Zur EU-Parlamentswahl: EU in der Krise


Was arbeitende Menschen in Europa brauchen und wollen – das ist kein Thema für die Medien, für die Politiker, die Journalisten, die ständig über den Brexit debattieren. Die Europäische Union (EU) befindet sich seit Jahren in der Krise. Es ist die Krise der Herrschenden, der Kapitalisten und der Regierenden in den imperialistischen Zentralen der EU. Für die arbeitenden Menschen herrscht im Kapitalismus immer Krise, egal ob in oder außerhalb der EU!

Brexit

Der Brexit bedeutet Krise für die EU mit gravierenden Folgen in der Wirtschaft und bei der Aufteilung der imperialistischen Interessensphären auf der Welt. Er ist ein Machtkampf des britischen Imperialismus mit führenden Mächten der EU, vor allem Frankreichs und Deutschlands. Der Austrittsvertrag zum Brexit ist bis jetzt nicht vom Unterhaus beschlossen, es droht der ungeregelte („hard“) Brexit. Er bedroht den fragilen Frieden in Nordirland. Die reaktionären Brexit-Hardliner unter den Torys sowie in Belfast die rechte DUP wollen in Nordirland wieder scharfe Grenzkontrollen, die es von der Republik Irland separieren würden. Stürzte Premierministerin May in den Krisensitzungen des Parlaments, wäre es nicht ausgeschlossen, dass bald die Hardliner an die Macht kämen. Schon mobilisiert eine „New IRA“ den Widerstand dagegen, erste Bombenanschläge und der Tod einer Journalistin anlässlich von Unruhen in der Nacht zum Karfreitag (!!) in Derry sind Alarmsignale. So versucht nun die EU-Führung, durch Zeitaufschub das Brexit-Abkommen durchzusetzen, vielleicht auch durch Neuverhandlungen über einen Verbleib in der Zollunion abzumildern oder durch eine wiederholte Volksabstimmung den Brexit ganz zu vermeiden – eine immer wieder angewandte Strategie der EU gegen unerwünschte Referendumsergebnisse der EU-Völker.

Rechtsentwicklung

Fast überall in der EU fördern die Herrschenden offen rechte Regierungen und aggressiv-nationalistische, ja faschistische Parteien und Bewegungen, die den Frust vieler über die EU auf ihre Mühlen leiten. In Ungarn, Polen, Italien sind rechte Regierungen an der Macht. Diese beschneiden demokratische Bürgerrechte, unterdrücken fortschrittliche Bewegungen, hetzen gegen Migration und Migranten. Sie halten sich nicht an EU-Beschlüsse und untergraben damit die „Gemeinschaft“. In vielen anderen Ländern sind rechtspopulistische Parteien und Bewegungen auf dem Vormarsch. Sie mobilisieren den Frust und Hass gegen die arbeiter- und volksfeindliche, neoliberale EU-Politik, münzen sie in Wählerstimmen, Parlaments- und Regierungsposten um.

Flüchtlingskrise

Die Flüchtlingskrise spaltet die EU. Die EU tritt die Menschenrechte zahlloser Geflüchteter mit Füßen, lässt Tausende im Mittelmeer ertrinken, in der Sahara verdursten, und zerstreitet sich um die Verteilung der wenigen Geflüchteten, die es noch nach Europa schaffen. In den EU-Staaten wird gegen die Angekommenen als potentielle Feinde gehetzt, solidarische Unterstützer/innen zunehmend kriminalisiert, ein hasserfülltes öffentliches Klima geschaffen.

Die EU schottet sich ab, treibt Geflüchtete in Zusammenarbeit mit der gekauften, „international anerkannten“ Marionettenregierung Libyens zurück, verschärft aber in den elenden afrikanischen Herkunftsländern ihre neokoloniale Unterdrückungs- und Ausplünderungspolitik. Diese entwurzelt die Jugend und treibt sie ohne einheimische Perspektive stets neu in die Flucht. Nicht einmal bei Libyen sind sich die führenden EU-Mächte einig. Setzen Deutschland und Italien auf die schon genannte korrupte Regierung in Tripolis, unterstützt Frankreich in der Hoffnung auf lukrativen Zugriff aufs Erdöl die konkurrierende Regierung in Benghazi mit Geld und Waffen, deren Armeechef Haftar Libyen in einen neuen Bürgerkrieg stürzt, der erneut tausende Menschen zu Flüchtlingen macht.

Selbst zwischen Deutschland und Frankreich knirscht es

Zunehmende Spannungen und Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich zeigen sich beim Rüstungsexport, den Frankreich (und Großbritannien) möglichst unbehindert wollen, den Deutschland aber im eigenen Interesse reguliert ausüben will. Streitpunkt sind die gemeinsam gefertigten und vermarkteten Rüstungsgüter.

