Bergkarabach: „Kollateralschaden“ imperialistischer Weltpolitik?

Am 19. September überfiel die aserbaidschanische Armee die Republik Arzach (auch bekannt als Republik Bergkarabach). Eine Region, die völkerrechtlich gesehen zu Aserbaidschan gehört, jedoch mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird. Nach verschiedenen Angaben wurden dabei bis zu 200 Menschen getötet. Bereits am nächsten Tag wurde ein Waffenstillstand vereinbart, auch aufgrund der hoffnungslosen militärischen Unterlegenheit der Streitkräfte der Republik Arzach. Der Konflikt um die Region Bergkarabach scheint damit sein trauriges Ende gefunden zu haben – und ist zugleich ein Beispiel dafür, wie die Völker im Kampf zwischen imperialistischen und regionalen Mächten aufgerieben werden.

Zum Hintergrund: Während die Region Bergkarabach historisch gesehen schon seit Jahrhunderten von Armeniern, aber auch Aserbaidschanern bewohnt wird, kam es dazu, dass nationalistische Kräfte in Armenien und Aserbaidschan den Konflikt um die Region anheizten. Gegen Ende und nach dem Zerfall der Sowjetunion, in der die beiden Völker der Armenier und Aserbaidschaner friedlich zusammenlebten, nutzen reaktionäre Kräfte auf beiden Seiten die Gelegenheit nicht nur dafür, sich das ehemalige Volkseigentum unter den Nagel zu reißen, sondern auch die nationalistischen Gefühle und historischen Traumata zu instrumentalisieren, um die Bevölkerung hinter ihrem Programm zu vereinigen. Nachdem Armenien und Aserbaidschan ihre Unabhängigkeit erklärt hatten, erklärte 1991 auch die Republik Bergkarabach ihre Unabhängigkeit, die durch einen Krieg mit Aserbaidschan bis 1994 auch faktisch durchgesetzt und durch ein Waffenstillstandsabkommen stabilisiert werden konnte.

In diesen Konflikten starben Zehntausende und über eine Million Menschen, Armenier und Aserbaidschaner, wurden vertrieben. Es waren insbesondere die aserbaidschanischen Diktatoren der Alijev-Familie, die über zwei Jahrzehnte die nationalistischen Rachegefühle aufrechterhalten haben und nun die Zeit gekommen sahen. Während Aserbaidschan bereits in den letzten Jahren von sozialen Protesten erschüttert wurde und die Armut in dem Land zunimmt, nutzte die aserbaidschanische Regierung schon 2020 die Gelegenheit, diese Proteste zu unterdrücken und einen Angriff auf die Republik Arzach zu beginnen, bei der sie die Region Bergkarabach von Armenien isolierte und die Bevölkerung unter eine Blockade stellte. Ziel ist die Integration der Region in das aserbaidschanische Machtgefüge und möglicherweise die Berechnung, durch diesen Vorstoß eine reale Option darauf zu gewinnen in folgenden militärischen Initiativen eine Landbrücke zur aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan einzurichten. Die armenische Regierung hingegen versucht ihre Position zu schützen und dies zu verhindern.

Mit dem Krieg in der Ukraine wendeten sich die Karten nun aber endgültig zugunsten der Alijev-Dikatur – eines der korruptesten Regime in der ganzen Region. Während die Kräfte der ehemaligen „Schutzmacht“ Armeniens Russland durch den Überfall auf die Ukraine gebunden sind und diese ihre mangelnden Kapazitäten versucht durch angebliche Vermittlung zu kaschieren, wurde die aserbaidschansiche Armee durch Waffenlieferungen aus der Türkei und Israel hochgerüstet – insbesondere mit türkischen „Bayraktar“-Drohnen, die auch bei den Angriffen im September eine große Rolle spielten. Auch weil die russische Regierung ihr Verhältnis zum türkischen Erdogan-Regime, die den panturkischen Rassismus und die Hetze gegen das armenische Volk mit der Alijev-Diktatur teilt, nicht belasten wollte, konnte die aserbaidschanische Armee ihren Angriff in diesem Vakuum durchführen. Die iranische Regierung, die verhindern möchte, dass die aserbaidschanische Regierung sich zunehmend als „Schutzmacht“ der immerhin mehrere Millionen umfassenden aserbaidschanischen Minderheit im Iran aufstellt und deshalb mit einer Intervention bei Betreten von armenischen Staatsgebiet gedroht hatte, war wohl zugleich das Ziel der israelischen Regierung bei ihren Waffenlieferungen an Aserbaidschan.

Bundeskanzler Olaf Scholz teilte dem armenischen Regierungschef Paschinjan in einem Gespräch mit, dass man Armenien mit humanitären Hilfsleistungen unterstützen werde und forderte die aserbaidschanische Regierung dazu auf, die Rechte der Armenier in Bergkarabach zu schützen. Dies ist allerdings nur bedingt glaubwürdig, wenn man bedenkt, dass es die deutsche Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen (CDU) gewesen ist, die noch im letzten Jahr ein großes Gasabkommen mit dem autoritär und korrupt regierten Aserbaidschan vereinbart hat, um die wegfallenden Importe aus dem autoritär und korrupt regierten Russland möglichst auszugleichen und damit die Alijev-Diktatur mitfinanzierte.

Der Angriff auf die Republik Arzach ist ein trauriges Beispiel dafür, wie im Schatten der dre-ckigen Geschäfte und imperialistischen Bestrebungen einiger Großmächte die Völker in Kriege getrieben werden, bei denen sie nichts zu gewinnen haben und gegeneinander aufge-hetzt werden. Die Zukunft der armenischen Bevölkerung in der Region Bergkarabach ist un-gewiss – schon jetzt häufen sich die Meldungen von Misshandlungen gegen die Bevölkerung. Der Krieg um die Region Bergkarabach ist der schlagende Beweis dafür, dass die Völker die-ser Erde nichts von den imperialistischen Mächten und den nationalistischen Lügen ihrer Regierung zu erwarten haben. Dagegen gilt es, das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu verteidigen und die internationale Solidarität im Kampf gegen Krieg und Imperialismus zu stärken!