Wahlfarce in Zentralafrika

Karte Zentralafrikanische Republik

„Zentralafrikanische-republik-karte-politisch“ von Domenico-de-ga aus der deutschsprachigen Wikipedia. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons

Mehr als eine Woche ist seit dem 30. Dezember, Datum des ersten Wahlgangs der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, vergangen und die Ergebnisse sind immer noch nicht bekannt gegeben. Wie könnte es in einem Land, das durch drei Jahre Bürgerkrieg verwüstet ist, in dem die Milizen der „Seleka“ und der „Anti-Balaka“(1), die nicht entwaffnet wurden, die Mehrzahl der Regionen unter ihrer Fuchtel halten, anders sein; ein Land unter fremder Militärbesatzung, insbesondere von Frankreich, das mit Hilfe seiner Botschaft und der „Operation Sangaris“ (2) seinen Willen einem Übergangs-Nationalrat diktiert, dessen Autorität nicht über das Zentrum der Hauptstadt hinausreicht; ein Land, das ausgeblutet ist, wo es kein öffentliches Finanzwesen (Finanzwesen, Steuern, Zoll) mehr gibt, das weder Gehälter noch Renten mehr zahlen kann und das am Tropf von internationalen Kreditgebern hängt.
Schon das Verfassungsreferendum vom 13. Dezember, das als Test dienen sollte, zeigte immense Mängel: die Hälfte der Niederschriften waren verloren gegangen oder beschädigt und unbrauchbar. Wen kümmert es! Die Nationale Wahlkommission (ANE), Frankreich, die UNO und die „internationale Gemeinschaft“ haben die Ergebnisse abgesegnet.
Die Wahlunterlagen für die Präsidentschaftswahlen kamen nur wenige Tage vor der Wahl nach Bangui (Hauptstadt Zentralafrikas – d. Ü.). Für die Parlamentswahlen verließen sie die Hauptstadt am 28. Dezember, wobei es angesichts des Zustands der Straßen in der Trockenzeit eine Woche, in der Regenzeit aber einen Monat dauert, um in die nördlichen und östlichen Provinzen des Landes zu gelangen. Das relativiert die offiziellen Verlautbarungen, nach denen 80% der Wahlbüros beliefert worden seien. Das Datenverarbeitungszentrum, ein hoch neuralgischer Ort, ist gemäß eines der Verantwortlichen der ANE „ein wahrer Saustall“. Auszählungsprotokolle verschwinden, Urnen kommen leer an, während andere brechend voll sind, Mitglieder der ANE und Wahlkandidaten bezichtigen einander des Betrugs, Mitglieder der zentralafrikanischen Ordnungskräfte und Blauhelme der MINUSMA geraten aneinander, wer das Recht auf Zugang zu dem Rechenzentrum hat. Die internationalen Beobachter konnten in allen Wahlbüros beobachten, dass Wähler abgestimmt hatten, deren Name nicht auf den Listen stand. Einer von ihnen sagte: „das ist das absolute Bordell, die Tür weit geöffnet für den Betrug“, und er schimpfte auf „Frankreich und das Team der UNO-Wahlkommission, welche diese Wahlen um jeden Preis wollten.“
Denn tatsächlich hat Frankreich diese Beratungen durchgesetzt. Ursprünglich im Oktober, dann im November vorgesehen, hat die französische Regierung Ende 2015 festgelegt, in Zentralafrika die Rückkehr zur „verfassungsmäßigen Ordnung“ zu verkünden und den 900 Soldaten der „Operation Sangaris“, einer Militäroperation, die kurz sein sollte, aber schon zwei Jahre dauert, ein Hintertürchen zu öffnen. Unfähig, die internen Gewalttätigkeiten einzuschränken, hat sie sich zahlreicher Verstöße schuldig gemacht, und das ging so weit, dass die Bevölkerung mehrfach ihre Feindschaft ihr gegenüber demonstrierte und den Rückzug aller Besatzungskräfte, einschließlich der französischen, forderte.
Im französischen Verteidigungsministerium hatte man diese Schwierigkeiten vorhergesehen: „diese Wahlen werden nicht perfekt sein, aber sie sind an der Zeit“. Diese Äußerungen werden heute von einer Vertreterin der Vereinten Nationen wiederholt: „Es war nicht alles perfekt; es gab einige Probleme, aber alles wird gut“ und von dem tschadischen Tyrannen Déby: „Besser eine schlechte Wahl als eine Übergangszeit mit Schwankungen“
Aus all diesen Gründen haben die Anträge auf Annullierung, die von etwa zwanzig Kandidaten eingereicht wurden, wenig Chancen auf Erfolg, wenigstens für die Wahlen zur Präsidentschaft. Für die Parlamentswahlen wurde zur Stunde, wo wir dies schreiben, noch keine Entscheidung getroffen. Das zentralafrikanische Volk macht sich im Übrigen keinerlei Illusionen. Die paar Kandidaten, die die Mittel besitzen, einen Wahlkampf im nationalen Maßstab zu führen, sind fast alle Verwandte von ehemaligen Präsidenten oder Ministern, die verantwortlich für Hunger, Not und den Exodus der Bevölkerung sind. Fast alle sind mit den Interessen der Monopole, insbesondere der französischen, verbunden, die die Ausbeutung von Holz, Gold, Diamanten und der Mineralien, an denen das Land reich ist, wieder aufnehmen wollen. Wenn die Kandidaten auch zahlreich sind, „Francafrique“(3) wird die Seinen erkennen!

Anmerkungen:
1) „Seleka“ und der „Anti-Balaka“ sind rivalisierende bewaffnete Milizen, zwischen denen im Dez. 2013 heftige und blutige Kämpfe ausbrachen. Es gab mehr als 1000 Tote an zwei Tagen.

2) „Sangaris“ ist eine französische Militäroperation in der zentralafrikanischen Republik, die seit dem 5. Dezember 2013 bis heute andauert. Es ist die 7. französische Militärintervention seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1960.

3) Als „Francafrique“ bezeichnet man die von Frankreich gegenüber den ehemaligen französischen Kolonien in Afrika ausgeübte neokoloniale Politik.

(Übersetzung aus „La Forge“ 01/16, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs)