Zu den Sparbeschlüssen der Bundesregierung: Widerstand organisieren!

Karikatur: Dhimiter Ligori, 1980, „Auf wem lasten die Schulden?“

Nun ist die Katze aus dem Sack! Vor einem Monat schrieben wir: „Die Haushaltslücke wird mit brutalen Angriffen auf die Arbeiterklasse und das Volk geschlossen werden! Kürzungen im Sozialbereich sind schon jetzt das Hauptthema! Bürgergeld, Kindergeld, Bildung, Gesundheit, Wohnungsbau – da will man sparen. Bei sinkenden Reallöhnen werden also vor allem die arbeitenden Menschen zur Kasse gebeten.“ Dazu kommen Beschlüsse, die schon zuvor gefällt wurden, die das Leben verteuern. Die Sparliste ist lang und geht vor allem zu Lasten der Arbeitenden.

Wo wird gekürzt?
600 Millionen Euro jährlich weniger staatliche Zuzahlung für die Rente! Das wird zwangsläufig zu einem Absenken des Rentenniveaus führen, auch wenn darüber jetzt noch geschwiegen wird. Heizen wird teurer! Das werden für eine vierköpfige Familie zwischen 80 und 100 Euro mehr pro Jahr. Strom wird teurer! Auch hier sind für eine vierköpfige Familie rund 100 Euro Mehrkosten pro Jahr zu erwarten. Tanken wird teurer! Durch die Anhebung des CO2-Preises wird Kraftstoff zwischen 4 bis 5 Cent pro Liter teurer. Inflation geht weiter! Die Erhöhungen der Energiepreise durch die vorgezogene Anhebung der CO2-Steuer werden natürlich auch auf Transport, Produktion und schließlich Einzelhandelspreise durchschlagen. Das befeuert die Inflation. Bauern werden durch den Wegfall des verbilligten Diesel und KFZ-Steuer extrem belastet. Die gestiegenen Kosten werden durchschnittlich rund 7000 Euro pro Jahr betragen. (siehe dazu unseren Bericht zur Lage der Bauern) Die Mehrkosten für die Bauern werden auf die Preise für Nahrungsmittel durchschlagen und damit die Inflation weiter befeuern. Kürzungen beim Elterngeld, indem die Einkommensgrenze gesenkt und die Kombinationsmöglichkeiten der Eltern eingeschränkt werden. Bei allen Preiserhöhungen kassiert der Staat gleich doppelt. Denn zu der Entlastung der Staatskasse kommen gestiegene Einnahmen durch die Mehrwertsteuer. Das Bürgergeld wird – gerade neu eingeführt – bereits gekürzt! Staatliche Gelder für die Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Höhe von 5,2 Milliarden Euro in vier Jahren werden gestrichen. Ein Weiterbildungsbonus von 75 Euro monatlich entfällt. Damit sollten Arbeitslose Qualifizierungskurse besuchen können, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Sanktionsmöglichkeiten werden dagegen verschärft und damit weiter Geld weggestrichen. Bei Geflüchteten sollen diese durch mehr Druck und Sanktionen zur Arbeitsaufnahme gezwungen werden – auch für Niedrigstlöhne. Dafür werden die Ausgaben für die Beratung von Flüchtlingen, die ihnen helfen sollen, Arbeit zu finden, um 30% gestrichen. Zuschüsse an die Länder für den Bahnverkehr werden gestrichen. Damit wird es weitere Verschlechterungen im Bahnverkehr geben. Die Förderung für E-Autos wurde innerhalb weniger Tage eingestellt. Viele, die das schon eingeplant und ein E-Auto bestellt haben, stehen nun ohne Förderung da. Bei der Pflegeversicherung werden im Koalitionsvertrag zugesagte Staatszuschüsse für vom Staat der Pflegeversicherung auferlegte Leistungen nicht bezahlt. Das „Bündnis für gute Pflege“ schlägt Alarm: Die Bundesregierung nehme den Kollaps der Pflege in Kauf.
Diese Liste ist noch nicht vollständig. Kürzungen in vielen Bereichen, die jetzt noch nicht öffentlich gemacht wurden, werden dazukommen. So wurden bei einigen Ministerien Milliarden-Kürzungen vorgenommen, ohne dass offen gesagt wurde, welche Konsequenzen das hat.

Endlich Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer für das Kapital!
Dem gegenüber ist es eine empörende Tatsache, dass die Ampel-Bundesregierung weder die Steuern für die Reichen erhöht noch bei ihnen irgendetwas einsparen wird. Unverändert können Reiche riesige Kapitalerbschaften und -schenkungen zu minimalen Steuersätzen an ihre Nachkommen weiterreichen. Noch drastischer: Je größer vererbte Kapitalerbschaften sind, desto geringer die Erbschaftsteuersatz. Zudem wird unverändert keinerlei Vermögenssteuer erhoben. Würde eine progressive Erbschaftssteuer und endlich wieder die Vermögensteuer erhoben, würde dies schnell viele Mrd. Euro in die Staatskasse spülen. Die ganze Einigung der Ampel entpuppt sich erneut als Paket, dass nur arbeitende Menschen ausplündert und dafür die Vermögen und die Mega-Profite der Kapitalisten schont, sichert und schützt. Die Arbeitenden sollten sofort fordern: Reichensteuern einführen, insbesondere eine progressive Erbschaftssteuer und die Vermögenssteuer. Es ist höchste Zeit, dieses alles aufzudecken und den Widerstand dagegen zu organisieren.

