Warum wir Arbeiter Antifaschisten sein müssen

Foto: Antifaschistische Demonstration in Berlin-Neukölln, Hermannstrasse Ecke Warthestrasse. Aufgenommen Sommer 1945; Bundesarchiv, wikipedia, gemeinfrei

Das Vertrauen in die Bundesregierung ist auf dem Tiefstand: Die Parteien der Ampelkoalition kommen laut Umfragen auf gerade einmal 30%, rechnet man die Nichtwähler dazu, ist es nicht einmal jeder vierte Mensch in Deutschland, der hinter der Politik der Bundesregierung steht. Gleichzeitig steigt die Zustimmung für die AfD und die CDU, die sich in den letzten Monaten insbesondere über Hetze, Spaltung und Rassismus profiliert haben und laut Umfragen zusammen über 50% Zustimmung erhalten. Das Vertrauen in die etablierten Parteien ist auf einem historischen Tiefstand. Die sinkenden Reallöhne und steigenden Lebenshaltungskosten, sowie die sich zuspitzende internationale Konkurrenz und Kriegsgefahr sind reale Ängste innerhalb der Arbeiterklasse, die einer Antwort bedürfen. Doch diese Antwort kann für die Arbeiterklasse keine von rechts sein.

Denn die Ursachen sind ganz klar: insbesondere seit der Pandemie und auch mit dem Krieg in der Ukraine waren es die großen Konzerne, von Pharmaindustrie und Lebensmittelhandel, über die Energie- bis hin zur Waffenindustrie, die ihre Umsätze um Milliarden und Milliarden steigern konnten. Die Bundesregierungen, ob unter Merkel oder Scholz, haben die Weichen dafür gestellt und dem Kapital ihren Dienst erwiesen. Die Rechnung haben wir gezahlt und zahlen sie auch weiterhin: entweder durch unsere Steuergelder, die im Rahmen von Kurzarbeitergeld und Preisbremsen in die Taschen der Konzerne gespült worden sind oder durch jeden Euro, den wir bei der Stromrechnung oder beim Einkauf mehr bezahlen müssen. Die Zahl der Millionäre und Milliardäre und ihr Vermögen steigt, während immer mehr Familien in Armut und Perspektivlosigkeit leben müssen. Die Unzufriedenheit mit den aktuellen Zuständen steigt und deshalb versuchen die Herrschenden, alles dafür zu tun, dass es für sie genau so weitergehen kann. Rassismus und Faschismus sind ein Instrument der Herrschenden, um ihre Macht abzusichern.

Rassismus ist Gift für die Arbeiterklasse

Die Chefs und Konzerneigentümer sehen es gerne, wenn diejenigen, die sie ausbeuten und auspressen, sich untereinander bekämpfen. Es ist deshalb kein Zufall, dass die aktuellen Angriffe auf unsere Arbeits- und Lebensbedingungen begleitet werden durch eine rassistische Hetzkampagne in der etablierten Politik und den Medien. Das ständige Gerede von einer angeblichen „Überflutung“ und „Missbrauch“ von Sozialleistungen durch Geflüchtete entspricht nicht nur nicht der Wahrheit, sondern dient insbesondere dem Zweck von den eigentlichen Ursachen für unsere Probleme abzulenken. Sie geht so weit, dass Politiker Obergrenzen für Migranten in Stadtteilen fordern, in die sie zuvor gedrängt worden sind, um sie von der Mehrheitsgesellschaft zu isolieren. Die Propaganda von der „Überfremdung“ soll einen Keil in die Arbeiterklasse treiben. Wir sollen nach unten treten, statt nach oben zu schauen.

Der zunehmende Rassismus erfüllt genau diese Funktion. Er soll von der einfachen Tatsache ablenken, dass wir Arbeiter, unabhängig von unserer Herkunft oder Sprache, ein gemeinsames Schicksal teilen: dass wir nur durch den Verkauf unserer Arbeitskraft unser Leben bestreiten – mal besser, mal schlechter. Das gilt für 9 von 10 Menschen in Deutschland. Und das gilt auch für die Millionen von Gastarbeitern, die nach Deutschland gekommen sind und nun auch für die Geflüchteten, die ihr Land aufgrund von Krieg, Zerstörung und Armut verlassen mussten und ihr Glück hier versuchen. Es ist auch diese einfache Tatsache, die uns von den Chefs und Konzerneigentümern unterscheidet: Sie leben von und bereichern sich an unserer Arbeitskraft, unabhängig von Herkunft oder Sprache. Der Konflikt in unserer Gesellschaft verläuft nicht zwischen der ethnischen Zugehörigkeit, sondern zwischen oben und unten. Denn jeder Euro, der aus unserer Tasche wandert, fließt in ihre Kasse.

Doch ist dies keine Position der Schwäche. Es sind die Arbeiter, die dieses Land aufgebaut haben und es am Laufen halten. Und es sind die Arbeiter, die deshalb die Macht haben ihr Schicksal selbst zu bestimmen und ein menschenwürdiges Leben für sich und ihre Familie durchzusetzen. Gespalten und auf Kosten eines jeweils anderen Teils der Arbeiterklasse kann diese Macht jedoch nie wirksam werden. Wollen wir den Angriffen auf unsere Arbeits- und Lebensbedingungen etwas entgegenhalten, dann geht das nur, wenn wir als Arbeiterklasse vereint sind und unsere Macht ausspielen. Mit nur einem Teil der Arbeiter, gegen einen anderen Teil der Arbeiter, bleiben wir dabei schwach. Wenn zum Beispiel Friedrich Merz davon spricht, dass Geflüchtete sich hier auf Kosten der Sozialkassen Luxusbehandlungen erlauben würden, dann ist das nicht einfach nur eine rassistische Lüge, denn Geflüchtete haben lediglich Anspruch auf die gleiche oder niedrigere medizinische Versorgung wie jeder deutsche Kassenpatient. Es ist auch ein dreistes Ablenkungsmanöver. Denn für die Zerstörung unserer Sozialkassen sollen die Arbeiter nicht die Kürzungspolitik und den Sozialabbau dieser und der vorherigen Regierungen verantwortlich machen, sondern lieber die Geflüchteten. Der Pöbel soll sich um die Krümel streiten die vom Tisch fallen, an dem Privatversicherte wie Herr Merz genüsslich speisen.

