Die Reißwölfe heulen weiter

Anfang der 90er Jahre wurde ausführlich und empört über die StaSi-Aktenvernichtung berichtet, als ob es das in der BRD niemals geben könnte.

„Von den in der DDR zerstörten Teilen der StaSi-Unterlagen fanden sich viele tausend Säcke mit unterschiedlich stark zerschnitzelten Materialien, die wieder rekonstruiert werden sollten. Bis zum Februar 2012 konnte der Inhalt von etwa 440 der insgesamt etwa 16.000 Säcke manuell bearbeitet und rund 1.000.000 Blatt an Schriftgut rekonstruiert werden. Im Jahr 2007 begann zusätzlich ein Projekt zur maschinellen Rekonstruktion. Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Berlin entwickelte die Stasi-Schnipselmaschine, Behördenbezeichnung „Virtuelle Rekonstruktion vorvernichteter Stasi-Akten“. Dabei werden die zum Teil geschredderten Papierschnipsel in Folie eingeschweißt, gescannt, nach mehreren Merkmalen unterschieden und dann virtuell zusammengesetzt.“

(Quelle: nach Wikipedia)

Das Geheule über diese Aktionen ist noch heute zu vernehmen. In einer Dämokratie undenkbar!? Mitnichten.

Von alters her werden wichtige Dokumente zerrissen, verbrannt, zerstört. Doch die Löschaktion im Kanzleramt Kohl erreichten eine unvorstellbare Qualität.

In einer demokratischen Republik ein unmöglicher Vorgang: Die Unionsparteien hatten die Wahl zum Bundestag verloren, und der Sozialdemokrat Gerhard Schröder sollte ins Bonner Kanzleramt einziehen. Eigentlich ist ein solcher Regierungswechsel in einer Demokratie der selbstverständliche Normalfall.

Damals wurde er aber offenbar als eine „feindliche Übernahme“ angesehen.

Ein Fall der Aktenvernichtung allerdings erreicht eine bislang unvorstellbare Qualität: Der Schwund von Schriftstücken und elektronischen Daten im Kanzleramt von Helmut Kohl im Herbst 1998.

2013 berichtete Arbeit-Zukunft: „Ein bedauerliches Versehen“ – so sprach die oberste Berliner Verfassungsschredderin, bevor sie freiwillig zurückgetreten wurde. Ganz aus `Versehen` hatte man auch in Berlin die Akten über die Neonazi-Szene durch den Reißwolf gejagt. So etwas kann schon einmal passieren – oder eben auch zweimal oder dreimal. Beim Bundesamt für Verfassungsverhütung hatte das Chef-Verhüterli (Fromm mit Namen) aus gleichem Grund sein Hütchen nehmen müssen. Danach folgten die Amtskollegen in Thüringen und Sachsen und Sachsen-Anhalt. Und nun noch dies: „Berliner Verfassungsschutz kopflos“, schlagzeilt die Berliner Zeitung. (https://www.arbeit-zukunft.de/2013/01/06/wenn-die-reisswoelfe-heulen)

Und heute?

Screenshot

Ein Thüringer Verfassungsschützer hat 2011 wichtige Akten geschreddert. Die Akten enthielten Informationen zum Kontakt von V-Männern mit dem NSU. Das Problem: Der Mitarbeiter hat die Unterlagen absichtlich aus genau diesem Grund zerstört. Nun verjährt die Tat und die Staatsanwaltschaft sieht keinen Grund, gegen den Mann zu ermitteln.(https://detektor.fm/gesellschaft/nsu-vernichtung-von-akten-verjaehrt)

Aber nicht nur das Bundesamt vernichtete wichtige Akten mit NSU-Bezug: Auch andere Geheimdienste und die Polizei schredderten Akten.

Aber auch viele weitere Merkwürdigkeiten bestanden in den NSU-Prozess: Ein V-Mann des Geheimdienstes soll den mutmaßlichen NSU-Terroristen Mundlos und Zschäpe Jobs in seinen Firmen gegeben haben. Der NSU-Untersuchungsausschuss fordert die Akten dazu an. Doch diese sind offenbar verschwunden.

Die Akte soll 2010 dem Hochwasser in Sachsen zum Opfer gefallen sein. „Es ist schon seltsam, dass sich die reißenden Wasser gerade dieses Schriftstück ausgesucht haben“ berichtete die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic. Nicht nur Akten wurden geschreddert: Unglaubliche 120 Jahre Sperrfrist für eine Akte des Verfassungsschutzes zum NSU. Der NSU-Prozess ist vorbei, viele Fragen bleiben offen. Dennoch will der Verfassungsschutz in Hessen eine Akte über die Rechtsterroristen bis ins Jahr 2134 unter Verschluss halten. Zwischen September 2000 und April 2007 wurden in Deutschland zehn Menschen ermordet und diese Morde werden seit November 2011 der Terror-Bande NSU zugeschrieben. Doch es wurde immer deutlicher, dass diese Morde aus Kreisen staatlicher Organe unterstützt, wenn nicht sogar organisiert wurden.

Bislang konnte dieser Verdacht, der sich auf eine Vielzahl von Indizien stützt, nicht bewiesen werden. Dass jedoch enorme Mengen von Akten des Bundes-„Verfassungsschutzes“ und etlicher „Verfassungs­schutz“-Ämter von Bundesländern an mehreren verschiedenen Orten „zufällig“ kurz nach dem 4. November 2011 geschreddert wurden und es sich dabei um ein „Versagen“ der Geheimdienste gehandelt habe – wie es bislang die Sprachregelung von den Mainstream-Medien über alle großen Parteien bis einschließlich der Linkspartei war – , ist wenig wahrscheinlich. Die Neonazi-Terrorbande NSU umfasste offenbar mehr als die drei bislang namentlich genannten Personen. Einer geheimen Liste zufolge gehörten 129 Personen aus der Neonazi-Szene zum engeren und weiteren Umfeld des NSU. Vermutlich waren auch V-Leute darunter.