Korrespondenz: Gestern Mollath, morgen wir alle? / Bayern: Sieben Jahre Zwangspsychatrie wegen Bankenkritik

Nach sieben Jahren Zwangspsychatrie ist Gustl Mollath am 6. August aufgrund eines Beschlusses des Oberlandesgerichts Nürnberg freigelassen worden. Mollath, ehemals mit einer Angestellten der HypoVereinsbank in Nürnberg verheiratet, hatte es gewagt, (inzwischen nachgewiesene) illegale Insider- und Schwarzgeldgeschäfte im Institut seiner damaligen Frau anzuprangern. Nach einem Ehestreit – niemand weiß, was wirklich passiert ist – zeigte Mollaths Frau ihren Gatten wegen angeblicher Körperverletzung an. (Gustl Mollath selbst bestreitet bis heute, gewalttätig gewesen zu sein.)

Frau Mollath, deren Glaubwürdigkeit mittlerweile deutlichen Zweifeln unterliegt, ließ daraufhin »psychiatrische Gutachter«, die freilich ihren Mann nie selbst untersucht hatten, attestieren, dieser sei »paranoid« und »gemeingefährlich«. Vor Gericht beharrte Gustl Mollath darauf, der Körperverletzung unschuldig zu sein, und machte darüber hinaus erneut auf die illegalen Geldgeschäfte im Institut seiner Frau aufmerksam. Dies ließ die Justiz – ihrerseits Teil dessen, was die DKP in ihrem UZ-Extra zu den bayerischen Landtagswahlen als geradezu notorische »Komplizenschaft von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten« beschreibt – jedoch vielmehr als »Retourkutsche eines Spinners«, als Beweis für die Ferndiagnose der »Paranoia« abtun und stattdessen den Bankenkritiker wegsperren. Zur Zeit des Urteilsspruches war Mollath noch nie persönlich von Gutachtern untersucht worden. Auch als ein Gutachter ihn schließlich persönlich untersuchte und für geistig gesund befand, blieb er in der Psychatrie. Wilhelm Schlötterer, der sich des Falles Mollath schon seit längerem angenommen hat, schrieb zu dieser Vorgehensweise: »Es war kein Justizirrtum, alle bekannten Fakten lassen auf vorsätzliches Handeln schließen!«.

In den letzten Monaten tauchte der Name Gustl Mollath dann immer wieder in den Medien auf, der öffentliche Druck, insbesondere auf CSU-Justizministerin Beate Merk (O-Ton Merk: »Ich sehe keinen Fehler«), nahm stetig zu. Hinzu kam eine Reihe weiterer Affären und Skandale in Bayern vor den Landtagswahlen am kommenden 15. September: im Oktober letzten Jahres wurde ein Versuch der CSU, die Pressefreiheit zu untergraben, publik, in diesem Jahr wurde der Beginn des Prozesses gegen die neofaschistische NSU-Terrorbande durch einen »Akkreditierungsskandal«, ausgelöst vom vorsitzenden Richter persönlich, verschleppt, die CSU-Landtagsfraktion von einem Vetternwirtschaftsskandal erschüttert, und kürzlich zeigte der versuchte Gesinnungstest bei einem TAZ-Journalisten, der Anfang Juli in einer Schule in Lindau referieren sollte, dass die Gesinnungsschnüffelei in Bayern noch immer absurde Blüten treibt.

Unmittelbar vor Mollaths Freilassung war zu beobachten: »…der Fall Mollath ist dabei, sich zu einem der größten Justiz- und Psychiatrieskandale in der Geschichte Bayerns auszuwachsen. Er könnte das Fass zum Überlaufen bringen« (»Unsere Zeit«, 2. August, S. 1). Am 6. August sah sich die Justiz schließlich gezwungen, Mollath aus der Psychatrie zu entlassen. »Dieser Sinneswandel soll zwei Buchstaben geschuldet sein, ’i. V.‘ (in Vertretung) auf einem Attest über Verletzungen, die Mollath seiner Exfrau zugefügt haben soll. Das hätte der Justiz aber schon vor vielen Jahren einfallen können«, so der Journalist Peter Wolter (»junge Welt«, 8. August, S. 2). Diesbezüglich erklärte Anwalt Michael Kleine-Cosack, der Mollath in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt: »Allerdings habe ich überhaupt nichts dagegen, dass die Justiz in diesem Fall eine fadenscheinige Formalie zur Begründung heranzieht – es geht um Gerechtigkeit für Herrn Mollath« (ebenda).

Der Fall dieses einen widerspenstigen Bankenkritikers »steht auch dafür, wie schnell man seine Grundrechte verlieren kann«, heißt es in einem Leserbrief an eine oberfränkische Lokalzeitung. Gerhard Strate, ein weiterer Anwalt Mollaths, sagte nach der Freilassung seines Mandanten der dpa: »Damit ist in Bayern wieder der Rechtsstaat hergestellt«. Bedauerlicherweise ist Strates Optimismus wohl eher unberechtigt.

Tatsächlich herrscht dank des CSU-Regimes – in letzter Konsequenz ein Geschöpf der bürgerlichen Scheindemokratie – »eine politische Kultur in Bayern, die erschreckende Züge von verabscheuungswürdigen Diktaturen hat«, wie der Publizist Roland R. Ropers in einer Rezension des Buches »Wahn und Willkür – Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt« (Verfasser: Wilhelm Schlötterer, seit 38 Jahren CSU-Mitglied und Exministerialbeamter) unterstrich; so war jüngst in der Presse zu lesen: »Nach Ansicht der Justiz hat die Münchner Staatsanwaltschaft bei Ermittlungen zur Bayerischen Landesbank führende CSU-Politiker geschont. Das Landgericht München schreibt in einem Beschluss…, es sei ’nicht nachzuvollziehen‘, dass die Staatsanwaltschaft nach dem Debakel der BayernLB bei der österreichischen Hypo Alpe Adria Vorwürfen gegen einzelne Verwaltungsräte der Landesbank nicht nachgegangen sei… Dem Verwaltungsrat hatten mit den Ministern Erwin Huber, Günther Beckstein und Kurt Faltlhauser führende CSU-Politiker angehört. Sie waren zusammen mit weiteren CSU-Leuten im Verwaltungsrat… wegen Veruntreuung von Bankvermögen angezeigt worden. (…) Die Staatsanwaltschaft sah keinen Anfangsverdacht gegen die Verwaltungsräte und ging nur gegen die Vorstände vor, nicht aber gegen deren Kontrolleure aus der CSU-Regierung von Edmund Stoiber und den Sparkassen« (»Süddeutsche Zeitung«, 8. August, S. 1).

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Landtagswahlen am kommenden 15. September verdeutlicht die Causa Mollath auch die Notwendigkeit, die ultrareaktionäre CSU-Macht zu brechen – einer Gruppe bayerischer DKP-Genossen ist daher zuzustimmen, wenn sie feststellt: »Eine Niederlage der CSU wäre ein Erfolg – was dann damit zu machen ist, entscheidet nicht der Stimmzettel, sondern unsere Politik und die der anderen CSU-Gegner« (»Unsere Zeit«, 2. August, S. 15).