 334 000 Arbeiter, der unter der Losung: “Die Gruben in Volkes Hand!” stattfand. Gegen die Massenbewegung gingen die Besatzer mit verschiedenen Unterdrückungsmaßnahmen, mit Verboten und Drohungen vor. So wurde selbst mit der Todesstrafe gedroht.

Letztendlich konnte die Massenbewegung die Wiederbelebung des Kapitalismus nicht verhindern. Die SPDFührung, die großen Einfluss besaß, verzichtete darauf, die Kämpfe voranzutreiben; einzelne SPD-Führer distanzierten sich sogar öffentlich.

 

Die Politik gezielter Zugeständnisse und das Ahlener Programm

Nach der Zerschlagung des Faschismus war das Großbürgertum gelähmt, seine politische Macht lag am Boden. Es war politisch kompromittiert, ebenso das vorfaschistische bürgerliche Parteiensystem. Wie weiter?

Angesichts des Aufschwungs des demokratischen Kampfes in den Westzonen mussten selbst die bürgerlichen Parteien antikapitalistische Parolen verbreiten. Es wurde den Wählern als “Sozialisierung im Sinne der CDU” (Rheinische Post, 8.3.47) beziehungsweise unter der Losung “CDU überwindet Sozialismus und Kapitalismus” unterbreitet. Noch weiter ging das Ahlener Programm der CDU (Köln 1948). Es beginnt mit der bemerkenswerten Feststellung: “Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.” Und in einem “Aufruf des sozialen Ausschusses der CDU” (1946) heißt es: “Durch den Zusammenbruch des Nationalsozialismus muss auch die Herrschaft der kapitalistischen Wirtschaftsmacht das verdiente Ende finden. Die Stunde für eine durchgreifende wirtschafts- und gesellschaftspolitische Neuordnung ist gekommen. Wir fordern daher die Aufhebung der Truste und Konzerne, die Herbeiführung der vollen Gleichberechtigung der Arbeitnehmer in den Betrieben… Der Militarismus, der Nationalsozialismus und die Kräfte des eigensüchtigen Kapitalismus sind die ewigen Wegbereiter neuer Kriege. Diesen Kräften gilt unser erbitterter Kampf… In der CDU sieht das christliche werktätige Volk die große politische Gemeinsamkeit, in welcher die christlich-sozialen Kräfte zum Ausdruck kommen”. (Westfalen Zeitung, 10.10.46)

Die christlichen Gewerkschafts- und Arbeitervereinsführer erwiesen sich als unentbehrlich, um den Einfluss der CDU/CSU in Kreisen christlicher Werktätiger zu verbreiten und ihren Anspruch zu sichern, eine “Volkspartei” zu sein. Endpunkt der Demagogie war dann die “soziale Marktwirtschaft”: ein Propaganda-Märchen über eine Gesellschaft, in der es keine Ausbeuter und Ausgebeutete gibt, keine Klassen und keinen Klassenkampf. Der Spalterstaat BRD soll von da an so eine Gesellschaftsordnung sein. Eine Legende, die in keinem Geschichtsbuch fehlt. Und das wider der Realität.

 

Zur Rolle der Sozialdemokratie

Während man in der Ostzone von der antifaschistisch-demokratischen Ordnung sprach, wurde unter

Schumachers Leitung am 10. Mai 1946 auf dem Parteitag der SPD in Hannover eine “Kundgebung” erlassen, in der es hieß: “Das heutige Deutschland ist nicht mehr in der Lage, eine privatkapitalistische Unternehmerwirtschaft zu ertragen und Unternehmerprofite, Kapitaldividenden und Grundrenten zu zahlen. Die jetzt noch herrschenden Eigentumsverhältnisse entsprechen nicht mehr den sonstigen gesellschaftlichen Zuständen und Bedürfnissen. Sie sind zu dem schweren Hemmnis der Erholung und des Fortschritts geworden(…) Die von der Sozialdemokratie erstrebte sozialistische Wirtschaft beruht auf einer gelenkten Wirtschaftspolitik. Entscheidend für Umfang, Richtung und Verteilung der Produktion darf nur das Interesse der Allgemeinheit sein. Die Vermehrung der Waren und der Produktionsmittel ist die Voraussetzung für die lebensnotwendige Eingliederung Deutschlands in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen (…) Die Sozialisierung hat zu Beginnen bei den Bodenschätzen und den Grundstoffindustrien. Alle Betriebe des Bergbaus, der Eisen- und Stahlerzeugung und –bearbeitung bis zum Halbzeug, der größte Teil der chemischen Industrie und die synthetische Industrie, die Großbetriebe überhaupt, jede Form von Versorgungswirtschaft und alle Teile der verarbeitenden Industrie, die zur Großunternehmung drängen, sind in das Eigentum der Allgemeinheit zu überführen.” (Protokoll der Verhandlungen des Parteitages der SPD, Hannover, 10.5.1946)

