Der 19. Februar in Hanau und anderen Städten

Am ersten Jahrestag des rechten Anschlages in Hanau wurde in über 85 Städten in Deutschland der Opfer gedacht und weiterhin Aufklärung gefordert. Seit einem Jahr fordern Hinterbliebene und Initiativen Konsequenzen und mit dem immer weiteren Auftauchen von Informationen, die an der Rolle des Staates zweifeln lassen, war dieser bei weitem kein reiner Gedenktag.

Aktualisiert am 4.3.21


Das sind die „Konsequenzen“, die der deutsche Staat aus dem rechten Terror zieht: Über 50% mehr Waffenscheine für Rechtsextreme in zwei Jahren!

Die vielen Informationen über die groben Fehler der Polizei und der Behörden rund um den Anschlag wurden größtenteils durch Nachforschungen von Journalisten oder Initiativen aufgedeckt. Von lückenloser Aufklärung kann hier keine Rede sein.

Die Angehörigen der Ermordeten haben zum Jahrestag ein Schreiben „Kette des Versagens“ veröffentlicht, indem sie die zahlreichen Ungereimtheiten, das Versagen des Staates, den Rassismus ihnen gegenüber und die zahllosen offenen Fragen zur Sprache bringen. Hier gibt es das Schreiben als Dowmload: Kette-des-Versagens-17-02-2021

Hanau


Demonstrationszug in Hanau; Foto AZ

In Hanau selbst wurde aufgrund der Pandemie keine Großdemo mit Anreisen geplant, es gab ein staatliches Gedenken am Abend und eine Gedenkfeier zur Tatzeit, die von der Initiative 19. Februar getragen wurde. Der laute Protest ging in diesem Jahr von der Jugend aus. Ein breites Bündnis rief für 15:00 am Hanauer Marktplatz auf, darunter die DIDF-Jugend, der Internationale Jugendverein Hanau, die DGB-Jugend, Fridays For Future und die Bildungsinitiative Ferhat Unvar. Schon am Morgen herrschte eine bestimmte Anspannung in der Stadt – auch bei der Kundgebung spürte man, dass die Menschen mitgenommen waren und viel Wert darauf legten, respektvoll zu gedenken. Die Redebeiträge waren vielfältig und etwa 2.000 Teilnehmer hörten sowohl Angehörigen und Überlebenden als auch den Jugendorganisationen, Schulen und Initiativen aus Hanau zu – die Inhalte waren vielfältig und handelten von Erfahrungen mit Rassismus, von staatlicher Verwicklung in den Anschlag, von politischen Forderungen nach Aufklärung und Konsequenzen. Nach einer langen Startkundgebung ging es um ungefähr 16:30 Uhr los und der Demozug, der größtenteils von Jugendlichen geprägt war, viele selbst aus Kesselstadt, dem Stadtteil, in dem der Anschlag stattfand, zog lautstark los zum ersten Tatort. Nach einer Schweigeminute vor Ort ging es einmal durch Hanau zurück zum Marktplatz – laute Rufe wie „So viele Einzelfälle!“, „Hanau war kein Einzelfall, Widerstand überall!“ und „Nazis morden, der Staat schaut zu – Verfassungsschutz und NSU!“ ertönten. Auch die Namen der Ermordeten wurden laut gerufen – Ferhat, Said Nessar, Vili-Viorel, Mercedes, Sedat, Fatih, Hamza, Gökhan, Kaloyan!


Gedenken für die Opfer des rechten Terrors in Hanau; Foto AZ

Der Demozug traf wieder am Marktplatz ein und es wurde noch Musik gespielt. Der scheinbare Widerspruch zwischen respektvollem Gedenken und lautem Protest wurde an diesem Tag in Hanau nicht zum Problem und die Hanauer Jugend zeigte lautstark, dass Erinnern immer auch Kämpfen heißen muss!

Stuttgart

Ein Bündnis aus DIDF-Jugend, DGB-Jugend, Fridays for future und weiteren, darunter auch die Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands/ Arbeit Zukunft, hatte am 19.2. um 16 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Schlossplatz aufgerufen. Über 300 kamen und immer wieder blieben Passanten stehen, um zuzuhören, mitzutrauern, ihre Solidarität zu zeigen. Fotos der Ermordeten waren zu sehen, Blumen lagen aus.


