Spanien: Kommunique zu den allgemeinen Wahlen

Bei den Wahlen wurden wir Zeugen einer bedeutenden Rechtswendung auf der Ebene der Institutionen, eine Wendung, die am 22. Mai begonnen hat. Die PP (rechtskonservative Partei  – d. Übers.) hat eine absolute Mehrheit bekommen, die, zusammen mit ihrer Kontrolle über die Gemeinden und autonomen Körperschaften, ihr gestattet, mit eiserner Hand in den schwierigen Zeiten, die uns erwarten, zu regieren.
Die PSOE (sozialdemokratische Partei – d. Übers.)  hat mit ihren 110 Sitzen das schlechteste Ergebnis ihrer jüngsten Geschichte erzielt: das ist eine verdiente Abstrafung angesichts ihrer gegen das Volk gerichteten, reaktionären Politik, die der Rechten den Weg geöffnet hat wie es seinerzeit Felipe Gonzales und seine Regierungsmannschaft tat.
Bei diesen beiden Gelegenheiten hat die rechte Sozialdemokratie eine neoliberale und reaktionäre Politik betrieben und schwere Angriffe auf das Recht auf Arbeit, die sozialen und politischen Rechte der Mehrheit der Arbeitenden, geführt: die Reform der monarchischen Verfassung, die mit der PP durchgeführt wurde, ist davon der Letzte.
„Izquierda Unida“ (Vereinigte Linke – d. Übers.) hat entgegen der Euphorie ihrer Führer, die von der PSOE verlorenen Stimmen (ein großer Teil der 4 Millionen Stimmen wanderten zur UpyD, einer gefährlichen reaktionären Kraft mit populistischem Gerede) nicht für sich gewonnen, weit davon entfernt, UI bekam eine Million Stimmen weniger als ihr bestes früheres Ergebnis.
Die Stimmenthaltung, die um fast 30% im Zeitraum der letzten 15 Jahre anstieg und 9,5 Millionen erreichte, war der zweite Ausdruck der Wähler. Mangels eines bekannten (und erkennbaren) Bezugs haben sich auch diesmal wieder die linken Wähler massiv enthalten.
Es gibt eine Ausnahme: „Amaiur“, die aus „Bildu“ und „Arlar“ gebildete Koalition, geht gestärkt hervor als erste Kraft bei der Wahl im Baskenland und erhält 7 Abgeordnete, was ihr die Bildung einer parlamentarischen Gruppe erlaubt. Man muss sagen, dass die baskischen Kräfte immer eine kohärente politische Position eingenommen haben. Der Erfolg von Amaiur ist das Ergebnis einer Position, die darin besteht, nicht vor den Pressionen und Drohungen des Regimes zurückzuweichen. Aber man darf im aktuellen Zusammenhang das Risiko nicht ausblenden, dass die rechtesten Kräfte des spanischen Nationalismus ihre Politik der systematischen Negation der politischen Rechte eines bedeutenden Teils der baskischen Bürger verstärken. Man muss wachsam sein.
Es gibt also nichts Neues. Das institutionelle Panorama, das haben wir bei unserer Analyse der Gemeindewahlen und der Wahlen der autonomen Gebiete angedeutet, erlaubt keine übereilte Interpretation; die Wählerschaft hat sich klar in Richtung rechts bewegt und die Linke ist weiterhin mehrheitlich gespalten und besessen von den Spielregeln, die während des Übergangs (vermutlich vom Faschismus zur Monarchie – d. Übers,) aufgestellt wurden.
Man kann erstaunt über diesen überwältigenden Sieg einer reaktionären Kraft sein, die  nostalgische Elemente des Frankismus und  korrupte Politiker in  den jetzigen Zeiten zusammenbringt, in denen die Oligarchie kämpft, um ihre Angriffe auf die unteren Klassen zu verzehnfachen. Aber die PP hat nicht auf Grund ihrer Verdienste gewonnen. Es ist der neuerliche Verrat, der durch eine „sozialdemokratische“ Regierung begangen wurde, der viele Wähler dazu brachte, sich mit einer Bestrafung durch massive Abwahl zu rächen, die der einzigen Kraft zu Gute kam, welche in der Lage schien, die Mehrheit erreichen zu können. Der Appell, nützlich zu wählen, der von der institutionellen Linken ausgegeben wurde, um sich die Unterstützung ihrer Wähler zu sichern, hat sich schließlich gegen sie selbst gerichtet.
Das sind freilich keine guten Nachrichten. Die Massen sind mehr denn je desorientiert, die Ablehnung der Politik und der Politiker ist stärker denn je, eine irrationale Haltung, die nichts Gutes ahnen lässt.
Wir erleben die Folgen des Verrats der gemäßigten Linken, die ständig die sozialen Bewegungen ausgebremst hat, die das Vergessen und die apolitische Haltung aufnötigte, um ein Regime durchgehen und sich festsetzen zu lassen, das den falschen Lumpen der Demokratie schwenkte, in dem seine Vertreter in den wichtigsten Institutionen in der überwiegenden Mehrheit als Parteigänger eines stummen Konsens, einer pragmatischen und kurzsichtigen Politik, handelten. Sie drehten den Bedürfnissen und Prioritäten der breiten Masse den Rücken zu. Wir erleben die Folgen eines antidemokratischen Wahlgesetzes, darauf zu geschnitten, die Kontrolle über die Institutionen durch die gefügigsten Kräfte zu gewährleisten, die den politischen Rahmen der Monarchie akzeptieren.