Ganz prächtig links, nicht wahr? Gleichzeitig führte Schumacher auf breiter Front gerade auf diesem Parteitag den Kampf gegen die Einheitsfront von Sozialdemokraten und Kommunisten. Denn am Tage der Eröffnung des Parteitages sandte das Hauptquartier der englischen Militärregierung unter dem Zeichen L/K Siegburg (CCG/BE) Ref. 1016/Fd/410 ein Schreiben an den Vorsitzenden der SPD in Herchen-Leuscheid: “Es liegt nicht in der Linie der Politik der Militärregierung, eine Verschmelzung der SPD mit der KPD zuzulassen, da es der Politik der SPD in der britischen Zone widerspricht. Infolgedessen sind alle Versammlungen, die eine solche Verschmelzung als Ziel haben, nicht zugelassen.”

Auf der einen Seite sprachen solche Führer wie Kurt Schumacher von der Tagesaufgabe der Errichtung des Sozialismus – im Gegensatz zum Osten, denn dort wurde erst mal “nur” eine antifaschistisch-demokratische Ordnung angestrebt – auf der anderen Seite wurde alles getan um eine Einheitsfront von Sozialdemokraten und Kommunisten zu hintertreiben. Intrige, Verleumdung und Denunziation waren Mittel der proimperialistischen SPD-Führer. Besondere “Verdienste” erlangte Schumacher. Er hatte Jahre im KZ verbracht, war von den Faschisten grausam misshandelt worden, ohne “weich zu werden”, war ein ausgezeichneter Redner, zugleich aber auch ein Meister der Demagogie, im Aussehen einem Asketen nicht unähnlich, voller Natürlichkeit im Umgang mit anderen Menschen. Die Geschichte kennt eine Anzahl von Gestalten, die in ihrem Kreis durch hervorragende, weil in ihrer Umgebung seltene Eigenschaften auffallen und so tiefe Anhänglichkeit gewinnen. Viele Millionen fielen auf die Demagogie Schumachers und seiner Mitarbeiter herein, folgten ihm auf dem Wege des Antikommunismus und der Spaltung der Arbeiterklasse.

 

Bizone, Marshallplan, Währungsreform

Bereits am 2.12.1946 schlossen die USA und Großbritannien ein Abkommen über eine Zusammenfassung ihrer Besatzungszonen zur sogenannten Bizone. Der erste Schritt zur Spaltung wurde getan. Eine wesentliche Bedeutung erlangte der Marshallplan, der im Juni 1947 beschlossen wurde. Mittels dieses Planes wollten die USA die ökonomischen und politischen Schwierigkeiten der im Kriege geschwächten Länder ausnutzen. Unter dem Vorwand der Hilfe gaben sie Kredite, lieferten Waren und suchten so die betreffenden Länder in Abhängigkeit zu bringen. Der Marshallplan war Kernstück der Truman-Doktrin, dieser Kampfansage des US-Imperialismus gegen die Sowjetunion, die neu entstandenen Volksdemokratien und alle revolutionären Bewegungen überhaupt. Die Verkündung dieser Doktrin durch US-Präsident Truman im März 1947 bezeichnet den offiziellen Beginn des kalten Krieges. Die deutschen Westzonen wurden im Sommer 1948 in den Marshallplan einbezogen. Gleichzeitig wurde die Bizone unter Einschluss der französisch besetzten Zone zur Trizone erweitert.

Begleitet wurde diese “Hilfe” durch eine separate Währungsreform in den Westzonen. Diese Währungsreform nahm den Werktätigen die letzten Barmittel und ließ gleichzeitig die in Sachwerten angelegten Kriegsprofite und Schiebergewinne der Kapitalisten unberührt. Es kam zu einer Valutabarriere quer durch Deutschland. Es entstanden zwei Währungsgebiete. Die Währungsreform zielte auch auf die Zerrüttung der Währung, der Finanzen und der Wirtschaft in der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ). Am 23. Juni 1948 führten die Westmächte die neue Separatwährung auch in Westberlin ein. Die sowjetische Militärverwaltung war gezwungen Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Gegenmaßnahmen wurden von den Westmächten wiederum zur Erzeugung von Kriegshysterie, zur Vorbereitung unmittelbarer Kriegshandlungen ausgenutzt. Westberlin wurde zur Frontstadt.

