„Wir trauern nicht, wir rebellieren!“ – Solidarität mit dem Protest gegen den grausamen Tod von Özgecan Aslan

Presseerklärung des Bundesverbandes der Migrantinnen in Deutschland e.V.

In der Türkei sammelt sich ein landesweiter Protest gegen die Gewalt an Frauen und gegen die reaktionär-islamistische Politik der AKP Regierung.

Özgecan Aslan, Vergewaltigungsopfer in der Türkei

Immer mehr Frauen werden Opfer von Gewalt. Jüngstes Opfer ist die 20jährige Özgecan Aslan aus Mersin / Türkei.

Özgecan Aslan wurde auf bestialische Weise Opfer eines Vergewaltigungsversuchs. Um die Tat zu vertuschen, wurden ihre Hände abgeschnitten, ihre Leiche verbrannt, anschließend in den nahegelegenen Fluss geworfen. 3 Täter, darunter Vater und Sohn, sind zwischenzeitlich gefasst. Sie stammen aus dem nationalistischen-faschistischen Umfeld der Grauen Wölfe. Seither sammelt sich ein landesweiter Protest gegen das grausame Verbrechen an der jungen Psychologiestudentin.

Frauenorganisationen in allen Teilen des Landes haben zu breiten Protesten in vielen Städten aufgerufen. Tausende Frauen von der Westküste bis zu den kurdischen Provinzen zeigen geschlossen ihre große Bestürzung und ihre Wut über das Verbrechen an Özgecan.

„Wir trauern nicht, wir rebellieren“; „Wir werden alles umstürzen, was Gewalt gegen Frauen rechtfertigt“ so die lauten Stimmen der Frauen im Protest. Die Frauenbewegung in der Türkei erstarkt. Sie umfasst immer mehr Frauen und politische Kreise in ihren Reihen und für ihre Forderungen. Sie ist ein wichtiges und dynamisches Element der Demokratiebewegung geworden, die keine Scheu mehr vor einer direkten Konfrontation mit der Regierung hat. Die autoritär-reaktionäre Politik der AKP-Regierung unter Erdogan / Davutoglu drängt die Lage der Frau in der Türkei in eine zunehmend verheerende Richtung.

Schluss mit der Politik, die Gewalt gegen Frauen rechtfertigt und ihren Körper für ihre reaktionär-islamistischen Ziele missbraucht..

Özgecan wurde Opfer eines gesellschaftlichen Klimas, in der die AKP Regierung die Unterdrückung der Frau als „naturgegeben“ proklamiert, ihre Gleichstellung mit reaktionär-islamistischen Argumenten abstreitet. Offiziellen Erhebungen zufolge, haben Fälle von Gewalt an Frauen, Mord und Vergewaltigung erheblich zugenommen. Offensichtlich ist dabei, dass der Anstieg von Gewalt gegen Frauen im Zusammenhang mit der AKP-Regierung steht. So sind seit der Regierungsübernahme im Jahr 2002 Fälle von Gewalt gegen Frauen um 1.400 Prozent gestiegen. Täglich wird mindestens eine Frau Opfer von Vergewaltigung. In den letzten 5 Jahren hat die Zahl der sexuellen Übergriffe, wie Vergewaltigung oder Belästigung, um 30% zugenommen. 2012 legte die AKP Regierung einen Gesetzesentwurf vor, mit dem das Recht auf Abtreibung grundlegend eingeschränkt und die Kaiserschnittgeburten nahezu verboten werden sollen. Das Gesetz wurde dank des breiten Protests der Frauenbewegung abgewehrt. Die Praxis zeigt jedoch, dass viele staatliche Krankenhäuser zunehmend die Abtreibung verweigern.

Mit der als „4+4+4“ bezeichneten Bildungsreform hat Ministerpräsident Erdogan einen Freifahrtschein für Kinder-/Mädchenheirat ausgestellt. Im Jahr 2012 wurden acht wegen Gruppenvergewaltigung und Folter verdächtige Männer durch das Gericht „aus Mangel an Beweisen“ freigesprochen“ (Fethiye-Urteil). Jedes vierte Mädchen wird Opfer von sexueller Gewalt. In den letzten 5 Jahren hat die Zahl der sexuellen Übergriffe, wie Vergewaltigung oder Belästigung, um 30% zugenommen; 50% der Vergewaltigungsopfer sind jünger als 18 Jahre.

Im vergangenen Jahr legte die AKP Regierung einen Gesetzesentwurf vor, mit dem das Recht auf Abtreibung grundlegend eingeschränkt und die Kaiserschnittgeburten nahezu verboten werden soll.

Im November 2011 rechtfertigte ein türkisches Gericht die systematische Gruppenvergewaltigung an einer 13-Jährigen in der Stadt Mardin (Schande-Urteil).

Die Bilanz der AKP Regierungspolitik ist aus Sicht der Frauen verheerend. Sie ist ein tragisches Zeugnis einer islamistisch-konservativen Regierung, die Kinderheirat legalisiert, den geistigen und politischen Nährboden für Gewalt gegen Frauen legt, Täter schützt und Opfer bestraft, das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper nicht anerkennt und gar verletzt, sowie Politik mit dem Körper der Frau betreibt. Ferner appellieren wir an die türkische Rechtsprechung, die bisherigen Bestrebungen hinsichtlich einer von patriarchalischen Strukturen befreiten Rechtsordnung ernst zu nehmen und als Wächter der Frauenrechte zu agieren – und nicht als deren vollstreckender Henker.

Wir solidarisieren uns dem Protest der Frauenbewegung in der Türkei; wir rebellieren mit ihnen gegen den grausamen Tod an Özgecan Aslan.

15.02.2015