Wo bleiben die Gewerkschaften?
Während die Bauern im Dezember sofort auf die Straßen gingen, Blockaden errichteten und große Traktordemonstrationen in vielen Städten organisierten, blieben die Gewerkschaftsführungen merkwürdig still. Selbstverständlich gab es ein paar laue Worte, wo „soziale Gerechtigkeit“ gefordert wurde, aber aufgeklärt, mobilisiert und organisiert wurde bisher nicht. Dabei haben die Bauern mit ihren Protesten bereits gezeigt, dass man etwas erreichen kann. Die Regierung ist zu ersten Manövern gezwungen. Die arbeitenden Menschen in Betrieben und Behörden sollten sich unverzüglich ein Beispiel an den Bauern nehmen! Wie viel stärker wäre der Protest, wenn Arbeiter und Bauern zusammen auftreten würden? Dazu kommt, dass die Beschlüsse der Bundesregierung vor allem die arbeitenden Menschen und ihre Familien treffen. Warum dann passiv sein, statt gemeinsam zu kämpfen? Offensichtlich sind viele Gewerkschaftsführer so eng mit dieser angeblichen „Fortschrittskoalition“, vor allem mit der SPD und teilweise mit den Grünen verbunden, dass sie mit ihrer Passivität diese Regierung stützen wollen. Zudem kommt, dass sie auch bei Tarifverhandlungen immer darauf achten, dass Ergebnisse in einem Rahmen bleiben, der für das Kapital akzeptabel, also profitabel ist. Dass war bei den Tarifkämpfen 2023 gut zu sehen. Während die Kolleg/innen stark mobilisiert und kampfbereit waren, wurden am Ende Abschlüsse getätigt, die Reallohnsenkungen bringen, auch wenn sie mit Einmalzahlungen „versüßt“ – besser vergiftet – wurden. Sie sind eng mit dem Kapital verbunden und zu Co-Managern geworden. Daher protestieren sie in Worten, aber nicht in Taten.

Wie Widerstand organisieren?
Schon in den beiden zurückliegenden Jahren wurden die Reallöhne gesenkt. Die Inflation ging zu Lasten der Arbeiterklasse und aller arbeitenden Menschen. Da es dagegen leider nur wenig Widerstand gab, soll nun die dritte Schröpfkur folgen. Der noch geringe Widerstand steht allerdings im Widerspruch zu der steigenden Wut und Unzufriedenheit bei vielen Menschen. Das nutzen derzeit die rechten Kräfte wie die AfD aus. Zudem ist vielen noch nicht klar, wer ihr Gegner ist: das Kapital! Daher verfangen auch so Ablenkungsmanöver, wie die Hetzte gegen Flüchtlinge. Angesichts dieser Lage ist es nicht einfach, den Widerstand zu organisieren, aber es ist möglich.
Zuerst sollte der Widerstand in den Gewerkschaften aufgebaut und schrittweise organisiert werden. So kann man im Betrieb die Vertrauensleute und Betriebsräte auffordern, endlich etwas zu unternehmen. Am besten macht man das nicht allein, sondern geht mit möglichst vielen Kolleg/innen aus seiner Abteilung. Das muss gut vorbereitet werden, indem man mit den Kolleg/innen redet und sie überzeugt. Dann kann man mit Kolleg/innen deutlich die zuständigen Gewerkschaftssekretäre ansprechen und ihnen klar machen, dass Protest notwendig ist. Unterschriftensammlungen können helfen zu zeigen, wie viele Kolleg/innen dahinterstehen. Wenn genügend Kolleg/innen dazu bereit sind und ausreichend Überzeugungsarbeit geleistet wurde, kann es auch zu Spontanaktionen im Betrieb kommen – ähnlich wie bei den Bauern. Forderungen nach Lohnnachschlag werden mit zunehmender Schröpfung der Kolleg/innen populärer werden.
Über die Gewerkschaften hinaus, können auch örtlich oder regional Bündnisse gegen Reallohnraub und Sozialabbau angestrebt werden. Je breiter, desto besser. Verbraucherorganisationen, Initiativen, Stadtteilgruppen, politische Organisationen und viele mehr können einbezogen werden. Wichtig ist, dass diese Initiativen so breit wie möglich sind. Die Chancen für Widerstand entwickeln sich, denn die Wut steigt und ebenso die Not vieler. Daher kann das Jahr 2024 ein Jahr des Widerstandes werden.