Alle gemeinsam gegen Sozialabbau!

In Vorbereitung der bundesweiten Demonstration gegen Sozialabbau am 1.
November in Berlin haben sich hunderte Organisationen, Initiativen,
Basisgruppen, Betriebs- und Personalräte, Vertrauensleute, Vereine,
ganze Ortsgruppen, Bezirke oder Landesverbände von Gewerkschaften
zusammengefunden. Dies ist ein Erfolg, nachdem mit Ausnahme von ver.di
keine Gewerkschaft bundesweit aufgerufen hat. An der Basis regt sich
Widerstand gegen den rasant voranschreitenden Sozialabbau! Zu recht!

Wird Deutschland ärmer?

Hört man das Gejammer von Unternehmern, Politikern und Experten, dann
ist unser Land bankrott, die Kassen leer, die Löhne zu hoch, die
Arbeitszeiten zu kurz, die Renten und die Rentner zu viel.

Tatsächlich ist das reale Bruttosozialprodukt (nach Abzug der
Inflation) seit 1991 bis 2002 um ca. 15% gestiegen (nach „Statistisches
Taschenbuch 2003″, herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit
und soziale Sicherung; Statistik 1.1). Die Bevölkerungszahl stieg in
gleicher Zeit nur um 3% (ebenda, Statistik 2.1). In der gleichen Zeit
stieg die Arbeitsproduktivität pro Arbeitsstunde um ca. 23% (ebenda,
Statistik 1.7)

Wer rechnen kann, wird leicht feststellen, dass sowohl der
gesellschaftliche Reichtum insgesamt als auch der Reichtum pro Kopf
zugenommen haben – allerdings nur laut Statistik. In der Realität sieht
es anders aus: Die Einkommen der Arbeiter und Angestellten sind
gesunken, die Steuern gestiegen, Renten gekürzt, Beiträge zur
Sozialversicherung erhöht, Eigenanteile bei der medizinischen
Versorgung gestiegen. So sind z.B. die Nettorealverdienste (nach Abzug
der Inflation) pro Arbeitnehmer seit 1991 bis 2002 von 15.808 Euro mit
einem Höchststand von 16.388 Euro 1993 auf jetzt 15.503 Euro gefallen.
Also die, die das Bruttosozialprodukt mit ihrer Arbeit schaffen und
erhöhen, die gleichzeitig 23% mehr Wert in jeder Arbeitsstunde
schaffen, verdienen gleichzeitig real weniger!

Die Zahl der Dollar-Millionäre in Deutschland ist rasant auf nunmehr
755.000 gestiegen. Die Welt am Sonntag (26.10.03) berichtet zufrieden:
„Die Europäer spielen in dieser Liga der Reichen eine gewichtige Rolle.
Knapp ein Drittel des weltweiten Vermögens der ‚normalen’ Millionäre
entfällt nach der Merrill-Lynch-Studie auf Europa. Seit 1986
vergrößerte es sich um 440 Prozent. Bis Ende des Jahres 2006 erwartet
Witt-Döring für die HNWI (diese Superreichen, Anmerkung der
AZ-Redaktion)  in Europa ein Wachstum um weitere 46 Prozent auf
dann 12,3 Billionen Dollar (13,9 Bio. Euro).“

Wenn jetzt also gejammert wird, es sei kein Geld da – dann stimmt das nicht!
Es ist deshalb mehr als berechtigt, wenn nun eine Protestbewegung
entsteht und alle gemeinsam dagegen kämpfen, dass z.B. durch die
Gesundheitsreform den Versicherten 10 Milliarden Euro mehr aufgebürdet
werden, dass Arbeitslosengeld II-Bezieher künftig von 345 Euro im
Westen und 331 Euro im Osten leben müssen, dass die Renten massiv
gekürzt werden.

Wie soll es weiter gehen?

Die bundesweite Demonstration vom 1.11. ist eine Chance, eine
Möglichkeit, die nun genutzt werden muss. Die positive Entwicklung,
dass sich hunderte von Initiativen, Organisationen, Personen
unterschiedlichster Herkunft und Auffassungen zusammen gefunden haben,
darf nicht am 1. November enden. Im Gegenteil! Die Bündnisse, die sich
an der Basis in den Orten gebildet haben, müssen gestärkt und weiter
ausgebaut werden. Dort, wo noch keine Bündnisse entstanden sind, muss
versucht werden, dies nachzuholen. Spaltungen, Gruppen-Egoismus muss
entgegen getreten werden.

Ebenso muss die erfreuliche Tatsache, dass zahllose gewerkschaftliche
Gremien entgegen der Haltung des DGB und der Gewerkschaftsführungen
aktiv an diesen Protesten teilnehmen, genutzt werden, um in den
Gewerkschaften die Auseinandersetzung weiterzuführen. Die
Gewerkschaften dürfen nicht zum Steigbügelhalter einer Partei oder
Regierung degradiert werden, sondern müssen die Interessen der Arbeiter
und Angestellten vertreten und dafür mit aller Kraft kämpfen! Dass
bereits jetzt so viele gewerkschaftliche Gremien eine solche Position
eingenommen haben, ist ermutigend für den weiteren Weg.