Die Oligarchie scheint zu zögern, in der Anwendung brutaler Maßnahmen entsprechend der Tiefe der Krise zu schnell vorzugehen, um zu vermeiden, dass das Regime seine Maske abwirft und eine Phase des sozialen Konflikts beginnt, der in eine allgemeinere Konfrontation mündet. Es scheint, dass sie fürchtet, im Kontext der Zuspitzung des Klassenkampfs würde das Lager des Volkes schließlich seine Kräfte vereinen, um eine politische Antwort zu geben in einem Kampf, in dem gegenwärtig das Großkapital der Sieger ist. Aber jenseits des „versöhnlichen“ Tons von Rajoy (Spitzenkandidat der konservativen Volkspartei und Wahlsieger – d. Übers.) in seiner ersten öffentlichen Ansprache darf niemand eine Pause bei den Angriffen erwarten. Es sind die Märkte und ihre Diener, die deutlich das Tempo vorgeben werden. Die Tatsachen sind hartnäckig und wir werden in den nächsten Monaten sehen, wie Rajoy und seine Mannschaft die Politik der Privatisierungen und der Beseitigung der sozialen und politischen Rechte, die Zapatero eingeführt hat, weiter treiben wird.
Niemand soll Illusionen hegen; wenn es notwendig wird, werden die Führer der Sozialliberalen ihre Dienste anbieten, um die Politik des Staates zu stärken. Es gibt keine grundsätzlichen Widersprüche im Lager der Reaktion: so, wie sie sich einigten, um die Reform der Verfassung durchzusetzen, werden sie sich einigen, um die Befehle durchzusetzen, die sie tatsächlich von der politischen Agenda, sprich der imperialistischen Bourgeoisie, erhalten.
Cayo Lara (Führer des Parteienbündnisses Izquierda Unida – d. Übers.) hat, nachdem er die Wahlergebnisse erfahren hatte, erklärt, dass sein Parteienbündnis im Parlament der Sprecher der Kämpfe auf der Straße sein werde. Wir hoffen und vertrauen darauf, dass es so sein wird.  Izquierda Unida kann nicht behaupten, auf der Linken die Vorherrschaft zu besitzen; sie darf nicht fortfahren, die Einheit mit den anderen Kräften um ein gemeinsames Programm zu verweigern und kann nicht darauf beharren, zu behaupten, dass das hauptsächliche Problem, mit dem die Linke in diesen Wahlen konfrontiert war, die Existenz des Wahlgesetzes sei, das sie im Vergleich zu anderen Kräften, die weniger Stimmen erhielten, benachteiligt hat.
Es stimmt, dass das bestehende, unsägliche Wahlgesetz den linken Kräften sehr schadet, aber die tiefen Gründe für die Distanz der unteren Volksschichten zu der Linken müssen wo anders gesucht werden; es ist Tatsache, dass ein eigener, unabhängiger und in direkter Gegnerschaft zum monarchistischen System stehender Standpunkt fehlt, was die Bedingung war – und immer noch ist – für die politische Umsetzung innerhalb der Institutionen. Die Linke muss daraus einen einzigen, eindeutigen Schluss ziehen: heute ist es mehr denn je notwendig, zur Einheit voranzuschreiten.
Es handelt sich jedoch nicht um irgendeine Einheit, sondern um die Einheit, die sich auf eine klare und bestimmte Position der Ablehnung des Regimes, die Wahl eines wirklich demokratischen und  tatsächlich republikanischen Rahmens stützt. Fortzufahren, sich wie wild zu schlagen, oder schlimmer noch, mit gewissen sozialliberalen Führungspersönlichkeiten zu kokettieren, die jedes mal ihre Unterstützung für die Oligarchie bewiesen haben, die zeigten, dass sie bereit waren, ihre eigenen politischen Positionen zu opfern, wie es Zapatero in seiner öffentlichen Erklärung über die Ergebnisse der Wahl betonte, wäre eine selbstmörderische Haltung.
Um sich in Richtung der konsequenten Einheit der Linken zu engagieren, haben sich die Republikaner gegründet: es handelt sich um ein Bündnis, das unsere Partei voll unterstützt und das, trotz der Fallen und Fußangeln, in acht Wahlbezirken Kandidaten gestellt hat und Keime der Organisation in zahlreichen Provinzen aufgebaut hat.
In ihrer ersten, am vergangenen 1. Oktober abgehaltenen Versammlung haben die Republikaner festgehalten, dass ihr Ziel weit über die Wahlbeteiligung hinausgeht und sie haben klar gesagt, dass ihre Erwartungen in die Wahl sehr begrenzt seien. Das Resultat ist nichtsdestoweniger ermutigend; der Wahlkampf erlaubte den Beginn des Aufbaus einer Organisation, die bereit ist, eine nächste Versammlung einzuberufen, an deren Vorbereitung neue Zellen teilnehmen werden.
Die kommenden Monate werden schwierig sein. Die europäische Union des Kapitals und des Krieges begibt sich auf den Weg der Beseitigung jeglicher Art der Souveränität der Mitgliedsstaaten. Sie fordern ihre totale Unterwerfung unter das Diktat der zentralen Oligarchie: in Italien hat sie eine Regierung der „Technokraten“ im Dienste des Großkapitals erzwungen, in Griechenland eine „Regierung der nationalen Einheit“, an der die Sozialliberalen, die Rechten von der „Nea Demokratia“ und die extreme Rechte beteiligt sind. In Spanien, wo die Wirtschaftskrise noch lange nicht den Tiefstpunkt erreicht hat, drohen der Sieg der Rechten, das Verschwinden der Linken und die Desillusionierung der Mehrheit der Gesellschaft eine explosive Lage zu erzeugen. Wir treten in eine Periode ein, in der Tage so schwer wie Jahre wiegen können, ständigen Wechsel bedeuten. Das politische Panorama, das aus den Wahlen vom 20. November hervorgegangen ist, wird nicht lange bestehen.

Nov. 2011

Sekretariat des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Spaniens (Marxisten-Leninisten)