Abstand – Maske – Arbeitskampf!

Bemerkenswerter Tarifrundenauftakt der IG Metall in Stuttgart

Mit zwei Aktionen startete die IG Metall Stuttgart am Donnerstag, 11.02.2021, in die Tarifrunde 2021. Bei strahlender Wintersonne, Schnee und Minusgraden verließen mehrere Hundert ihre Arbeitsplätze!

Wir waren vor Ort!

Rund 250 IG-Metall-Vertrauenleute bei Daimler Untertürkheim kamen für eine Stunde vor das Cannstatter Haupttor, direkt beim Daimler-Museum, zu einer Kundgebung, auf der unter anderen der Untertürkheimer Betriebsratvorsitzende Betriebsratsvorsitzende Michael Häberle und die Erste Bevollmächtigte der Stuttgarter IG- Metall, Nadine Boguslawski, sprachen. Die Kundgebung war dafür, dass im Untertürkheimer Stammwerk rund 12000 Kolleginnen und Kollegen am Werk sind, nur eine äußerst sparsamer „Warnschuss“, zumal auch noch eine Delegation von Daimler Sindelfinghen dabei war. Daher wurde wiederholt auf die noch bestehende Friedenspflicht verwiesen und darauf, dass die beteiligten Kollegen die Aktion mit Lohnverlust bezahlen. Wie die zweite Kundgebung, bei Feuerbacher Betrieben, stand auch die Daimler-Kundgebung vor allem im Zeichen der massiven Bedrohungen für tausende Arbeitsplätze, Verlagerungsdrohungen und die Umstellung auf E-Mobile. Es geht nicht nur um die Tarifrunde, sondern um die Zukunft. Und natürlich darum, dass das Kapital schamlos SarsCov 2 („Corona“) ausnutzt, um den Druck weiter zu verschärfen. Häberle: „Sie nutzen die Pandemie als billige Ausrede, um traifliche und betriebliche Standards anzugreifen!“

Daimler- Boss Porth verspottet die IG-Metall-Taktik!

Auf der Kapitalseite haben es die Daimler-Kollegen neuerdings mit einer Personalunion zu tun: Die Angriffe bei Daimler startet federführend der Daimler-Personalvorstand Wilfried Port, der seit wenigen Wochen auch der Vorsitzende des Kapitalistenverbandes Südwestmetall ist – und damit der Verhandlungsgegner in der Tarifrunde. Häberle berichtete, dass die Daimler-Manager am Morgen ahnungslos taten und „erstaunt“ fragten, was denn das um 11 Uhr für eine Kundgebung sei. Aber pünktlich am Tag der Kundgebung hatte Port in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung richtig losgelegt. Das Timing des Interview kann kein Zugfall sein. Geich die Schlagzeile lautet „Mehr Lohn gibt es frühestens 2022!“ Also: Die Lohnerhöhung schminkt Euch ab – und das nach der Nullrunde 2020! Dafür Angriffe auf die Spätschichtzuschläge! Die Lohnforderung von 4 % Plus sei völlig daneben, Porth drohte erneut mit Verlagerungen. Die Interview-Frage nach den – in der „Corona“-Krise! – gewachsenen Gewinnen (Daimler höher als 2019!!) beantwortete Porth kühl mit dem Hinweis auf die massiven Kosteneinsparungen, also auch auf die zahlreichen Opfer der Kollegen. Außerdem seien die Gewinne bei den Unternehmern nicht flächendeckend. Schon fast mit Blick auf die Aktion vorm Werkstor verspottet Porth die Taktik der IG Metall: Sie würde nur Mitglieder in kleinen Gruppen dort versammeln, wo bei den Unternehmen die Kameras auffahren, bei denen sich Streiks gut verkaufen ließen. „Das beeinflusst unsere Position nicht!“ so Porth.

Kollegen kämpferisch!

So protestierten die Daimler Vertrauensleute gegen Porth („Porth muss fort!“ „Jetzt istSchluss Källenius!„) und verlangten: „Hände weg von den Zulagen!“ Vertrauensleute, die sprachen, zeigten sich kämpferisch, unbeeindruckt von Porths Drohungen. Sie forderten entschlossenen Kampf um die 4% Lohnerhöhung und um die Jobs.

Die Kampfbereitschaft nutzen!

Ein Sprecher der Vertrauensleute aus dem Werk Mettingen drohte: „Wir gehen wieder auf die Straße, und die fängt mit B an und hört mit 10 auf!“ Eine Anspielung auf die mehrfachen spontanen Besetzungen der B10, die nahe am Mettinger Werk vorbeiführt, durch die dortigen Kolleginnen und Kollegn. Er fügte hinzu, man kenne noch andere Straßen, die führten direkt zu den Leuten, die sich hier als Scharfmacher betätigten!

Nadine Boguslawski, die Stuttgarter Erste IG-Metall-Bevollmächtige prangerte die Blockade-Haltung des Kapitalseite in den Tarifverhandlungen an. Kämpferisch feuerte auch der Vorsitzendende der Jugend und Ausbildungsvertreung in Untertürkheim die Stimmung an.