In einer eindrucksvollen Rede legte Mesut Bayraktar für die DIDF-Jugend dar, dass wir uns nicht in unterschiedliche Ethnien, Nationalitäten und sonstige Untergruppen aufspalten dürfen, sondern gemeinsam gegen Rassismus kämpfen müssen. Ein Aufteilung in verschiedene Gruppen sei letztendlich ein Sieg der Rassisten.

In weiteren Beiträgen wurde über die Vertuschung mit der „Einzeltäter-These“, über rechte Netzwerke in Behörden, die notwendige Zusammenarbeit im Kampf gegen Faschismus gesprochen. Dazwischen wurde ein bewegender Redebeitrag von Angehörigen der Ermordeten abgespielt und ein Gedicht von Semra Ertan vorgetragen.



Zum Schluß sprach ein Genosse der Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands/ Arbeit Zukunft über seine fast 60 Jahre Erfahrung im antifaschistischen Kampf. Obwohl die Politiker sich jedes Mal „tief betroffen“ zeigten, „ihr Mitgefühl“ betonten, „vollständige Aufklärung“ versprächen, sei nicht etwa Faschismus und Reaktion wirksam bekämpft worden. Es gebe viele Verbindungen zum Staatsapparat, rechte Netzwerke und Strukturen. Durch die gesamte Geschichte der BRD ziehe sich eine Blutspur rechter Morde und Attentate. Die rechte Gefahr sei nicht kleiner, sondern größer geworden.

Die Rede der DIDF-Jugend und von unserer Organisation könnt ihr hier downloaden: 19-2-21-rede-didf-jugend / Rechte Gewalt und Kontinuität
Hier gibt es Ausschnitte aus den Reden als Video: https://www.youtube.com/watch?v=Th378fN0fnQ&feature=youtu.be

Frankfurt: „Wo wart ihr in Hanau?“


Auftaktveranstaltung unter der Friedensbrücke vor dem großen Mural, das von Frankfurter Sprayern dort im vergangenen Jahr gemalt wurde; eigenes Foto

Bereits am Donnerstagabend sind über 3.000 Menschen mit dem Ruf „Wo, wo, wo wart ihr in Hanau“ durch die Frankfurter Innenstand gezogen. Am Abend des 19. Februar schließlich versammelte sich wieder eine ähnlich mächtige Menge unter der Frankfurter Friedensbrücke vor dem großflächigen Wandgemälde der Ermordeten zum gemeinsamen Gedenken. Im Anschluss an die Eröffnungskundgebung zog die Menge in einem Demonstrationszug zur Frankfurter Hauptwache.


Eine Solidaritätsbekundung der Belegschaft des Frankfurter Schauspielhauses, eigenes Foto

In allen Reden wurde die Verantwortung der Politik in Stadt, Land und Staat deutlich gemacht. Besonders die Angehörigen der Opfer vermissen eine Auseinandersetzung der Politik mit ihrer Verantwortung für diese Mordtat und nicht zuletzt politische, persönliche und personelle Konsequenzen in der hessischen Landespolitik.

Es wurde betont, wie wichtig diese Kundgebungen und Demonstrationen gerade für die Angehörigen sind, weil sie sie in ihren Forderungen nach lückenloser Aufklärung und politischen Konsequenzen unterstützen.

Die Rednerin von VVN/BdA brachte zudem zum Ausdruck, dass der faschistische Terror der Gegenwart ein Produkt der Schaffung der Bundesrepublik ist, an deren Gründung Nazis auf allen Ebenen beteiligt waren. Es wurde an Fritz Bauers Worte erinnert, er befände sich nach Verlassen seines Büros in Feindesland.

In allen Reden wurde dem Hass die Solidarität entgegengesetzt.


Eine kleine, dezentrale Veranstaltung im Frankfurter Stadtteil Rödelheim, eigenes Foto

Am Freitag fanden auch kleine, dezentrale Gedenkveranstaltungen in den Frankfurter Stadtteilen statt, um die Nachricht der Hinterbliebenen weiter zu streuen. Die Pandemie mag hier den politisch Aktiven neue Formen der Agitation nahegelegt haben, da auch ein große Demonstration in den heute nahezu menschenleeren Innenstädten nur geringe Resonanz erzeugt.

Hamburg

Der Internationale Jugendverein mit seinem Transparent – aktiv gegen den Naziterror!

Krefeld

Ulm

München

Marburg

In Marburg wurde ein Denkmal für die Opfer von Hanau enthüllt.

Mannheim

Köln

Geislingen

Cottbus

Berlin