Helmut Roewer – Rechts und ehemaliger Chef des Verfassungsschutzes in Thüringen

Im Zusammenhang mit den nun durch Zufall aufgedeckten faschistischen Morden des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) fällt immer wieder der Name des ehemaligen thüringischen Verfassungsschutzpräsidenten, Helmut Roewer. In den Medien wird Helmut Roewer gern verharmlosend als „exzentrisch“ charakterisiert. Verschwiegen wird, dass Roewer ein bekennender Rechter ist.

Schon im Amt zeigte er seine Gesinnung mehr als deutlich. So trat er im Rahmen des Programmes von Weimar als „Kulturhauptstadt Europas“ offiziell in einem Ludendorff-Kostüm mit Pickelhaube auf und erklärte den Besuchern anhand einer alten Landkarte die Grenzen Deutschlands von 1914, ein beliebtes rechtsradikales Thema. Ludendorff, ein General im 1. Weltkrieg, nahm übrigens als militärischer Führer am Hitlerputsch von 1923 teil. Für die Freunde und Gönner Roewers in der thüringischen Landesregierung war dies jedoch kein Warnsignal. Auch für das Programm der „Kulturhauptstadt Europas“ galt dies nicht als Schandfleck.

In Roewers Amtszeit von 1994 bis 2000 erhielten bekannte Rechtsradikale mehrere hunderttausend DM als Lohn für ihre Mitarbeit beim Verfassungsschutz. Damit bauten diese rechtsterroristische Strukturen in Thüringen auf.

Einem von ihm unter einem Decknamen betriebenen Verlag ließ Roewer aus den Mitteln des Verfassungsschutzes auf illegalen und konspirativen Wegen ebenfalls viel Geld zufließen. Die Verwendung ist bis heute ungeklärt. Offensichtlich nutzte Roewer diese Mittel als schwarze Kasse.

Über diesen Verlag wurde mit mehreren zehntausend DM aus den Mitteln des Verfassungsschutzes ein so genanntes „Aufklärungsvideo“ „Jugendlicher Extremismus in der Mitte Deutschlands“ für den Unterricht an Schulen gedreht. In dem Video werden linke Autonome als „gewaltbereit“ dargestellt, während gleichzeitig Tino Brandt, der Chef des rechtsterroristischen „Heimatschutzes Thüringen“ und hoher NPD-Funktionär unwidersprochen erklären durfte: „Wir sind prinzipiell gegen Gewalt.“ Brandt wurde übrigens vom Thüringer Verfassungsschutz mit 200.000 DM gesponsert. Produzent des Videos war der CDU-Nachwuchspolitiker Reyk Seela, der mittlerweile CDU-Landtagsabgeordnete und – wie sinnig – Ausschussvorsitzender im Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien ist.

2000 wurde Roewer suspendiert. Allerdings nicht wegen seiner rechten Gesinnung, sondern wegen des Verdachts auf Untreue. Der Strafprozess wegen ebendieser Untreue wurde 2008 wegen „fortdauernder Verhandlungsunfähigkeit“ vorläufig eingestellt. 2010 wurde dann das Verfahren gegen Zahlung von 3.000 Euro Geldauflage endgültig eingestellt. So wurden die Machenschaften mit Roewers schwarzer Kasse nie aufgeklärt.

Während Roewer „verhandlungsunfähig“ war, arbeitete er gleichzeitig als Referent und Buchautor. Beliebter Referent war er in rechten Kreisen.

Im sogenannten Veldensteiner Kreis fand er sich mit „seriösen“ bürgerlichen Rechten zusammen, um „Totalitarismusforschung“ zu machen. In diesem Kreis sind unter anderem vereint: Stéphane Courtois, der Mitherausgeber des antikommunistischen Hetzwerkes „Schwarzbuch des Kommunismus“, Joachim Gauck, Antikommunist und ehemaliger Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde, Hubertus Knabe, Antikommunist und Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Ernst Nolte, rechts gerichteter Professor für Neuere Geschichte, der im so genannten „Historikerstreit“ die These aufstellte, die Oktoberrevolution und der Sozialismus seien Auslöser des Faschismus. Dazu gehört auch Professor Bernd Rabehl, der einmal einer der führenden Köpfe des SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) und der 68er Bewegung, ein Freund von Rudi Dutschke war und mittlerweile häufig bei NPD und DVU zu Gast ist, um mit diesen „gegen die Überfremdung“ zu kämpfen. Er war sogar bereit, für die NPD und DVU als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Zu diesem illustren Kreis gehört auch Günter Schabowski, ehemaliges Mitglied des Politbüros des ZK der SED, der 2001 zum Beraterkreis des CDU-Kandidaten für das Amt des Berliner Bürgermeisters, Frank Steffel gehörte und sich als Antikommunist betätigt. Auch Brigitte Seebacher-Brandt, letzte Ehefrau des verstorbenen Willy Brandt, gehört zu diesem Kreis, der sich angeblich gebildet hat, um sich „für den demokratischen Verfassungsstaat zu engagieren“. Aus unserer Sicht ist er eine Schnittstelle zwischen den „seriösen, bürgerlichen“ Kräften der herrschenden Klasse und den offenen Faschisten wie der NPD.