Solidarische Unterstützung

Die Kundgebung, an der auch Kollegen des Metallertreffs (Solidarität ist unsere Stärke!“), von Didf und anderen politischen Kräften teilnahmen, endete mit lauten Sprechchören. Einer passt bestens zur Parole „Kampffähig trotz Corona!“: „Abstand -Maske-Arbeitskampf!“ Deutlich!

Tarifrunde unter Existenzangst

Ungleich existenzieller ging es nur kurz danach in der Wernerstaße in Stuttgart Feuerbach zu!

Viele Metallerinnen und Metaller vorm Coperion-Tor

Rund 600 Kolleginnen und Kollegen, mehr als doppelt so viel wie bei Daimler (!!), kamen vorm Werkstor von Coperion (Ex- Werner & Pleiderer) zusammen. Die Wernerstraße, eine wichtige, Industrie- und Ausfallstraße, war für mehr als eine Stunde voll gesperrt! Beschäftigte von Coperion und vom benachbarten KBA-Metal-Print, aber auch von Mahle und Bosch waren da. Die Mahle-Kollegen brachten ihre ohrenbetäubende Fanfahren- und Lärmmaschine mit!

Die Signale hat man bis in die Coperion-Chefetage gehört!

Bei diesen Firmen stehen massiv Arbeitplätze auf dem Spiel – und das unter provokativen Bedingungen. Der Protest gegen den wie die Pest um sich greifenden Jobklau vereinte die Teilnehmer/innen. Michael Kocken, der zuständige IG-Metall-Sekretär, prangerte an: Allein in Feuerbach wolle das Kapital in diesen 4 Firmen rund 2000 Arbeitsplätze abbauen! Besonders übel: Beim hochspezialisierten Maschinenbauer Coperion wie auch beim Quasi -Monopolisten für Blechdruck KBA gilt offenbar die Devise: Die Gegner von tollen Profiten sind noch tollere Profite. Sie machen echt Profit, aber wenn man Leute rausschmeißt, kann man ja noch mehr Profit machen. Bei Coperion, im Besitz eines amerikanischen Konzerns („Dort herrschen Trump-Manieren“ – so eine Redner) sollen 95 der rund 880 Atbeitplätze weg – fast jeder neunte! Redner, hörbar ohne Kundgebungsroutine, enthüllten drastisch den massiven Druck auf Betriebsrate, Arbeitnehmervertreter, den Psychoterror und die offenen Verleumdungen, die in eigens einberufenen Abteilungsbesprechungen vom Management verbreitet werden. Eine als Sachkundige an den Verhandlungen beteiligte Mitarbeiterin aus einem kaufmännischen Bereich sprach mutig und mit Namensnennung(!!) am Kundgebungsmikro aus: Was das Management da verbreite, sei schlicht die Unwahrheit. Da herrscht kein Verhandlungs-Sprech mehr – hier geht es um Existenzen! Ein Kollege hat seine kleine Tochter dabei. Ihr selbst gemaltes Plakat: „Papa soll den Job behalten!“ Da geht auch Angst um!

Ähnlich die üble Lage beim benachbarten KBA-Metal-Print: Obwohl Auftragslage und Gewinne des Spezialherstellers für Blechdruckverfahren mit seiner hochqualifizierten Belegschaft sehr gut sind, soll die Fertigung geschlosen bzw. verlagert werden, aber die Kollegen sollen raus! Bei dieser Firma zum sounsovielten mal! Aber die Truppe ist kampferfahren und verkündet auf der gemeinsamen Kundgebung „Wer mit uns nicht rechnet, hat sich verrechnet!“ Eine Mahle-Betriebsrätin und ein Bosch-Kollege zeigten in Ihren Reden, dass sich hier eine gemeinsame eingespielte Kapitaltaktik in all diesen Betrieben zeigte.

Kein Durchkommen in der Wernerstraße. Kollegen von KBA Metal-Print.

Trotz alledem zeigte diese Kundgebung Kampfbetreitschaft in der Tarifrunde. Wer fette Gewinne einschiebt und dann den „lieben Mitarbeiter/innen“ vorjammert, es ginge ja so schlecht, kann keine Zustimmung finden. Trotzdem unterschied sich die Stimmung erheblich von der Daimler-Kundgebung: Wut, Empörung, aber auch Angst um die Zukunft konnte man direkt fühlen. Umso größer der Respekt vor der mutigen Aktion! Das spürte auch der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von Daimler Untertürkheim, Roland Schäfer, der eine Soli-Botschaft überbrachte. Er konnte seine Empörung über die Lage an der Feuerbacher Wernerstraße kaum zügeln, wurde laut, rief zur Solidarität und zum Widerstand auf. Diesen Worten und diesen straken Gefühlen müssen er und seine Kolleg/innen allerdings noch Taten folgen lassen, nicht zuletzt bei Daimler.