Im Unterschied zu vielen bisherigen Protestbewegungen wird die jetzige
sehr stark von klassenkämpferischen Kräften aus Betrieb und
Gewerkschaft getragen. Dies gilt es auszubauen. Die Bewegung darf nicht
zu einer linken Randerscheinung verkümmern, sondern muss weiter in die
Betriebe unter die Kolleg/innen getragen werden. Da, wo das Kapital mit
seiner Propaganda vom ewigen „Lohnverzicht erhält Arbeitsplätze“
Erfolge erzielt hat, müssen Kolleg/innen überzeugt und gewonnen werden.

Trotz mehr Reichtum – tiefe Krise

Es wird immer deutlicher, dass eine Protestbewegung nur das Schlimmste
verhindern kann. Denn trotz des gestiegenen Reichtums befindet sich
diese Gesellschaft in einer tiefen Krise. Ca. 5 Millionen offizielle
Arbeitslose, ein marodes Bildungssystem, in dem immer mehr gekürzt
wird, 2 Billionen Euro Staatsschulden, Defizite in allen Sozialkassen
usw. sprechen eine deutliche Sprache. Die Menschen spüren das. Das
neueste ZDF-Politbarometer ergab: „Dass eine CDU/CSU-Regierung es
besser macht, davon sind nur 28 Prozent der Befragten überzeugt. 62
Prozent glauben, dass es keinen Unterschied macht, welche Regierung in
Berlin agiert.“

Denn die Ursache der Krise liegt im System des Kapitalismus, nicht in
der Politik der einen oder anderen Partei. Moderne Techniken haben die
Produktivität ungeheuer erhöht. Das führt jedoch nicht zur Entlastung
der Arbeiter und Angestellten. Unter kapitalistischen Bedingungen führt
dies zu mehr Arbeitslosigkeit auf der einen Seite und mehr
zusammengerafftem Reichtum auf der anderen Seite. Die höhere
Arbeitslosigkeit führt zu einer Einschränkung des Massenkonsums und so
zu einer Überproduktionskrise. Das Kapital hat aber keine Wahl,
„sozial“ zu sein. Es ist gezwungen Höchstprofit anzustreben. Es steht
unter zunehmendem internationalem Konkurrenzdruck. Zudem steigt zwar
der gesellschaftliche Reichtum, aber die Profitraten (d.h. die
Verzinsung des in der Produktion eingesetzten Kapitals) sinken. Denn
die neue Technik fordert immer höhere Investitionen, die rasch durch
neue Entwicklungen entwertet werden und durch die steigende
Überproduktionskrise oftmals nicht mehr reinkommen. Das Kapital
versucht mit allen Mitteln, seine Profitraten zu halten – sonst geht es
unter oder wird von der Konkurrenz geschluckt. Es ist selbst Gefangener
seines Systems.

Deshalb gibt es diese Angriffe auf Arbeiter und Angestellte, auf die
unteren Schichten weltweit, international. Selbst unterentwickelt
gehaltene Länder bleiben nicht davon verschont. Armut und Elend nehmen
zu. Wenn in den Industriestaaten Menschen mit 10, 20, 30% weniger
Einkommen abgespeist werden, dann müssen in den ärmsten Ländern
Menschen, die heute noch eine Schüssel Reis verdienten, morgen mit
einer halben Schüssel „leben“. Bei der Spirale nach unten kennt das
Kapital keine Grenzen, denn es geht um sein Überleben.

Kriege wie in Afghanistan und im Irak heizen kurzfristig den Konsum an,
doch zum Preis höherer Staatsverschuldung, damit weiterer Kürzungen,
Einschränkungen des Massenkonsums – und vertiefen somit die Krise
letztendlich.

Perspektiven

Die Abwehr der Angriffe des Kapitals ist notwendig – aber nicht
ausreichend! Wir brauchen eine neue Gesellschaft, in der die
Produzenten des gesellschaftlichen Reichtums auch einen Nutzen von
diesem haben und nicht eine kleine Gruppe Reicher.

Der Sozialismus wurde durch die Erfahrungen in der DDR und in Osteuropa
in den Augen vieler, auch fortschrittlicher Menschen diskreditiert. Es
gab bei dem ersten Anlauf der Menschheit zu einer besseren,
sozialistischen Gesellschaft Fehler, einen langen Prozess der Entartung
und schließlich den Zusammenbruch der bereits entarteten Staaten. Aber
aus Fehlern kann und muss man lernen. Auch die bürgerliche Demokratie
wurde nicht in einem Anlauf erreicht, sondern scheiterte zunächst.

Gerade die Realität nach dem Zusammenbruch der ehemals sozialistischen
Staaten bestätigt die marxistisch-leninistischen Analysen. Der
Kapitalismus zeigt immer deutlicher sein zerstörerisches Gesicht. Der
Sozialismus ist die Alternative.

In der fortschrittlichen Bewegung muss diese Alternative wieder
diskutiert, müssen die gemachten Fehler aufgedeckt und Perspektiven für
einen neuen Anlauf zum Sozialismus entwickelt werden!

In diesem Sinne:

Alle gemeinsam gegen das Kapital!

Die Redaktion von Arbeit Zukunft