Doch damit nicht genug. Roewer publiziert im rechtsradikalen Ares-Verlag, benannt nach dem Kriegsgott Ares. Im Buch „Die ‚Rote Kapelle‘ und andere Geheimdienstmythen“ stellt er zum Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion die Frage: „Wer griff wen an und warum? Und: War der Angegriffene der Überfallene oder war er es nicht?“ (S.10) Und er gibt die Tendenz seiner Antwort recht offen zu erkennen: „… die Sowjetunion, die sich nach der brutalen Konsolidierung der Sowjetmacht im Innern mit Fleiß in kriegerische Konflikte gegen Japan, China, Spanien, Polen, Finnland und die baltischen Staaten gestürzt hatte. Die nach dem Krieg gepflegte Legende von der friedliebenden Sowjetunion kann heute bestenfalls noch als Legitimation tattriger Altachtundsechsziger dienen.“ (S.11) Zur angeblichen „Kriegsfurcht“ von Adolf Hitler meint Roewer: „Diese nicht einmal unrealistische Einschätzung fand Nahrung in den sowjetischen Aggressionen…“ (S.13) Kein Wunder, dass Roewer sich in diesem Verlag im Verein mit zahlreichen bekannten oder weniger bekannten Rechtsradikalen befindet.

Die Gesinnung Roewers ist offensichtlich. Doch sie gilt in diesem Staat nicht als Problem, da er nicht als rechtsradikal sondern als „konservativ“ eingestuft wird. Als solcher war er für die herrschende Klasse „geeignet“, den Verfassungsschutz Thüringen zu leiten. Als solcher darf er weiterhin unbehelligt seine sicher nicht kleine staatliche Pension kassieren. Roewer ist kein „Ausrutscher“ sondern Ausdruck dieses Systems, welches keine Grenze nach rechts hin zieht, auch wenn jetzt alle „Entsetzen“ über die Terrormorde äußern.

Roewer befindet sich in „guter Gesellschaft“ und ist kein Einzelfall.

So hetzte 2008 der Vorsitzende und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg (AWK), Manfred Lüttke (CDU): „Dietrich Bonhoeffer wird als Widerstandskämpfer gefeiert, war aber aufgrund seiner intensiven Kontakte mit der deutsch-feindlichen englischen Kriegspolitik… eher ein ganz gewöhnlicher Landesverräter“. Erst nach monatelanger Hinhaltetaktik trat Lüttke aus der CDU aus. Der Landesverband Wasserkraftwerke Baden-Württemberg nannte die Veröffentlichung der Äußerungen Lüttkes in einer Pressemitteilung eine „Rufmord-Kampagne“ gegen ihren ehrbaren Vorsitzenden. Die Vorwürfe seien „ehrverletzend.“ Lüttke sah sich diffamiert und beleidigt.

Oder: Der CDU-Anwalt Harsch und seine Kanzlei aus Rastatt vertreten zahlreiche Neonazis. Eine Anfrage der Stuttgarter Zeitung dazu beantwortete die Kanzlei mit der Ankündigung „presserechtlicher Schritte“. Denn, so erklärte eine Anwältin des Rastatter Büros, „die Fragestellung an sich stellt schon einen Angriff auf ein unabhängiges Organ der Rechtspflege dar“.

In einem Flugblatt (2007) des Unabhängigen Recherche-Netzwerks Nordbaden (URN) heißt es weiter: „Die Kanzlei beschäftigt zudem Nicole Schäfer. Die angehende Rechtsanwältin schreibt fleißig in Neonazi-Internetforen und empfiehlt den dortigen Kameradinnen und Kameraden bei Rechtsproblemen die Kanzlei ‚Harsch & Kollegen‘.“

Die Liste ließe sich verlängern. Beispiele für die Nähe von „seriöser, bürgerlicher“ Politik zu rechts und ganz rechts gibt es viele.

Wenn solche Leute den Verfassungsschutz leiten, dann kann einem angst und bange werden.

Wir fordern:

Auflösung des Verfassungsschutzes!