 

Operation Vittles

Am 26. Juni 1948 starteten mit großem Propagandaaufwand die “Operation Vittles”, wie die Luftbrücke nach Westberlin bei den USA-Militärs hieß. Zur Rechtfertigung ihres Kriegsabenteuers hatten die Westmächte die infame Lüge in die Welt gesetzt, die Sowjetunion wolle “Berlin aushungern und dann erobern”. Eine solche “Hungerblockade” hatte es nie gegeben. Die Sowjetunion hatte immer wieder angeboten, die Versorgung Westberlins zu übernehmen. Die Westmächte lehnten aber ab, denn sonst würde ihre Luftbrücke ja überflüssig. Viel lieber peitschten sie eine Kriegspsychose hoch, um ihr Luft- und Flottenstützpunktsystem rings um die sozialistische Staatenwelt auszubauen.

In den Westsektoren gab es vom Juni 1948 bis März 1949 eine Doppelwährung. Im Ostsektor war Westgeld verboten. Im Westen war ausdrücklich gestattet, dass alle auf Karten bezogene Lebensmittel, Steuern, Dienstleistungen, öffentliche Verkehrsmittel u.a. mit Ostmark bezahlt werden konnten. Hingegen gab es die lang entbehrten Genuss- und Lebensmittel, wie Kaffee, Kakao, Schokolade, Tabak, Südfrüchte und industrielle Bedarfsgüter nur für die Spaltermark. Auf diese Weise erfolgte eine Diskreditierung der Ostwährung. So wurde künstlich die Nachfrage nach der Westwährung hochgetrieben. Die Westmächte gaben ab August 1948 grünes Licht für private Wechselstuben. Sie tauschten Westmark gegen Ostmark anfangs 1:2.2, später 1:5 und mehr. Der Wechselstubenkurs wurde in den fünfziger Jahren zu einem Hauptinstrument der ökonomischen Schädigung der DDR.

 

Die Volkskongressbewegung

Antifaschisten mit kommunistischer, sozialdemokratischer, christlicher Weltanschauung, Demokraten und Patrioten verstärkten ihren Kampf gegen die Spaltungsabsichten. Am 6. /7. Dezember 1947 trat in Berlin der 1. Deutsche Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden zusammen. Delegierte aus allen Besatzungszonen und aller Bevölkerungsschichten nahmen an ihm teil; er war die erste gesamtdeutsche Vertretung nach dem Krieg. Der Volkskongress bekundete den Willen nach politischer und wirtschaftlicher Einheit. Er forderte das Recht, durch Volksabstimmung über die demokratische Einheit und die Bildung einer zentralen Regierung aus Vertretern aller demokratischen und antifaschistischen Parteien zu entscheiden. Der II. Deutsche Volkskongress, wählte einen Deutschen Volksrat und beschloss ein Volksbegehren für eine Volksabstimmung über die Einheit Deutschlands. Dieses wurde im Sommer 1948 durchgeführt. In den Westzonen hatten die Patrioten dabei mit enormen Schwierigkeiten zu kämpfen. In der amerikanischen und französischen Zone wurde die Durchführung des Volksbegehrens verboten, in der britischen stark behindert. Trotzdem gaben in Nordrhein-Westfalen 750.000 Menschen ihre Unterschrift. In allen vier Besatzungszonen stimmten 14.766.000 Menschen für die Einheit Deutschlands.

Obwohl die Volkskongressbewegung noch an Stärke gewann, konnte sie die Gründung des westdeutschen Separatstaates nicht verhindern.

 

Der Spalterstaat: BRD

Am 16. Mai 1948 enthüllte die “Washington Post” folgendes: “… die CDU/CSU wird die Regierungsfassade hergeben, hinter der die Industriellen die wahren Herrscher Deutschlands sein werden.”

