Mietrebellen in Berlin

Berlin: GoG am Kecekondu am Kottbusser Platz

Vorabdruck eines Berichtes der Gruppe oppositioneller Gewerkschafter Bochum
Im vergangenen Jahr sahen mehrere ehemalige Bochumer Opelaner während des von der GoG organisierten Bildungsurlaubs den Dokumentarfilm „Mietrebellen“ von Mathias Coers und Gertrud Schulte-Westenberg; er schildert in eindrucksvoller Weise den Kampf gegen Zwangsräumungen in Berlin. Vor allem seit 2011 haben immer mehr Menschen begonnen, den Widerstand gemeinsam zu organisieren.
In diesem Jahr führte die GoG ihren Bildungsurlaub in Berlin durch und beschloss bei der Planung, einen Tag den Mietrebellen zu widmen. Denn bedauerlicherweise bestehen die Probleme immer noch – doch erfreulicherweise gibt es auch die Mietrebellen noch…
Die Probleme gibt es in vielen Städten Deutschlands, doch auch in anderen Ländern nicht nur Europas. Es gibt immer weniger billigen Wohnraum, die Mieten steigen nicht, sondern sie werden in die Höhe getrieben von Spekulanten, von großen Wohnungsgesellschaften.
Opfer sind in Berlin vor allem drei Bevölkerungsgruppen: Menschen mit Migrationshintergrund, Geringverdiener und alte Menschen. Sie werden seit Jahren aus ihren Wohngebieten vertrieben. „Das ist Klassenkampf von oben,“ kommentierte ein Filmemacher aus Berlin, der die Mieterinitiativen aktiv unterstützt.
Zahlreiche Stadtteile, die seit vielen Jahrzehnten ihren eigenen Charme, ihr eigenes Leben herausgebildet haben, werden „saniert“: Die Wohnungen werden „modernisiert“ oder die Häuser werden abgerissen und durch moderne, kalte Wohnanlagen ersetzt, natürlich mit höheren Mieten. Die „bessere Gesellschaft“ übernimmt einen Straßenzug nach dem anderen und freut sich z.B. darüber, dass ihre Wohnanlage im „Favela-Look“ gebaut ist. Favelas – das sind die Slums und Elendsviertel der Großstädte Mittel- und Südamerikas. Die Not der armen Menschen als Mode-Gag für die Schickeria…
Für die angeblich so sinnvolle Sanierung wird der Umweltschutz missbraucht: Altbauten werden „wärmegedämmt“, um Heizkosten zu sparen und die Umwelt weniger zu belasten. Mag sein, dass der Mieter nach dem Umbau etwas Heizgeld spart – doch die Mietkosten sind jetzt erheblich höher – uns wurde von Steigerungen von 300-500 Prozent berichtet.
Es gibt natürlich einen gültigen Mietspiegel auch für die Berliner Stadtbezirke. Er soll z.B. für Kreuzberg etwa bei 5 € oder 5,60 € pro Quadratmeter liegen, je nach Lage der Wohnung. Doch nach der „Sanierung“ flatterten zahlreichen Mietern Bescheide über z.B. 12 € pro Quadratmeter ins Haus. Als Begründung musste aber auch anderes herhalten. Viele der Wohnungen waren früher gebaute Sozialwohnung, in denen Menschen mit geringem Einkommen lebten mit einer rechtlich gesicherten, niedrigen Miete, bis… Ja, bis die 20 Jahre um waren und die bisherigen Sozialwohnungen von den verantwortlichen Stellen auf den Wohnungsmarkt geschmissen wurden, um so die klammen Stadtkassen zu füllen. Halt – war da nicht etwas? Hat nicht ein gewisser Sarazin seinerzeit den defizitären Berliner Haushalt ausgeglichen und war stolz darauf?
Natürlich konnten die Menschen, die seit Jahrzehnten in diesen Wohnungen lebten, die neuen Mieten nicht bezahlen. Ihnen – darunter vielen alten Menschen – flatterten dann die Kündigungen ins Haus und es wurde mit Zwangsräumung nicht nur gedroht. Und natürlich konnten diese Menschen mit ihren bescheidenen finanziellen Mitteln keine andere bezahlbare Wohnung finden. Und natürlich wollten sie da gar nicht weg – einen alten Baum verpflanzt man nicht. Und natürlich hatte sich in den vielen Jahren des Miteinanderlebens ein Zusammengehörigkeitsgefühl herausgebildet – im „Kiez“ spielte es kaum eine Rolle, welcher Herkunft man war. In vielen betroffenen Vierteln und Wohnblocks organisierten und organisieren sich Betroffene und Unterstützer. Sie sind untereinander „vernetzt“ und können so schnell viele Menschen mobilisieren. Einre Reihe von geplanten Zwangsräumungen wurde so verzögert, einige sogar verhindert. Auch gibt es immer wieder Aktionen, die den zugezogenen Wohlstandsmietern klarmachen sollen, dass das Leben auf ihrem erbeuteten Gelände nicht so gemütlich sein wird wie von ihnen erhofft.
Eine wichtige Anlaufstelle für die Mietrebellen ist das Gecekondu, ein „über Nacht errichtetes“ Gebäude am „Kotti“, wie die ursprünglich dort Wohnenden das Kottbusser Tor liebevoll nennen. Ihr Gebäude am Kotti, in dem die „Mietrebellen“ ihre Arbeit organisieren, Betroffenen materiell, juristisch usw. helfen, ist ein wichtiges Zentrum im Widerstand. Der Name erinnert an die vielen in der Türkei am Rande der Großstädte über Nacht „wild“ errichteten Notunterkünfte. Berlin-Besucher sollten in ihr Programm durchaus mal einen Abstecher zum Gecekondu am Kotti aufnehmen und sich dort nicht nur über die Arbeit berichten lassen, sondern auch überlegen, wie man sie unterstützen kann.