Streit gibt es auch um die deutsch-russische Gaspipeline Northstream 2. Hier unterstützt Frankreich brüsk dessen Gegner. Dafür werden die Vorschläge Präsident Macrons zur Weiterentwicklung der EU wie gemeinsames Budget, EU-Finanzminister, gemeinsame EU-Armee von Berlin ausgebremst, wo immer möglich. Nicht weil man grundsätzlich was dagegen hat. Aber Berlin wittert nicht ohne Grund den Versuch Macrons, deutsche Führungsansprüche zu untergraben und selbst eine stärkere Führungsrolle zu übernehmen.

Selbst China mischt mit

Auf die massiven wirtschaftlichen Probleme von EU-Ländern wie Griechenland oder Italien antwortet die neue imperialistische Großmacht China mit Kapitalexport in diese Länder, „lädt sie ein“ zur Teilnahme am Projekt „Neue Seidenstraße“, gewährt „großzügig“ Kredite u.a.m. Merkel reagiert genervt bis beunruhigt. Kein Wunder, trägt sie doch für die EU-Politik, speziell für die schlimme Lage Griechenlands ,persönlich die Verantwortung. Chinas Avancen signalisieren zudem, dass auch China durch die Aufweichung des drakonischen EU-Finanzregimes gegenüber Griechenland und Italien die Schwächung der EU vorantreibt.

Gemeinsame Außenpolitik??

Die gemeinsame Außenpolitik der EU, der Frau Mogherini, der „hohen Vertreterin der EU“ ist völlig gescheitert. Iran, Syrien, Afrika – überall betreiben die angeblichen Führungsmächte der EU ihre eigene Politik, Großbritannien und Frankreich greifen auch offen militärisch ein! Der US-Imperialismus nutzt das bewusst aus, spaltet und schwächt den Konkurrenten EU, wo immer möglich, fördert die rechten und nationalistischen Regierungen in Polen, Ungarn, Ukraine, im Baltikum.

Besonders der deutsche Imperialismus sieht sich massiv angegriffen: Zu geringer Beitrag zur NATO, Missachtung des „2%-Ziels“ beim Militärbudget, mangelndes militärisches Engagement werden rücksichtslos von der Trump-Truppe zur Sprache gebracht. Aber Deutschland ordnet sich dem US-Imperialismus unter, womat es aber seine Stellung in der EU schwächt.

Probleme der Herrschenden!

Es sind die Probleme der herrschenden, der bürgerlich-kapitalistischen und imperialistischen Regierungen und der Kapitalistenklasse in der EU, die diese schwächen und spalten. Jedes dieser Probleme aber bedeutet für die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Angestellten – die Werktätigen der EU wachsende Steuerlasten, Bedrohungen, Sozialabbau, Kriegsgefahr, Rationalisierungen und Arbeitslosigkeit! Sie bezahlen das alles. Konkurrenz der Mächtigen heißt für Arbeiter: niedrige Löhne, schlechtere Arbeitsbedingungen! „Zukunftsprodukte“ in der EU bedeuten im Kapitalismus der EU Jobverlust, Kriegsrüstung Sozialabbau , Bildungsklau, Altersarmut…

Die EU – gegen die Interessen der Arbeiterinnen, Arbeiter, Angestellten, Bauern, Rentner!

Darüber wird kaum ein Wort verloren, nichts über die Interessen der Arbeiterklasse, weder in England, wo Arbeitende massenhaft der EU den Rücken kehren wollen. Kein Wort über die Arbeiterklasse in den anderen Ländern der EU.

Wer spricht davon, dass (wie in andern EU-Ländern auch) aus britischen Sozial-Wohnungen Spekulationsobjekte wurden, dass auch in Großbritannien die Arbeiterviertel verkommen und verfallen. Dafür verantwortlich sind die herrschenden Parteien und das britische Kapital – egal ob sie nun in der EU bleiben oder austreten. Zwar ist die Arbeitslosenrate mit ca. 4 % im EU-Vergleich mäßig, wie in Deutschland gibt es aber einen großen Niedrig- und Niedrigstlohnsektor. Speziell in der so genannten „Gig-Economy“(Internet-basierte Wirtschaft) gibt es extrem prekäre, rechtlose Jobs in großem Umfang. Der Mindestlohn beträgt offiziell 8 Pfund 21, gilt erst ab 25 Jahren, ist extrem nach unten gestaffelt für jüngere Arbeiter/innen. Deshalb heißt es: Ob in der EU oder draußen – wir brauchen mindestens 10 Pfund pro Stunde ohne Altersunterschied. Für das extrem teure London wurde längst ermittelt, dass er dort mindestens 11 Pfund betragen müsste. Also: Wir brauchen stärkere Gewerkschaften, belastbare Tarifverträge! Das sind die Arbeiter-Probleme in Großbritannien, bei denen die EU gewiss nicht hilft, sondern verschärft!

