Filmbesprechung: „Es geht nicht nur um unsere Haut“

Der Streik der Belegschaft des Bosch-Siemens-Hausgerätewerks
in Berlin gegen die Schließung

BRD,2007 (81 min.)

Realisation: Holger Wegemann

Produktion: Flex-Journalistenbüro, Holger Wegemann mit
freundlicher Unterstützung der Karsten Hein Filmproduktion und autofocus
Videowerkstatt

Kaufpreis: 15 EUR

 

Demonstration BSH Berlin-SpandauSelten habe ich eine Dokumentation gesehen, die mich so
gefesselt, ja geradezu elektrisiert hat. Dokumentationen sind ja selten
spannend. Das ist bei diesem Film anders. Hier wird der Arbeitskampf gegen die
geplante Schließung des Bosch-Siemens-Hausgeräte-Werks in Berlin-Spandau
begleitet. Der Film zeigt Ausschnitte aus Betriebsversammlungen und
Protestaktionen, vom Streik, vom „Marsch der Solidarität“. Immer wieder kommen
die Kolleginnen und Kollegen selbst zu Wort. Und das macht den Film so
spannend, für alle die heute in der Arbeiterklasse kämpfen, die sich mit ihr
beschäftigen, die sich auf sie stützen wollen. Hier sieht man die Stärken aber
auch die Schwächen dieser Klasse offen. Da kämpft z.B. der türkische
Betriebsratsvorsitzende für „den Erhalt aller deutschen Arbeitsplätze“.
Oder die Kollegen eines Tochterunternehmens von Bosch-Siemens-Hausgeräte in den
neuen Bundesländern verweigern jede Solidarität. Die Kollegen aus Berlin sind
enttäuscht, erfahren dann aber von einem Betriebsrat dieses Werkes, dass die
Kollegen dort für knapp über 5 Euro die Stunde arbeiten müssen, ohne je
Solidarität von den besser verdienenden Kollegen im Westen erfahren zu haben, und
dass sie Angst um ihre Arbeitsplätze haben. Ein Kollege vom
Bosch-Siemens-Hausgeräte Berlin-Spandau meint kurz darauf im Film: „Solidarität
ist keine Einbahnstraße“. Richtig! Mit dem Kampf entwickelt sich das
Bewusstsein und verändert sich. Das kann man voll Spannung in dem Film
mitverfolgen. Immer wieder gibt es in dem Arbeitskampf Konflikte zwischen
Kollegen, die kompromisslos kämpfen wollen und beginnen, ihre Kraft zu
erkennen, und denen, die Angst vor einer Zuspitzung haben.

Natürlich ist ein Streik eine besondere Situation und
insofern kein Maßstab für das Bewusstsein der Arbeiterklasse insgesamt. Wer
sich aber mit dem Bewusstsein der Arbeiterklasse in diesem Land beschäftigen
will, der sollte diesen Film in sein Pflichtprogramm aufnehmen und ihn unbedingt
anschauen. Man kann eine Menge lernen.

Auf der Homepage der videowerkstatt.de heißt es zum Inhalt
des Films:

Am 6. September 2006 kommt die Belegschaft des
Bosch-Siemens-Hausgeräte-Werks in Berlin-Spandau zu einer Betriebsversammlung
zusammen, die bis zum 22. September dauern wird. Mit 16 Tagen wird sie zur bis
dato längsten Betriebsversammlung der Bundesrepublik Deutschland. Dem
vorausgegangen ist die Ankündigung der Konzernleitung, das Spandauer Werk zum
Jahresende 2006 zu schließen. Die Betriebsversammlung ist der Auftakt zu einer
Reihe von Aktionen, die bis Ende Oktober dauern und weit über Berlins Grenzen
hinaus ein Echo finden. So besetzt die Belegschaft schon während der
Betriebsversammlung die Werkstore als die Betriebsleitung versucht, Betriebmittel
aus dem Werk zu schaffen. Beim „Marsch der Solidarität“ besuchen die
BSH´ler andere Betriebe, auch die der „Konkurrenz“ von Miele und AEG,
rufen zu einer gemeinsamen Kundgebung vor der Siemenszentrale in München auf.
Am 19. September stimmen mehr als 94 Prozent der BSH-Belegschaft für Streik.
Die weiteren Verhandlungen führen zum Kompromiss: Keine Schließung des Werkes,
Erhalt von 400 Arbeitsplätzen von vormals rund 600 bis ins Jahr 2010, eine
durchschnittliche Lohnkürzung von 20 Prozent, keine Neuinvestitionen in die
Produktion. Am 20. Oktober wird über das Verhandlungsergebnis abgestimmt. Nur
ein Drittel der Belegschaft stimmt dafür, doch nach IG-Metall- Satzung ist das
Verhandlungsergebnis damit angenommen und der Streik beendet. Ein großer Teil der
Belegschaft fühlt sich verraten. Die IG Metall und weite Teile der Presse
jedoch werten den Abschluss als Sieg einer kampfbereiten Arbeiterschaft. Der
Film zeigt das Innere des Arbeitskampfes bei BSH/Berlin: Er begleitet die
streikenden Mitarbeiter Tag für Tag. Die Kamera dokumentiert
Auseinandersetzungen auf Betriebsversammlungen, Demonstrationen und hitzige
Diskussionen. Er zeichnet die politischen und menschlichen Konflikte und
Stimmungsschwankungen innerhalb der Belegschaft nach. Nicht zuletzt liegt der
Fokus dabei auf dem Konflikt zwischen „offizieller“
Gewerkschaftspolitik und den Interessen und Anliegen der von Arbeitslosigkeit
Bedrohten.

dm