Im Sommer 48 beschlossen die Westmächte die Bildung einer westdeutschen verfassungsgebenden Versammlung, des “Parlamentarischen Rates”. Dieser wurde nun unverzüglich gebildet; er verabschiedete schließlich am 8. Mai 1949 gegen die Stimme der Kommunisten das “Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland”. Nachdem die drei westlichen Militärgouverneure dieses GG genehmigten und damit Gesetzeskraft verliehen hatten, trat es am 23. Mai 1949 in Kraft. Auf seiner Grundlage wurden im Sommer die Wahlen zum Bundestag durchgeführt. Mit Bundestag und Bundesrat konstituierte sich schließlich am 7. September 1949 endgültig der westdeutsche Separatstaat. Am 15. September vollzog sich das letzte Kapitel der Bonner Staatsbildung: die Wahl des Bundeskanzlers. Sie fiel auf den Vorsitzenden der westdeutschen CDU, Dr. Konrad Adenauer. Er erhielt 202 Stimmen. Das war die knappste Mehrheit, die nach dem GG möglich ist, da der Bundestag aus 402 stimmberechtigten Mitgliedern besteht. Im “Kiesings Archiv der Gegenwart” (1948/49), erschienen in Essen, heißt es zur Kanzlerwahl: “Der Bundeskanzler erhielt diese Mehrheit nur dadurch, dass das Haus keinen Widerspruch dagegen erhob, drei der abgegebenen Stimmzettel als Ja-Stimmen zu zählen, die den Namen Dr. Adenauers trugen und eigentlich hätten für ungültig erklärt werden müssen, da bestimmt worden war, dass nur Stimmzettel mit Ja oder Nein oder zum Zeichen der Stimmenthaltung weiße Zettel abgegeben werden durften. Bei der Auszählung ergab sich, dass 142 Abgeordnete mit Nein gestimmt hatten, 44 hatten weiße Zettel abgegeben, eine Stimme war ungültig, neun Abgeordnete waren abwesend, vier stimmten nicht ab.” Da sich auch der Bundestagsabgeordnete Adenauer an dieser Wahl beteiligte, spricht man davon, dass er faktisch mit seiner eigenen Stimme Bundeskanzler wurde.

Das Adenauer-Kabinett setzte sich aus Angehörigen der CDU/CSU, der FDP und der Deutschen Partei zusammen. Noch bevor er seine Regierungserklärung abgab, stellte er seine Politik gegenüber dem anderen Teil Deutschlands klar: “Die Bundesrepublik muss ein Anziehungspol für Ostdeutschland werden und die psychologischen Beziehungen mit dem Osten wahren und stärken.” In seiner Regierungserklärung dann (20.9.), waren revanchistische Forderungen nach Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 unüberhörbar, von Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf friedlicher und demokratischer Grundlage jedoch war keine Rede.

Die erste Handlung der Adenauer-Regierung war ihr Antrittsbesuch bei den 3 westlichen Hochkommissaren, die auf dem Petersberg bei Bonn residierten. Hier wurde das Besatzerstatut unterzeichnet. Die Besatzer selber hatten nie verschwiegen, dass sie sich letztlich alle Rechte des Eingreifens in deutsche Angelegenheiten vorbehielten.

So bekräftigte Francois-Poncet, der französische Hohe Kommissar es so: “Wenn das deutsche Volk sich allerdings nicht in dem von den Allierten erhofften Sinne entwickelt (…), dann würden die Hohen Kommissare von ihren im Besatzungsstatut niedergelegten Richtlinien Gebrauch machen.” So also trat die Bundesrepublik ein in die Weltgeschichte: Produkt imperialistischer Spaltungspolitik, unfrei und revanchistisch.

 

Separatverfassung ohne demokratische Legitimation

Peter H. Merkl, Professor für politische Wissenschaften an der University of California (USA), formulierte in seinem 1965 in Stuttgart erschienen Buch “Die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland”: “Die Ratsmitglieder sahen ihren Auftrag darin, eine konstitutionelle Demokratie ohne Beteiligung der Massen – nötigenfalls auch gegen deren Willen – zu errichten und aufrechtzuerhalten.”

