Bayern und das Gendern

Screenshot von der Facebookseite der Bayernpartei. Hervorhebung von uns.

Viel wird zur Zeit diskutiert über das Gendern im Deutschen. Besonders eifrig kämpft für die vermeintliche Reinheit der deutschen Sprache ausgerechnet – die Bayernpartei.¹

Das Verbot des Genderns an allen staatlichen Einrichtungen, also z.B. Schulen, Hochschulen und Behörden, fordert sie – eine Sprachpolizei also. Es soll vorgeschrieben und mit staatlicher Gewalt durchgesetzt werden, wie in der Öffentlichkeit gesprochen bzw. geschrieben werden darf.

Nun ist die Angst vor eben so einer Sprachpolizei eines der häufigsten Argumente gegen das Gendern. Die AfD beispielsweise verkündet gerne Horrornachrichten von Genderzwang in schriftlichen Arbeiten an Universitäten – so weit sei es schon mit Deutschland gekommen.

Weswegen aber überhaupt gendern? Gender, das ist ein englischer Ausdruck, der sich nicht ganz ins Deutsche übersetzen lässt. Denn er beschreibt explizit das „innere“ Geschlecht, also die psychologische, neurologische und/oder soziale Geschlechtsidentität, die außerhalb von Arztbesuchen in der Regel ausschlaggebend ist – im Gegensatz zum „biologischen Geschlecht“, das man ja im Alltag kaum prüfen kann.

Gendern bedeutet (im Sinne dieses Artikels – Meinungen gibt es dazu wie Sand am Meer), dass man Wörter, die Personen bezeichnen, auf eine Weise verwendet, die das Geschlecht dieser Personen möglichst außer Acht lässt. Aus „Kollegen“, grammatikalisch eindeutig männlich, wird also z.B. „Kolleg*innen“ – oder, ganz klassisch, „Kolleginnen und Kollegen“. Damit ist klargestellt, dass es sich bei der angesprochenen Gruppe nicht nur um Männer handelt.

„Das war mir doch klar“, mag sich jetzt manche*r denken – aber das ist eine Täuschung. Studien belegen handfest: das grammatikalische Geschlecht wird vom Gehirn in der Regel genau so verarbeitet, wie es gelesen wird. Bei dem Wort „Bürgermeister“ z.B. denken die meisten Menschen unterbewusst eher an einen Mann. Statistisch bedeutet das tatsächlich: Frauen haben eine geringere Chance, eine Wahl „zum Bürgermeister“ zu gewinnen, als eine „zum/zur Bürgermeister*in“.

Außerdem haben Studien gezeigt, dass Frauen in Gesellschaften mit einer Sprache, die wie das Deutsche ein „generisches Maskulinum“ verwendet – also die männliche Form verwendet, statt zu gendern – durchschnittlich schlimmer benachteiligt sind als in Gesellschaften mit Sprachen, die grammatikalisch anders funktionieren.²

Warum also der ganze Widerstand? Eine sehr große Umstellung ist es ja nun eigentlich nicht, ein paar Endungen zu verändern. Möglichkeiten gibt es ja auch genug – z.B. Gendersternchen, Doppelpunkt, Binnen-I oder kurzer Begleithinweis.

Verschiedene Gesellschaften zum „Schutz“ der deutschen Sprache – dieselbe Art von Leuten übrigens, liebe Bayernpartei, die an bayrischen Schulen das Bayrisch reden verbieten, damit die Kinder „anständiges Deutsch“ lernen – argumentieren, all das würde den Lesefluss so sehr behindern, dass es manchen Leser*innen nicht mehr zuzumuten sei. Studien gibt es dazu übrigens keine.

Diese Vereine, die die Sprache unbedingt in einer bestimmten Form erhalten wollen, obwohl sich Sprache immer im lebendigen Fluss befindet, sich ständig ändert, diese linguistischen Quacksalber also, sorgen sich, dass die Menschen in Deutschland schlichtweg zu dumm seien, um an einem Stern, Großbuchstaben oder einem neben dem Text stehenden Hinweis vorbei zu lesen.

Das ist offensichtlich Unsinn.

Aber zurück zur befürchteten Sprachpolizei.

Es stimmt, dass Universitäten und Hochschulen für wissenschaftliche Arbeiten bestimmte Vorschriften haben, was exakte Sprache angeht. Das Gendern gehört bei einigen zu diesen Vorschriften, die Gründe wurden hier ja schon erörtert.

Aber ist das schon eine Sprachpolizei?

Das Schlimmste, was einem Menschen blüht, der gegenüber Andersgesinnten nicht gendert – oder „Zigeunerschnitzel“, das N-Wort oder ähnliches sagt – ist soziale Ablehnung. Wie in jeder anderen Situation auch, wenn man vorsätzlich etwas Beleidigendes oder grob Unpassendes sagt. Das ist kein Grund, den Untergang Deutschlands zu wittern oder sich gar mit den Juden im Holocaust zu vergleichen.

Nebenbei bemerkt, eine Polizei gibt es in Deutschland wirklich. Und von der gibt es keine bösen Worte, wenn man nicht gendert, sondern Schlagstöcke und Reizgas, wenn man für faire Löhne, Frieden oder bezahlbare Mieten eintritt.

Wäre es nicht sinnvoller, sich damit zu beschäftigen?

Den meisten scharfen Gegnern des Genderns ist durchaus klar, dass es keine „linksgrüne Verschwörung“ zur Zersetzung der deutschen Sprache gibt. Ihr Ziel ist, die Arbeiter*innen von den wichtigen Themen abzulenken und sie gegeneinander aufzuhetzen. Das Schreckgespenst des von ihnen erfundenen „linksgrün versifften Mainstreams“³ benutzen sie, um den berechtigten Zorn der Menschen von den Regierenden abzulenken.

¹ Die Bayernpartei war eine früher recht starke Kraft in Bayern, die sich für die bayerische Unabhängigkeit einsetzte. Heute ist sie inhaltlich kaum noch von CSU, AfD, Freien Wählern usw. unterscheidbar und dementsprechend weitestgehend in der Bedeutungslosigkeit versunken.

² Das ist freilich sehr kritisch zu sehen; das Patriarchat entsteht durch die Klassengesellschaft, und die Sprache wird von dieser nur beeinflusst, sie ist nicht das Ausschlaggebende.

³ Es gibt tatsächlich von Seiten der Regierung und linksliberaler studentischer Gruppierungen Bestrebungen, Inklusivität vor allem in der Sprache zu fördern; das ist aber reine Symbolpolitik, die junge linksgerichtete Menschen ablenken und beschäftigen soll. Faktisch leisten sie also den Rechten damit Schützenhilfe, die diese – im realen Alltag ziemlich unwichtigen – Fragen damit zu einer großen öffentlichen Debatte aufblasen können.