Mali – ein neuer Krieg

Unsere Parole auf den Antikriegsdemonstrationen 1990/19991 lautete „Kein Blut für Öl“. Auch in Mali findet man wieder die blutige Ölspur, aber es geht auch um andere Bodenschätze wie Gold und Uran.

Doch was sind die Gründe dafür, dass Frankreich mit 4000 Soldaten in den malischen Bürgerkrieg im Januar dieses Jahres eingriff, unterstützt von den USA und Deutschland? Warum werden hunderte Bundeswehrsoldaten dorthin entsandt?

Es sei erlaubt zunächst einen kleinen Umweg über Italien zu nehmen, denn dort hat bei den Parlamentswahlen am 25.2. die Partei um den Blogger und Komiker Beppe Grillo aus dem Stand über 25% der Stimmen gewonnen. Und jener Grillo erklärte: „Ich gebe den alten Parteien noch sechs Monate – und dann ist hier Schluss. (…) Dann können sie die Renten nicht mehr zahlen und auch die öffentlichen Gehälter nicht mehr.“ Um dann die Sache auf den Punkt zu bringen: „Wenn die Zinsen 100 Milliarden Euro pro Jahr betragen, sind wir tot“.

Narrenmund tut Wahrheit kund. Und diese Wahrheit betrifft alle westlichen Länder und im besonderen Frankreich, dessen Lage als ähnlich einzuschätzen ist. Es sei daran erinnert, dass damals Gaddafi das Milliardenvermögen des libyschen Volkes, welches er französischen Banken anvertraut hatte, zurückholen wollte. Wenig später bombardierten französische Kampfflugzeuge Libyen.

In einer Zeit, in der das Geldsystem, zumindest der Dollar und der Euro, kurz vor dem Kollaps stehen, werden reale Werte, wie landwirtschaftliche Flächen, Bodenschätze und hier neben den „Seltenen Erden“ vor allem Gold besonders attraktiv.

Mali ist mehr als dreimal so groß wie Deutschland. Doch nur etwa 4% seiner Fläche können landwirtschaftlich genutzt werden. Der größte Teil liegt in der Sahara-Wüste. Die etwa 12 Millionen Einwohner sind zu 90% Moslems. Mali war bis 1960 eine Kolonie Frankreichs und zählt heute zu den zehn ärmsten Ländern dieser Welt. Doch trotz hoher Kindersterblichkeit und 50% Analphabetentum war Mali vor dem Bürgerkrieg kein Ort des Schreckens.

Die Begründung, die Frankreich für diesen Krieg liefert, ist die Bedrohung durch den Terrorismus. Doch bevor wir einen recht abenteuerlichen Ritt beginnen, bei dem Versuch, wenigstens etwas Licht in das kaum zu entwirrende Geflecht der in Mali aktiven Bewegungen zu bringen, sei es erlaubt, die Sache durch zwei Parlamentarier auf den Punkt zu bringen:

Die radikalislamistischen Kräfte in Syrien werden uns hier im Westen als Freiheitskämpfer verkauft. Die radikalislamistischen Kräfte in Mali sollen nun Terroristen sein.“ So die Einschätzung des Bundestagsabgeordneten Niema Movassat (Die Linke) in einer Videobotschaft.

Als zweite Stimme sei noch die des belgischen Parlamentariers Laurent Louis gehört, der als einziger gegen die Unterstützung der französischen Truppen in Mali stimmte. Er erklärte am 17.01. im belgischen Parlament:

Der Französische Präsident François Hollande wagt zu behaupten, diesen Krieg gegen die drohenden Dschihadisten zu führen… Ach! Sie bedrohen, beachten Sie es! das französische und europäische Territorium! … Wie kann man es wagen, ein solches Argument vorzubringen, wo Frankreich und Belgien nicht zögerten, die Dschihadisten in Libyen zu bewaffnen und zu unterstützen, und dass dieselben Länder weiter diese Dschihadisten in Syrien unterstützen? Dieser Vorwand dient nur dazu, die strategischen und wirtschaftlichen Entwürfe zu verbergen.“

Das ist das Muster, der rote Faden, den man in allen Kriegen und Konflikten des letzten Vierteljahrhunderts findet. Angefangen in den 80er Jahren, als die USA, unter anderem mit ihrem CIA-Agenten Osama Bin Laden, die Mudschaheddin in Stellung gegen die Sowjetunion brachten. Das Feindbild des Kommunismus wurde abgelöst durch das Feindbild des Terrorismus. Eben noch afghanische Freiheitskämpfer, die 1985 mit großen Ehren im Weißen Haus von Präsident Reagan als Helden gefeiert wurden, um nur Jahre später als terroristische Taliban den Vorwand für den Einmarsch der USA in Afghanistan zu liefern.

