Presseerklärung: Türkei – Es geht nicht um „nationale Sicherheit“, sondern um Kapitalinteressen

Am 20. Juni traten 5800 Beschäftigte und Angestellte der türkischen Glasherstellerfirma Sisecam für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne in den Streik. Zum Streik hatte die Gewerkschaft Kristal-Is aufgerufen und Kolleginnen und Kollegen aus 10 Standorten der Firma waren dem Aufruf gefolgt. Die Firma produziert neben Fenster- und Autogläsern auch Tee- und Wassergläser sowie verschiedene Gefäße und Utensilien für Küche und Haushalt. In Deutschland beliefert Sisecam u.a. seit 2010 Autogläser für verschiedene BMW-Modelle.

Nun beschloss die AKP-Regierung die 60-tägige Aussetzung des Streiks. Die Begründung wurde mit folgenden Worten an die Presse gegeben: „Die von der Kristal-Is organisierten Streiks in verschiedenen Stadtorten der Firma Sisecam werden mit dem Beschluss des Kabinetts am 25.06.2014 nach Paragraph 63 des Gesetzes 6356 vom 18.10.2012 für 60 Tage ausgesetzt, da das Kabinett durch die Streiks die allgemeine Gesundheit und nationale Sicherheit als gefährdet einstuft.“

Der Kabinettsbeschluss wurde von Seiten der Gewerkschaften und demokratischen Menschenrechtsorganisationen kritisiert. In einer schriftlichen Erklärung gab der Vorsitzende der Kristal-Is, Bilal Cetintas, bekannt, dass die Gewerkschaft den Kabinettsbeschluss nicht verstehen würde. „Was soll das mit der nationalen Gesundheit und Sicherheit zu tun haben, dass Menschen für mehr Löhne und bessere Arbeitsbedingungen kämpfen? Hierbei geht es nur um die Interessen von Kapitalgruppen und es ist eine Heuchelei derjenigen, die von „nationaler Gesundheit“ reden und dabei doch in Soma Schuld an dem Mord von 301 Kollegen sind!“ In Soma waren bei einem Bergwerkunfall 301 Kollegen lebendig begraben worden.

Die AKP hatte wenige Wochen vorher die Forderung der Opposition nach einer besseren Überwachung der Sicherheit in Bergwerken abgelehnt.

Bereits am 9. Dezember 2003 und 14. Februar 2004 waren Streikbestrebungen der Kristal-Is mit der gleichen Begründung der allgemeinen Gesundheit und nationalen Sicherheit um 60 Tage verschoben worden, noch bevor sie beginnen konnten. Am 21. März 2004 war mit der gleichen Begründung der Streik der Reifenherstellergewerkschaft Lastik-Is ebenfalls verschoben worden.

Mit dem aktuellen Beschluss zeigt die AKP-Regierung offen und direkt, wessen Interessen sie vertritt. Es geht ihr weder um die allgemeine Gesundheit, noch um die nationale Sicherheit, sondern sie beschützt lediglich die Interessen der Unternehmen und des Kapitals. Die AKP ist arbeiterfeindlich und behindert jegliche demokratische Betätigung von Arbeitern und Gewerkschaften.

Wir protestieren vehement gegen das Gesetz 6356 und fordern die sofortige Abschaffung dieses Gesetzes. Das Recht auf Streiks muss überall, auch in der Türkei, als ein Menschenrecht anerkannt und eingeführt werden.

Wir fordern die demokratische Öffentlichkeit in Deutschland auf, sich mit der Kristal-Is zu solidarisieren und sich dafür einzusetzen, dass diese undemokratische Praxis abgeschafft wird.

Köln, 28.6.14

DIDF Bundesvorstand