Was nimmt die Jugend aus 2020 mit?


Die Jugend kämpft an vielen Fronten – hier: Hamburg, 5.12.20 gegen Aufrüstung und Krieg!

Das Ende des Jahres 2020 ist gekommen und es scheint ein allgemeines Bedürfnis zu sein, dieses Kapitel abzuschließen, was sich zum Beispiel in Liedern wir „FCK 2020“ von Scooter äußert, das auf Youtube mittlerweile über 6 Millionen mal angeschaut wurde. „A nightmare came true, the worst year ever“, singt Scooter. Aber warum kommt dieses Jahr vielen Menschen wie ein schlechter Traum vor? Und was können wir aus 2020 mitnehmen?

Natürlich ist die Pandemie der größte Einschnitt in unser Leben, den wir 2020 zu spüren bekommen haben. Wir konnten teilweise nicht mehr in die Schulen, Unis, Betriebe und Berufsschulen, haben uns vielleicht Sorgen um Verwandte oder Freunde gemacht oder unseren Nebenjob im Café verloren. Die Pandemie scheint wie ein dummer Zufall, der uns wie ein Blitz trifft und wo man nur hoffen kann, dass es schnell vorbei geht. Wie so vieles in unserem Leben ist aber auch die Pandemie innerhalb eines Systems zu begreifen. So hören wir zum Beispiel immer, dass Corona „uns alle“ trifft. Wen es aber dieses Jahr wirklich hart getroffen hat, das waren wir. Diejenigen, die sich nicht in ihre Villen zurückziehen und Entspannungsurlaub machen konnten und die vom Staat keine Hilfspakte in Milliardenhöhe zugeschoben bekommen haben. Wir haben die Pandemie und die damit verschwimmende Wirtschaftskrise zu spüren bekommen, und zwar in voller Härte. Millionen Menschen sind in Kurzarbeit, die Entlassungen steigen in den Bereich der Hunderttausende. Die wenigen Hilfen des Staates gehen an die Konzerne, die weiterhin Dividenden ausschütten und ihre Profite machen. Als Jugend sind wir direkt von den sozialen Folgen der Krise betroffen. Gehen wir zur Schule verstärkt sich der Druck, unter erschwerten Bedingungen dieselben Leistungen zu erbringen. Auch die Ausrüstung und der Raum zum Lernen von zuhause aus fehlt oft. In der Universität sieht es nicht anders aus. 40% der Studierenden haben während der Pandemie ihren Job verloren. Das Onlinesemester birgt Herausforderungen, welche die von uns ohne technische Ausstattung abhängt. Auch in der Berufsausbildung sind Azubis je nach Branche von der Krise betroffen, fürchten um ihre Übernahme oder sind von Einschränkungen in der Berufsschule betroffen.

Doch die Krise trifft die Jugend nicht nur jetzt, sondern wir werden auch noch in den nächsten Jahren mit Kürzungen im sozialen Bereich konfrontiert sein, die mit Kurzarbeitergeld und Hilfspaketen gerechtfertigt werden. Das Virus sowie die Krise treffen eben nicht alle gleich – und wir werden diese Last in Zukunft auf unseren Schultern tragen.

Doch trotz der schwierigen Lage waren wir 2020 auf der Straße. Im Kampf für Umweltschutz und gegen den Klimawandel hat Fridays for Future nicht aufgehört zu kämpfen. Aber auch an dieser Front haben wir eingesteckt: Das sogenannte „Kohleausstiegsgesetz“ ist ein Witz und wurde von Klimaaktivisten lautstark kritisiert. Monatelanger Streik und die größte Jugendbewegung, die dieses Land je gesehen hat waren nicht genug, um ein Einlenken der Regierung zu erzwingen – das Kapital gibt weiter den Ton an. Solange fossile Energien profitabel sind, werden sie genutzt werden. Unsere Zukunft scheint dabei keine Rolle zu spielen. Wir merken immer deutlicher, dass in diesem System niemals die vernünftigste, sondern immer die profitabelste Variante gewählt wird.

Ähnlich sieht es bei den Black Lives Matter-Protesten aus. Auf der ganzen Welt wurde besonders von jungen Menschen gegen rassistische Polizeigewalt und Unterdrückung demonstriert. Die Reaktion in der Politik auf die Proteste in Deutschland war absehbar – es gab keine. Zumindest keine ernstzunehmende: Es wurden weder Gesetzesänderungen beschlossen, die rassistischen Polizeipraktiken wie dem Racial Profiling vorbeugen könnten, noch eine ernsthafte Aufklärung rassistischer Gewalt in der Vergangenheit angestrebt. Die Polizei ist ein Repressionsapparat, der den Reichen und Mächtigen hilft, die herrschende Besitzordnung aufrecht zu erhalten. Solange diese Besitzordnung vor allem Migranten in Armut und Ausbeutung hält wird auch die Unterdrückung dieser Gruppen durch die Polizei zum Alltag gehören. Der strukturelle Rassismus in unserer Gesellschaft wird auf absehbare Zeit nicht effektiv bekämpft werden – das wurde uns mehr als deutlich.


Auch der rechte Anschlag von Hanau Anfang des Jahres hat für Proteste und Solidaritätswellen gesorgt. Doch auch hier sehen wir im Nachhinein, dass der Staat eine mehr als fragwürdige Rolle einnimmt, wenn es um rechten Terror geht. Der Attentäter von Hanau war den Behörden bekannt, als an dem Abend des Anschlags die Polizei angerufen wurde, ging diese nicht ran. Der Täter wurde erst mitten in der Nacht gestellt, obwohl die Polizei schon lange wusste, wo er sich aufhielt. Doch auch wenn es, anders als beispielsweise beim NSU, keine Beweise für eine Verwicklung des Staates in die Tat gibt, wird im Nachhinein zumindest deutlich, wie wenig Wert er auf Aufklärung und Konsequenzen legt. Das Gedenken an die Tat sechs Monate später in Hanau wurde abgesagt, in Hamburg von der Polizei schikaniert. Nennenswerte Veränderungen in der Strategie im Umgang mit rechtem Terror hat es auch nicht gegeben. Und dass sich jetzt im Nachhinein herausstellt, dass der Vater des Täters denselben Ideologien anhängt wie sein Sohn und die Tatwaffen von der Stadt zurückfordert, ist hierbei nur die Spitze des Eisbergs.

All die Dinge, die 2020 schief gelaufen sind, haben System. Wir sehen an allen Fronten, dass die Widersprüche in diesem System sich verschärfen – nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Und die Spaltung, Unterdrückung und Ausbeutung geht weiter. Besonders die Jugend wird mit Lob abgespeist, wenn sie für ihre Forderungen auf die Straße geht. Dabei werden wir die Entscheidungen von heute morgen am meisten zu spüren bekommen. Wir können nicht mehr warten und vertröstet werden. Wir brauchen Veränderung und dieses Jahr hat uns mehr als deutlich gezeigt, dass diese in diesem System nicht möglich ist. Doch statt zu verzweifeln müssen wir weiter kämpfen. Für 2021 heißt es: Kräfte bündeln. Mit jeder Einbuße lernt die Jugend dazu, mit jeder Krise werden wir kampferprobter. Die Verschärfung der Widersprüche in unserem System heißt auch, dass es immer mehr von uns gibt, die sich nicht mehr abspeisen lassen. Und das ist auch gut so.