Was Al-Quaida wirklich ist, verrät der ehemalige britische Außenminister Cook in einem Beitrag der Zeitschrift The Guardian: „Al-Quaida, wörtlich ‚die Datenbank‘, war ursprünglich die Computerdatei mit den tausenden von Mudschaheddin, die mit Hilfe der CIA rekrutiert und trainiert wurden, um gegen die Russen zu kämpfen“.

Es ist alles andere als eine Verschwörungstheorie, wer der Urheber dieser scheinbar religiösen „Gotteskrieger“ ist.

Selbst die ehemalige Außenministerin der USA Hillary Clinton macht kein Geheimnis daraus und erklärte am 7.11.2010 gegenüber dem US TV-Sender ABC:

Wir erschufen die Kräfte der Mudschaheddin gegen die Sowjetunion. Wir bildeten sie aus, wir statten sie aus, wir finanzierten sie, einschließlich Leuten wie Osama Bin Laden. Und dann, als wir am Ende sahen, die sowjetische Armee zieht sich aus Afghanistan zurück, haben wir erleichtert aufgeatmet…“

Ohne diese Klarheit kann man nicht die Tötung Gaddafis verstehen. Denn der Krieg in und um Libyen bildet die Vorgeschichte zum Krieg in und um Mali.

Es ist kaum möglich das Netz der vielen Organisationen, Gruppen, Stämme und Banden zu entwirren, aber es scheint so zu sein, dass die Al Quaida im islamischen Maghreb (AQIM) die einflussreichste Gruppe ist. Sie kommt ursprünglich aus Algerien und nannte sich selbst „Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf“ (GSPC). Ayman al Zawahiri, der als Al-Quaida Chef nach Osama Bin Laden gilt, erklärte 2006, dass die GSPC ein Teil von Al-Quaida ist.

Ein Jahr später verkündete al Zawahiri die Vereinigung der libyschen LIFG und Al-Quaida im islamischen Maghreb (AQIM).

Die LIFG, die Libyan Islamic Fighting Group wurde von Abdelhakim Belhaj aufgebaut, der wiederum sein „Handwerk“ in den 80er Jahren bei den CIA- finanzierten Mudschaheddin in Afghanistan erlernte. Belhajs Männer führten eine Berbermiliz südwestlich von Tripolis an, die sogenannten Tripoli-Brigaden, die zwei Monate im Geheimen von US Special Forces trainiert worden waren.

Die LIFG spielte beim von den USA und Frankreich unterstützten Sturz von Libyens Gaddafi eine Schlüsselrolle. Waffen gelangten so von Bengasi nach Mali und Syrien.

Sollte sich beim Lesen dieser Zeilen Verwirrung breit machen, so ist das verständlich, denn wenn die USA Al-Quaida kontrollieren sollten, dann ergibt es keinen Sinn, dass dschihadistische Gruppen vom Norden Malis in den Süden vordringen, nur um dann mit kostspieligem militärischem Aufwand vom Nato-Partner Frankreich mit Unterstützung des US-Militärs, wieder vertrieben zu werden.

Es sei denn man benötigt einen Vorwand, um einen Nato Militärstützpunkt in Mali zu errichten.

Sollte dies der Plan sein, dann ist es hilfreich einen Blick darauf zu werfen, wie er eingefädelt wurde. Mali war bis zum März letzten Jahres ein demokratischer und friedlicher Staat. Doch nur einen Monat vor den geplanten Präsidentschaftswahlen wurde Präsident Toure durch einen Militärputsch gestürzt. Anführer des Putsches war Kapitän Sanogo, der seine militärische Ausbildung in den USA erhielt.

Die Begründung der Putschisten war, dass Präsident Toure, der nicht zur Wiederwahl stand, nicht fähig sei, die Tuareg-Unruhen im Norden Malis zu unterdrücken.

Die Gruppe um die Putschisten, die CNRDRE (Nationalkomitee für die Wiederherstellung der Demokratie und des Staates), setzt sich aus Offizieren zusammen, die mehrheitlich in den USA ausgebildet wurden. So konnten sie ihrem Kandidaten, dem frankophilen Traore ohne Wahl zur Macht verhelfen.

Wegen des Putsches wurde Malis Mitgliedschaft in der Afrikanischen Union ausgesetzt, Sanktionen ausgesprochen und auch die USA kürzten die Hälfte der 140 Millionen Dollar Hilfsgelder. Zum inneren Chaos kam der Vormarsch der Tuareg hinzu, die sich mit der AQIM und Ansar Dine verbündet hatten. So verlor die malische Führung die Kontrolle über die regionalen Hauptstädte Kidal, Gai und Timbuktu.

Es erfolgte der Hilferuf an Frankreich, dem umgehend Folge geleistet wurde. Möglich war das, weil Frankreich unter anderem schon Truppen des 1.Marine-Infanterie Fallschirmregiments, Hubschrauber und Jets positioniert hatte.

Präsident Francois Hollande sagte, die französischen Truppen würden in der Region lange genug bleiben, „um den Terrorismus zu besiegen.”

