Filmbesprechung: The zone of interest

Ein hochgelobter Film, der gerade mehrere Oscars erhielt, darunter den Oscar für den besten internationalen Film. Tatsächlich ist hier ein enormer Aufwand getrieben und hervorragend filmisch inszeniert worden. Der Film ist eindrucksvoll und hoch emotional.

Leider stehen jedoch Inszenierung und Inhalt in einem Widerspruch.

Geschildert wird das Leben des SS-Kommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß, und seiner Familie. Sie hatten sich eine prächtige Villa mit einem ebenso herrlichen Garten direkt an der Mauer des KZ Auschwitz errichten lassen und lebten dort ein scheinbar idyllisches Familienleben – das makellose Leben einer treudeutschen Familie. Im Film werden immer wieder Risse in der schönen Fassade angedeutet, aber eben nur angedeutet. Vieles bleibt verschwommen und wird nicht erklärt. So steht Frau Höß selbstverliebt vor dem Spiegel in einem bodenlangen, edlen Pelzmantel, dreht sich hin und her, bewundert sich. Kurz darauf sitzt sie mit Freundinnen am Kaffeetisch und macht sich über eine Freundin lustig, der sie gesagt hat der Mantel stamme aus Kanada. Die Freundin glaubte dann, sie habe ihn aus Kanada importiert. Frau Höß lacht darüber. Allerdings wird nicht erklärt, was „Kanada“ in Auschwitz bedeutete. Es war das Arbeitskommando, dass die Hinterlassenschaften der dort vergasten Menschen sortierte und für das NS-Regime aufarbeitete. Selbstverständlich war das eine Quelle der Korruption und Bereicherung für die SS-ler.

Kahlgeschorene Köpfe, zerrissene und verschmutzte Häftlingskleidung gibt es in dem Film nicht. Man hat den Eindruck, die Kleidung der Häftlinge kommt immer frisch gebügelt aus der Requisite. Es gibt auch keine Arbeitskommandos, die zur schweren Arbeit getrieben werden oder abends müde und kaputt wieder zurück kommen. Das konnte man ohne Probleme von der Villa aus sehen. Auch Hetzjagden auf Geflüchtete sieht man nicht. Dabei flogen täglich mehrere. Viele wurden wieder eingefangen, manche schafften es, fanden ein Versteck oder schlossen sich den Partisanen an.

Weitgehend ausgeblendet wird das Schicksal der Opfer. Schlimmer noch, es wird beschönigt, um die Idylle nicht zu zerstören. So wird angedeutet, wie Rudolf Höß eine KZ-Insassin sexuell missbraucht. Aber man sieht nur eine schön gekleidete Frau mit langen schwarzen Haaren, die sich fast erotisch vor dem Schreibtisch des Kommandanten präsentiert. Dann folgt eine Szene, wo sich Höß seinen Unterleib wäscht und die Hose wieder anzieht. Es wird auch kein Ekel gezeigt, sondern die Bilder sind „idyllisch“. Zudem war eine solche Aktion selbst für den Kommandanten gefährlich, denn sexuelle Kontakte zu Häftlingen waren verboten, wofür er im KZ landen konnte. Davon ist angesichts der „idyllischen“ Bilder nichts zu spüren.

Die Realität sah anders aus. Höß hat tatsächlich eine KZ-Insassin sexuell missbraucht.

Der jüdische Historiker Thomas Harding hat das Schicksal seines jüdischen Großonkels Hanns Alexander, der Höß nach dem Krieg jagte und vor Gericht brachte, wie auch das Leben von Höß in einer Biographie dargestellt, die bereits 2014 erschien. Er schildert, dass das in einer Gefängniszelle stattfand, also gar nicht so „idyllisch“. Das basiert auf der Aussage der Betroffenen und des früheren SS-Richters Konrad Morgen im Auschwitz-Prozess. Morgen untersuchte im Auftrag Himmlers die Korruption in den KZs. Als er Himmler bat, gegen Höß ein Verfahren wegen seiner sexuellen Kontakte zu eröffnen, verbot das Himmler und schützte Höß, der für ihn als Massenmörder wichtig war. Das alles verschwindet im hochgelobten Film hinter der Idylle.

Durch die Darstellung des Filmes wird alles individualisiert und abgetrennt vom System. Die Zuschauer werden dazu gebracht, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie ein Mensch sich unter solchen Bedingungen eine Idylle schaffen und darin fröhlich leben konnte. Die Frage nach dem dahinter stehenden System wird ausgeblendet. Nur in zarten Andeutungen wird das überhaupt erwähnt. So wird in einer Szene eher beiläufig berichtet, dass ringsum Auschwitz große Industriebetriebe angesiedelt waren. In einer anderen Szene beschwert sich bei einer Besprechung ein Industrieller, die SS solle ihm genügend Arbeitskräfte übrig lassen. Das alles wirkt so nebensächlich. Dabei war Auschwitz ein wichtiger ökonomischer Faktor für die SS und für das System. Es war Bestandteil der bestialischen Ausbeutung durch das Kapital. Das alles passt wohl nicht in die Inszenierung des Films. Die Zuschauer werden davon abgelenkt. Stattdessen sollen sie sich mit der Frage beschäftigen, wie der Mensch so eine Bestie sein kann. Es wird abgekoppelt von der Gesellschaft und den gesellschaftlichen Verhältnissen. Es wird abgekoppelt davon, dass entscheidende Teile des Kapitals Hitler bewusst an die Macht gebracht haben. Ihr Ziel: Vernichtung der revolutionären Arbeiterbewegung als größtes Hindernis für ihre Ausbeutung und damit verbunden ungeheure Verschärfung der Ausbeutung für die gesamte Arbeiterklasse. Der Rassismus, Hass und Spaltung der Arbeiterklasse waren ein wichtiger Teil dieses Programms, die Arbeiterklasse machtlos zu machen. Die KZs waren die Spitze des Eisbergs. Genau an dieser Spitze des Eisbergs, wo alle Widersprüche und Ungeheuerlichkeiten dieses Systems in extremer Weise sichtbar wurden, hätte man mehr aufdecken können als nur die individuelle Ignoranz und den Karrierismus des Rudolf Höß.