Am 12. Mai 1949 ließ der Parlamentarische Rat das Grundgesetz von den westlichen Militärgouverneuren genehmigen. Nach Ratifizierung durch die westdeutschen Landtage (außer Bayerns) – nicht etwa durch das Volk – wurde das Bonner GG am 23. Mai 1949 verkündet; bei der Unterzeichnungszeremonie hatte der kommunistische Abgeordnete Renner ausgerufen: “Ich unterschreibe nicht die Spaltung Deutschlands”, und sein Genosse Reimann lehnte gleichfalls ab. Ein durchaus wohlwollender Beobachter kommentierte: “Selten ist wohl die Geburt eines Staates mit so geringer Anteilnahme der Bevölkerung vor sich gegangen.” (Lahr, Zeuge von Fall und Aufstieg, Hamburg 1981)

Anders im Osten: Die Ostberliner Verfassung wurde nach einer Volksabstimmung mit 66,1% Ja-Stimmen am 30. Mai 1949 ratifiziert, nachdem 58,1% der Sowjetzonen-Wähler am 15. Mai 1949 die Zusammensetzung des Volksrates nachträglich gebilligt hatten.

Carlo Schmidt (SPD) – ansonsten ein Befürworter des Separatkurses – über das GG: “Die erste Einschätzung ist, dass uns für das GG bestimmte Inhalte auferlegt worden sind; weiter, dass wir das GG (…) den Besatzungsmächten zur Genehmigung vorlegen müssen. (…) Eine Verfassung, die ein anderer zu genehmigen hat, ist ein Stück Politik des Genehmigungsberechtigten, aber kein reiner Ausfluss der Volkssouveränität des Genehmigungspflichtigen. (…) Die Besatzungsmächte haben sich das Recht vorbehalten, im Falle von Notständen die Fülle der Gewalt wieder an sich zu nehmen. Die Autonomie, die uns gewährt ist, soll also eine Autonomie auf Widerruf sein (…) Die eigentliche Verfassung, die wir haben, ist auch heute noch das geschriebene oder ungeschriebene Besatzerstatut.”

Dieser Abhängigkeit gesellte sich ein Tatbestand hinzu, den die “TIMES” so beschrieb: “Die Besatzungsmächte haben wenig getan, um die Grundlagen des Gesellschaftsaufbaus in Westdeutschland zu ändern oder die herrschenden Gruppen ernstlich zu schwächen, die Hitler erst begrüßten, dann ihm dienten und sich erst im letzten Moment gegen ihn wandten. Kohle und Stahl sind nicht verstaatlicht worden, der Beamtenstand und die Verwaltung blieben in vielen Fällen unverändert.”

Die Spaltungspolitik war nur durchführbar im Zusammenhang mit der zunächst niedergeschlagenen, unter die Fittiche der Dollar-, Pfund- und Franc-Barone jedoch sich wieder aufrappelnden deutschen Bourgeoisie. Das Hauptanliegen der deutschen Imperialisten und Junker war es, die Westzonen gegen die sich in Osteuropa vollziehende antifaschistische Umwälzung abzuschirmen, um so auf dem noch verbliebenen Raum im Bündnis mit den USA ihre Macht erhalten bzw. wieder aufrichten zu können.

Die Geschichte der Spaltung wäre nicht vollständig, wenn man die gleichzeitige Einbeziehung Westdeutschlands in die Militärstrategie der Westmächte außer acht ließe. Mit der Gründung des Separatstaates BRD war den Militaristen in ihren kriegerischen Bestrebungen weitgehend freie Hand gegeben.

 

Wie konnte es geschehen?