Damit haben wir die gleiche Situation, wie in Afghanistan, Irak und anderen Ländern. Auch wenn keine kriegerischen Auseinandersetzungen mehr stattfinden, werden die Stützpunkte bleiben, die die Kontrolle über das Land garantieren.

Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung wird die Rekolonisierung des ehemaligen Französisch-Afrika betrieben und hinter Frankreich steht AFRICOM.

AFRICOM, dessen Zentrale in Stuttgart ist, ist Teil der Einteilung der Welt durch die USA, die diese Regionen militärisch dominieren will.

Auch wenn die französische Atomindustrie Areva mit dem aus Niger und Mali stammenden Uran Milliarden Euro Umsätze macht und von vielen anderen Rohstoffen profitiert, so geht es in erster Linie nicht darum, die Ressourcen schnell auszubeuten.

Solange das malische Volk in Substitutionswirtschaft lebt, könnten die Bodenschätze dort noch lange liegen. Wäre da nicht China.

China hat in den letzten zehn Jahren ein immer stärkeres Engagement in Afrika gezeigt und investiert die Dollarüberschüsse aus dem Welthandel in werthaltige und strategische Projekte.

AFRICOM wurde von Präsident George W. Bush 2007 ins Leben gerufen und hat nur den Zweck, dem wachsenden Einfluss Chinas in Afrika zu begegnen. So wuchs der Handel zwischen China und den afrikanischen Ländern 2011 schon auf 166 Mrd. $ an, während der Handel der USA und der EU mit Afrika zurückging.

Während die USA und die EU die afrikanischen Länder mit IWF diktierten Sparmaßnahmen ins Elend stürzen, baut China in Afrika Straßen und Schulen und ist als Handelspartner wesentlich beliebter.

Der französische Finanzminister Pierre Moscovici erklärte im Dezember letzten Jahres, dass französische Unternehmen in die Offensive gehen und den wachsenden Einfluss des Rivalen China bei den Anteilen auf den zunehmend wettbewerbsfähigen Märkten Afrikas bekämpfen müssten.

Es geht um Konkurrenz, aber es geht auch um die Unabhängigkeit, die China anstrebt, die China nur erreichen kann, wenn es seinen steigenden Bedarf an Rohstoffen und auch Nahrung aus anderen Ländern verlässlich decken kann.

Diese Unabhängigkeit versuchen die USA im Verbund mit der EU zu verhindern. So wie die Unabhängigkeit Libyens von der US-imperialistischen Weltdominanz schon gewaltsam beendet wurde.

(J.T.)

 

Anmerkung der Redaktion:

Leider war es aus Zeitgründen für die Printausgabe von „Arbeit Zukunft“ nicht mehr möglich, ein paar Ergänzungen zu diesem Artikel zu machen. Dies holen wir mit der Veröffentlichung im Internet nach.

1. China ist ein Land, das ebenfalls nach Dominanz und Kontrolle strebt. Angesichts seines Charakters als neu aufstrebende Großmacht ist es jedoch gezwungen, dies in anderer Form zu machen, als die offen und brutal um ihre Vorherrschaft kämpfenden USA und EU. Es ist natürlich für die betroffenen Ländern bzw. die dort herrschenden Cliquen durchaus angenehmer, wenn sie dadurch mehr Geld für ihre Rohstoffe erhalten. In kleinem Umfang kann das auch zu Verbesserungen für die Bevölkerung führen.

2. Die Rolle des deutschen Imperialismus in Afrika bzw. in Mali bedarf ebenfalls der Beachtung. Denn die Bundesregierung schickt deutsche Soldaten für Transportaufgaben und für militärische Ausbildung nach Mali.

In german-foreign-policy.com vom 15.01.2013 heißt es dazu:

Einerseits pocht Berlin auf Bedingungen, um seine Stellung im von Frankreich dominierten Westafrika aufzuwerten; andererseits soll eine deutsche Beteiligung einen französisch-britischen Alleingang à la Libyen verhindern. Ein solcher Alleingang gilt in Berlin als Gefahr, weil Paris und London ihre Militärkooperation seit einigen Jahren stark ausbauen, was in der deutschen Hauptstadt – nicht zu Unrecht – als Versuch gesehen wird, der deutschen Vorherrschaft über die EU zumindest auf militärpolitischem Gebiet zu entkommen…

So hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Wochenende einerseits erklärt, Frankreich habe bei seinen Operationen in Mali Berlins ‚volle politische Unterstützung‘. Andererseits müsse aber, wenn die Bundeswehr sich an der Intervention beteiligen solle, ‚Klarheit darüber‘ herrschen, ‚wer das Land führt‘.

Man sieht also: Deutschland will dabei sein, um eine alleinige Führung durch USA, Frankreich und andere zu verhindern und selbst beteiligt zu sein.

Die Taten unserer eigenen herrschenden Klasse, die sich selbst zum Herrscher über Europa aufschwingen will, sind für uns deshalb so bedeutend, weil wir dagegen direkt in unserem Land aufklären und mobilisieren können und müssen.