Stellungnahme der Kommunistischen Arbeiterpartei Tunesiens (PCOT) zu den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung

Die unabhängige höhere Wahlbehörde (ISIE) hat die vorläufigen Endergebnisse der Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung bekannt gegeben. Die Ennahdha-Bewegung kam an die erste Stelle, gefolgt vom Kongress für die Republik (CPR), dem Demokratischen Forum für Arbeit und Freiheit (FDTL) und der Volkspetition für Freiheit, Gerechtigkeit und Entwicklung… Die Kommunistische Arbeiterpartei errang nur drei Sitze in Sfax, Kairouan und Seliana.

Die PCOT hat unterstrichen, dass diese Wahlen, die ersten seit der Revolution, pluralistisch und offen für alle Parteien sowie alle ideologischen und politischen Strömungen waren. Nichtsdestotrotz heben wir die Unregelmäßigkeiten hervor, die diese Wahlen geschädigt haben. Wir wollen damit die Wahrheit ans Tageslicht bringen und weg von der hölzernen Sprache, die als Erbe der Ben Ali Ära die Wahrheit vor dem Volk verbirgt.

1. Gemäß den offiziellen Zahlen der ISIE gab es nur eine Wahlbeteiligung von 48,9%. Das bedeutet, dass die Mehrheit der Wahlberechtigten (3.867.197 von 7.569.824) ihre Stimme nicht abgegeben haben. Fragen nach den Ursachen dieser niedrigen Wahlbeteiligung müssen gestellt werden, insbesondere nach den politischen und sozialen Umständen unter denen diese Wahl stattfand.

2. Geld hat eine schmutzige und gefährliche Rolle bei diesen Wahlen gespielt, z. B. durch politische Werbung sowie Geschenke, soziale Dienstleistungen und wohltätigen Gaben an die Wähler. Diese Aktionen dauerten bis zum Wahltag und die ISIE schien demgegenüber machtlos zu sein.

3. Die Medien einschließlich der öffentlichen Medien, die immer noch unter der Kontrolle der Vertreter des früheren Regimes stehen, haben bestimmte Kräfte gegenüber anderen bevorzugt. Sie halfen der Öffentlichkeit nicht, die Eckpunkte der Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung zu verstehen. Stattdessen konzentrierten sie sich auf Randthemen und schufen Verwirrung um Glaubensfragen.

4. Die Religion wurde in den Moscheen und in der Öffentlichkeit heftig ausgenutzt. Beispielsweise wurden bei den meisten Freitagsgebeten am 21. Oktober, zwei Tage vor den Wahlen, die Menschen indirekt aufgefordert, für bestimmte Parteien zu stimmen, die in Anspruch nehmen, die Religion zu repräsentieren und das ihre Anhänger beten. Das war gegen andere Parteien gerichtet und erinnert uns daran, dass die gleichen Methoden unter Ben Ali benutzt wurden.

5. Der Missbrauch der Religion ging Hand in Hand mit einer niederträchtigen Hetzkampagne gegen revolutionäre und demokratische Kräfte wie unsere Partei. Inszeniert von reaktionären und anti-revolutionären Kräften zielte die Kampagne darauf ab, die Aufmerksamkeit des Volkes von den realen politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Fragen abzulenken und ihre Einheit mit Hilfe der Religion zu zerstören.

6. Am Wahltag wurden mehrere Unregelmäßigkeiten begangen, auch von Mitgliedern in den Wahllokalen. Autos und Privatbusse wurden eingesetzt, um Stimmberechtigte zur Urne zu bringen, insbesondere solche, die sich nicht freiwillig registriert hatten. Wahlpropaganda wurde am Wahltag gemacht, insbesondere unmittelbar vor den Wahllokalen, um Menschen dazu zu bringen, für bestimmte Listen zu stimmten. Essen und Getränke wurden in den Wahllokalen verteilt usw.

Diese Verletzung der Prinzipien einer demokratischen Wahl, berichtet von übergeordneten Organen, unabhängigen Beobachtern, trübten die Transparenz der Wahl. Sie beeinflussten die Wahlergebnisse. Die Bemühungen der ISIE ihre Bedeutung herab zu spielen, enthüllt ihre Unfähigkeit, etwas dagegen zu unternehmen.

7. Die mehrmalige Verschiebung der Bekanntgabe der Wahlergebnisse lässt Fragen über die Transparenz der Wahlen aufkommen. In den kommenden Tagen könnten die Gründe für die mehrfachen Verschiebungen enthüllen.

8. Die Kommunistische Arbeiterpartei Tunesiens, die an diesen Wahlen teilnahm, war die erste politische Partei, die Wahlen zu einer Verfassungsgebenden Versammlung forderte, um die Diktatur zu beenden. Die Partei führte eine finanziell, moralisch und politisch saubere Kampagne durch. Sie konzentrierte sich auf ihr Programm und Vorschläge und stützte sich auf den bewussten Willen ihrer Mitglieder und Sympathisanten. Sie stand einer großen Schmutzkampagne gegenüber und litt unter einer offensichtlichen Blockade durch die Medien.

Die Ergebnisse, die die Kommunistische Arbeiterpartei Tunesiens erhielt, sind niedrig. Sie entsprechen nicht ihrer Beteiligung am Geschehen, ihrer Verwurzelung, ihrer kämpferischen Geschichte und ihrer führenden Rolle in der tunesischen Revolution gegen die Diktatur. Während diese Ergebnisse auf das generelle Klima, das wir zuvor dargestellt haben, zurückzuführen sind, werden die Gremien der Partei diese auswerten und unsere eigenen Verantwortung dafür analysieren.

9. Unabhängig von diesen Ergebnissen wird die Kommunistische Arbeiterpartei Tunesiens weiterhin unermüdlich an der Seite der Arbeiter und der unteren Klassen kämpfen, um die Ziele der Revolution zu erreichen und einen wirklichen demokratischen, patriotischen und auf dem Volk basierenden Wechsel zu erringen.

Mit der Kampagne konnte die Kommunistische Arbeiterpartei Tunesiens viele Unterstützer durch ihr Programm, ihre Positionen, ihre Vertrauenswürdigkeit und ihre Prinzipien gewinnen. Sie werden ein solides Fundament für einen Neuanfang bilden, um die Aufgaben der Zukunft anzugehen.

Die Kommunistische Arbeiterpartei Tunesiens möchte allen danken, die die Partei unterstützten und für sie stimmten. Die Partei versichert ihnen, dass ihre Vertreter in der Verfassungsgebenden Versammlung entschlossen für die Aufgaben eintreten werden, für die sie gewählt wurden.

 

Kommunistische Arbeiterpartei Tunesiens

Nationale Leitung

Tunesien, 29. Oktober 2011