Der Rassismus soll uns wie ein Gift schwächen, um nicht unsere gemeinsamen Interessen zu erkennen und uns sogar gegeneinander auszuspielen. Bloß um nicht nach oben zu schauen und zu erkennen, wer uns, unabhängig von Herkunft oder Sprache, ausbeutet und davon profitiert. Der Kampf gegen Rassismus und Faschismus ist deshalb das natürlichste Interesse der Arbeiterklasse, weil sie sonst eben jener Macht beraubt wird.

Es gibt kein „nationales“ Interesse für uns

Sogar aus den Reihen der Gewerkschaftsführung wird uns erzählt, dass die Arbeiter in Deutschland ein gesondertes Interesse gegenüber den Arbeitern in anderen Ländern hätten. Wir sollen die deutsche Wirtschaft und den „Standort Deutschland“ gemeinsam schützen. Oft bedeutet das, Lohnsenkungen und Angriffe auf unsere Arbeitsbedingungen hinzunehmen, denn schließlich würden wir in Konkurrenz mit den Arbeitern anderer Ländern stehen. Die Folgen der Agenda 2010 sind ein Ergebnis dieser Politik gewesen. Das ist nur ein Beispiel dafür, was passiert, wenn wir Arbeiter uns nicht nur im eigenen Lande, sondern auch auf internationaler Ebene spalten und gegeneinander ausspielen lassen. Durch das Gegeneinander und nach unten Treten war und ist nichts zu gewinnen. Das beobachten wir in den letzten Jahren immer wieder. Egal wie viele Kompromisse wir eingehen, welche Einbußen und Abstriche wir hinnehmen um die Produktionskosten in anderen Ländern zu unterbieten: Dadurch gewinnen wir nichts. Diese Erfahrung mussten wie viele andere auch die Kollegen von ZF in Saarbrücken machen. Während man sie vor etwa einem Jahr noch zu dem „Kompromiss“ genötigt hat, pro Tarifrunde 2-4% ihres Einkommens in einen so genannten „Zukunftsfonds“ zu investieren und somit mit 25-30 Millionen Euro pro Jahr zur „Standortsicherung“ beizutragen, so werden heute wieder Diskussionen über Arbeitsplatzabbau und Produktionsverlagerung geführt. Wenn deshalb davon die Rede ist, dass wir uns hinter die Ziele der deutschen Wirtschaft zu stellen haben, dann ist nichts anderes gemeint als die Interessen der Chefs und Konzerneigentümer zu verteidigen – auf unsere eigenen Kosten.

Die Faschisten, die sich heute auf der Welle des gesellschaftlichen Rechtsrucks und insbesondere über die Plattform der AfD organisieren, verfolgen genau dieses Ziel. Ihr Erzählung von einer starken Nation und einem geeinten deutschen Volk soll den Klassenwiderspruch von uns Arbeitern mit den Chefs und Konzerneigentümern verwischen. Der Versuch, alle Interessen hinter einer angeblichen Volksgemeinschaft zu vereinigen ist nichts anderes als die konsequente Weiterführung der Standortlogik: „Nationale“ Interessen nicht nur durch wirtschaftliche Reformen, sondern auch durch Unterdrückung und Krieg mit Gewalt durchzusetzen. Dieser Zustand will die Ausbeutung verewigen und die Unterdrückung anderer Völker mit Gewalt durchsetzen. Die Gegnerschaft gegen Faschismus und Krieg ist deshalb ureigenstes Interesse der Arbeiterklasse – in Solidarität mit den Völkern, den Arbeitern und Werktätigen aller Länder!

Gemeinsam kämpfen ist die einzige Option

Wie der Kampf auszusehen hat, davon geben uns die aktuellen Auseinandersetzungen eine Idee. Bei den laufenden Tarifkämpfen wie z.B. im Tarifvertrag der Länder (TV-L) sehen wir, was Zusammenhalt und Solidarität bedeuten kann. Arbeiter verschiedenster Herkunft stehen auf den Demonstrationen zusammen und kämpfen durch Streiks für ihre gemeinsamen Interessen. Ohne diesen Zusammenhalt und die Einbeziehung aller Teile der Beschäftigten ist der Streik machtlos. Rassismus und jegliche Versuche der Spaltung und Ausgrenzung würden nur dazu führen, dass die Arbeitgeber dazu in der Lage wären, den Streik abzuwürgen und ihre eigenen Ziele durchzusetzen. Jeder praktische Kampf für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, um den herum sich die Arbeiter vereinigen können, ist ein Schutzwall gegen Rassismus und Faschismus. Und umgekehrt: Jede erfolgreiche Spaltung und Ausgrenzung eines Teils der Arbeiterklasse schwächt uns in unserem Kampf für eine lebenswerte Zukunft. Deshalb müssen wir Arbeiter uns gegen Rassismus uns Faschismus und für Solidarität und Völkerfreundschaft einsetzen.