In Griechenland, Spanien dauern bis heute die sozialen Katastrophen an, die die EU mit ihrer neoliberalen Politik abgerichtet hat, auch wenn die Medien heute schweigen. Maßgeblich ist hier Berlin, sind Merkel und ihre Leute die Schuldigen.

Die im EU-Lissabon-Vertrag enthaltene Sozialcharta ist ihr Papier nicht wert. Was sie an wohlklingenden Phrasen über Arbeitnehmerrechte, Tarifverträge, über Solidarität, über Diskriminierungsverbote sagt, wird in jeder Krise in die Tonne getreten! Die von Deutschland diktierte Austeritätspolitik der EU in Griechenland hat das dramatisch demonstriert: Dort wurden Tarifverträge, Gesetze, soziale Standards brachial zerschlagen, massenhaft Rentner, Arbeiter, Kinder ins Elend gestürzt.

Klar ist: Wie keine andere Klasse der Gesellschaft haben Arbeiter Nein zur EU gesagt, aber auch zahlreiche Bauern, durch neoliberale EU-Politik verarmte und in Not gebrachte Menschen.Wen wundert das? Wenn doch die EU-Politik die arbeitenden Menschen in einen ruinösen Unterbietungs-Wettbewerb treibt. Wir haben gemeinsame Interessen. Aber diese EU schafft keine Solidarität, wie sie immer behauptet, sondern immer nur schärfere Konkurrenz.

Keine Empfehlung zur EU-Parlamentswahl!

Wir sind solidarisch mit den Arbeiterinnen und Arbeitern! Es ist egal, ob die britischen Kolleg/innen in der EU sind oder draußen. Wir kämpfen solidarisch mit ihnen wie mit allen Arbeiter/innen weltweit in ihrem revolutionären Kampf um die Befreiung vom Joch des Kapitals!

Wir sind aber nicht solidarisch mit denen, die das Brexit-Votum in ein Geschachere um imperiale Herrschafts- und Wirtschaftsinteressen verfälschen, die die täglich gefährlichere Krise der EU verantworten und die Interessen der arbeitenden Menschen verhöhnen. Wir glauben ihnen nicht, dass sie jemals aus dieser EU ein Gebilde machen, das Arbeiter/innen nutzt.

Die EU bleibt ein imperialistisches, neoliberales, kapitalistisches und kriegstreiberisches Gebilde, ein Feind der Arbeiter/innen- und Angestellten, eine auf Kostensenkung, Arbeitsplatzabbau, Sicherung von Maximalprofit, Durchsetzung der Interessen der Großkonzerne programmierte kapitalistische Macht, eine Union Reichen und der europäischen Monopole.

Besonders der deutsche Imperialismus will sie zu einer Großmacht unter seiner Kontrolle machen – gegen die Interessen der arbeitenden Menschen. Ob europäische Rüstung und Armee, ob verschärfte Repression und Polizeigesetze, ob Sozialabbau, Blockierung des Umweltschutzes, Ausbau unsicherer Arbeitsverhältnisse, Sanierung des Finanzkapitals auf Kosten der Arbeiter und Angestellten, das deutsche Kapital und seine Regierung nutzen die EU zur Durchsetzung ihrer Macht- und Profitinteressen.

Deshalb lehnen wir die EU ab. Wir fordern den Austritt aus der EU, auch aus der NATO!

Und wir verurteilen die Illusionen, die der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Gewerkschaften zur EU und zur Europawahl verbreiten – auch in den Betrieben!

Wir kritisieren die Illusionen, die die Linkspartei mit Ihrer Kandidatur zum EU-Parlament streuen.

Zur EU-Parlamentswahl im Mai werden wir deshalb keine Wahlempfehlung abgeben.

Wir bedauern, dass die DKP und die MLPD, die kämpferische und fortschrittliche Menschen organisieren, nicht einmal den Versuch machten, getrennt mit eigenen Listen kandidieren. Eine einmalige (wahrscheinlich letztmalige) Chance bleibt ungenutzt. Denn hier gilt immer noch keine Prozent-Hürde für die Erlangung eines EU-Mandats. Auch als EU-Gegner hätten wir des begrüßt, durch ein gemeinsames Vorgehen eine fortschrittliche, revolutionäre Stimme der Arbeiterklasse und der Ablehnung der EU in das EU-Parlament zu bringen. Nur gemeinsam könnten sie mehr fortschrittliche und revolutionäre Kräfte anziehen als jeder für sich. Noch nicht einmal einen Versuch zu wagen, ist ein Armutszeugnis, Ausdruck der selbst verschuldeten Schwäche der revolutionären Kräfte in Deutschland – auch angesichts der Herausforderungen der EU.

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