Wie aber dachte die große Masse der Bevölkerung? Es kann gar keinen Zweifel über die Tatsache geben: dass sie für die Einheit Deutschlands war. Wie kam es aber trotzdem zur Spaltung? Gehen wir von einem Ereignis am 3. April 1947 aus. An diesem Tag streikten 334.000 Bergarbeiter fast aller Schachtanlagen des Ruhrgebiets für die Entmachtung der Konzernherren, für sozialen Fortschritt und Demokratie – gegen die Drohungen der Besatzermacht, gegen die Linie der Gewerkschaftsführer, gegen die SPD-Führung. Auf Demonstrationen wurden Plakate getragen mit den Losungen “Hinweg mit den Organisatoren des Hungers”, “Durchführung der Bodenreform”, “Enteignung der Großgrundbesitzer”. Ein Jahr später begann der Marshallplan für die Westzonen wirksam zu werden. Dieses “Hilfsprogramm zur Unterstützung notleidender Völker” war einmal dazu da, amerikanische Waren loszuwerden. Aber der Monopolist lebt nicht vom Brot (Profit) allein. Er lebt auch von der Volksvergiftung. Wie aber sollte man mit einer antikommunistischen Kampagne Erfolg haben, wie eine ideologische Basis für die Spaltung legen, wenn die Menschen hungern, Millionen arbeitslos sind und die Schuld dafür bei den Besatzungsmächten suchen? Dazu brauchte man den Marshallplan. (Faktor der psychologischen Kriegsführung) Die Ernährung besserte sich, die Produktion stieg, die Verhältnisse begannen sich zu “normalisieren”. Und – die Schaufenster sahen jetzt nicht nur besser als im Osten aus, es fielen auch Brocken aus den Schaufenstern in den Einkaufskorb des kleinen Mittelstandes und gelernten Arbeiters. Und alles, wie es schien, auf Grund des Marshallplans. “Vielleicht ist der Weg über den Weststaat zur Einheit gar nicht so falsch – wenn man bedenkt, was man Schreckliches über die Ostzone hört?” – denken viele nicht nur, sondern sie denken es auch gerne, weil es so auch viel bequemer ist. Man braucht keinen Widerstand zu leisten, keinen großen Kampf führen, kein Parteiführer der CDU/CSU oder der SPD verlangt so etwas. Viel bequemer ist es so als in der Ostzone, wo tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen stattfinden, wo von Verantwortung, von aktiver Verantwortung und Aufbau aus eigener Kraft die Rede ist, wo eine ständige Weiterbildung und Qualifizierung des Bewusstseins stattfindet. Zuviel davon, wie so viele meinen. Wirklich, es ist geistig, bewußtseinsmäßig viel schwerer, in der Ostzone zu leben, es wird viel mehr von einem verlangt, und das Essen ist nicht so wie im Westen; die Kleidung übrigens auch nicht. Und die Westpresse ist viel leichter zu lesen. Das Radio ist amüsanter… Das sind nur einige der Gedanken, die die Menschen im Westen hatten. Verständliche, aber keine klugen Gedanken.

Es gab 1945 zwar einen Bruch. Aber doch auch eine gewisse Kontinuität, weil es keine entscheidende Wendung gab, wie im Osten. Zwei Beispiele: Noch 1945 wurden in der “Ostzone” praktisch alle Schullehrer der Hitlerzeit entlassen, im Westen wurden sie praktisch übernommen. 1946 wurden im Osten alle Kriegsverbrecher, d.h. auch alle Konzernherren enteignet, im Westen bestenfalls zeitweilig aus der Wirtschaft entlassen und dann wieder eingesetzt. Wieder die verfluchte Kontinuität.

 

Eindrucksvolles Bekenntnis zur antifaschistischen Demokratie: Die Gründung der DDR

Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik am 7. Oktober 1949 lässt sich nur im Zusammenhang mit der gesamtdeutschen Entwicklung verstehen. Die Entwicklung im Osten wurde von der demokratischen und antifaschistischen Umgestaltung bestimmt. Eine entscheidende Rolle spielte die Volkskongressbewegung, die eine gesamtdeutsche Bewegung war und für die Einheit Deutschlands auf der Grundlage der Potsdamer Beschlüsse eintrat. Während im Westen das Hauptdokument der deutschen Spaltung, das westdeutsche Grundgesetz, ausgearbeitet wurde, organisierten die in der Volkskongressbewegung vereinten demokratischen Kräfte eine große Volksdiskussion über die verfassungsrechtliche Gestaltung der künftigen demokratischen Republik. Grundlage bildete der Verfassungsentwurf. Der Entwurf wurde in über 9000 Versammlungen in OST und WEST beraten. 15.000 Resolutionen und 503 Abänderungsvorschläge gingen dem Deutschen Volksrat zu. In einem “Manifest an das deutsche Volk” wurde dazu aufgerufen: Für ein einiges, unabhängiges, demokratisches Deutschland einzutreten, ein Friedensvertrag abzuschließen und die Besatzer abzuziehen.

In den Westzonen war eine freie Willensäußerung nicht möglich gewesen. Wahlen zum Volkskongress von den dortigen Besatzungsmächten nicht gestattet worden. Es gelang der Volkskongressbewegung jedoch nicht die Spaltung zu verhindern. Nach der Gründung des Spalterstaates BRD wurde die DDR gegründet. Das auf dem 3. Volkskongress vorgelegte Dokument wurde als Verfassung der DDR erklärt. Otto Grotewohl wurde mit der Regierungsbildung beauftragt. Wilhelm Pieck wurde zum ersten Präsidenten des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates auf deutschem Boden. Ein neues Kapitel deutscher Geschichte war aufgeschlagen.