In Zeiten von Corona! Kapitalismus – für arbeitende Menschen der Horror!

Ein paar Beobachtungen

Wie geht Hamstern? Aushang bei Aldi in Stuttgart

In der „Corona-Krise“ mit offenen Augen und Ohren zu Aldi, zu Rewe, zu Edeka gehen! Aber auch hinschauen, wer die Krankenstationen in dieser katastrophalen Lage am Laufen hält, wer für die Krisenprofiteure wie Amazon oder andere Internet-Händler die Waren ausfährt!

Stress pur! Ausbeutung, prekäre Lebensverhältnisse! Man erfährt viel über die Lage der arbeitenden Klasse im modernen Kapitalismus!

Wer schaut hin, wo Menschen ihre Jobs verlieren, wo Chefinnen und Chefs die Läden zumachen, zumachen müssen. Dorthin, wo Werktätige noch nicht wieder gewohnt sind, sich gegen die Zumutungen des Kapitals zu wehren?

Für Banken und Monopole gibt es unbegrenzt Geld – aber wer denkt an die gefährdeten Kolleginnen und Kollegen all der Minifirmen? Wie kommen kleine und kleinste Unternehmen an Geld ? Sie werden um jeden Cent aus dem Hause Scholz kämpfen müssen, vielen droht die Pleite.

Auch die ganz banalen, aber wichtigen Dinge in so einer Virus-Krise: Hygieneartikel, Schutzausrüstungen, so vieles fehlt, ist knapp, treibt dafür aber prächtig die Preise ins Unerschwingliche. „Alles im Griff – Bestens aufgestellt??“ Nichts stimmt an den großspurigen Propagandabehauptungen der Regierenden und Herrschenden.

Ein paar Beobachtungen in der Corona-Republik:

Montag früh, 23. März 2020 – Aldi-Filiale in Stuttgart Wangen: Nach Wochen der Corona-Krise sitzen die Kolleginnen und Kollegen immer noch ohne Schutzmasken an der Kasse. Auch die Kollegen, die im Lager, in den Gängen, an den Regalen schuften, sind ohne Schutzausrüstung. Arbeitshandschuhe vielleicht, aber die gab es immer. Seit heute früh steht eine Kollegin von einer Security-Truppe und regelt vielleicht etwas den „Verkehr“ an den Kassen. Einmal weist sie resolut einen Mann zurecht, der rummotzt, weil er sich mitten in die Reihe in den 2-Meter-Abstand zwischen zwei Leuten reingemogelt hat und nicht einsehen will, dass er sich bitte am Ende der Schlange anstellen soll….

Zwei Kassen sind auf, kaum wird die eine Schlange zu kurz, wird diese Kasse geschlossen, auf die Kollegin warten Tonnen von Ware, die eingeräumt werden müssen. Ein Kollege ist dort schon am Werk, Montag früh ist einer der Horrortage. Ich frage die Kollegin an der Kasse: „Immer noch keine Masken für Euch?“ Sie verneint. Ich erzähle ihr, dass am Samstag bei DM in Stuttgart-Bad-Cannstatt die Kolleg/innen endlich alle Masken hatten.

Samstag, 21. März 2020, DM-Filiale Cannstatt, Marktstr…Viel Betrieb, aber die Kolleg/innen und Kollegen haben endlich Schutzmasken, freilich nur fürs Personal, nicht für die Kunden. Die werden von einer Kollegin putzigerweise an Baumärkte verwiesen, die hätten angeblich welche. Kunden sind nervös und manchmal gereizt, halten aber erstmals Sicherheitsabstand. Klopapier? Leergefegt. Ein Aushang: Pro Person nur eine Packung! Ein Kollege muss mit genervten Kunden diskutieren, die Klopapier bräuchten, aber zum xten Mal vor leerem Regal stehen. Immerhin gibt es ein paar Packungen Haushaltspapier….

5 Minuten später,100 Meter weiter, Rewe-Filiale Badstraße/Karlspassage: Enge, der Laden platzt eh schon aus allen Nähten, Toilettenpapierregal leer. Hier steht im Kassenbereich auch ein Security-Mann, aber nach wie vor keine Schutzausrüstung für Kolleginnen oder Kollegen, auch für Security nicht. Schlangen ziehen sich endlos lang durch die schmalen Regalgänge, weil großer Andrang herrscht, die Kunden aber auch anfangen, auf den Sicherheitsabstand zu achten. Wer hier zusätzlich durchmuss – sei es Kunde oder Personal – da gibt es einfach keinen Sicherheitsabstand.

An den Kassenbändern ist kaum Platz, um Abstand zur Kassiererin zu halten. Neuerdings stehen da drei Selbstbedienungs-(SB)-Scanner-Kassen. Die werden auch genutzt, aber oft gibt´s noch Probleme! Die müssen die Kolleginnen an den Kassen auch noch klären, eine muss mitten im Kassieren hinspringen, um einem mit der SB-Kasse noch ungeübten Kunden zu helfen… „Wie lange müssen Sie noch?“, frage ich sie (ca.12:00 Uhr), als ich dran bin. „Bis 22:00 Uhr…“ „Ups, so lange?“, „Ja, aber ich habe gerade angefangen.“ Für die Firma geschwindelt? 10 Stunden, Samstag! Kein Kommentar, ich wünsche ihr: „Bleiben Sie gesund…“ Sie hört schon nicht mehr hin…

Freitag, 20. März 2020: Apotheke in meinem Stadtteil. Nach wie vor gibt es keine Schutzmasken, weder fürs Personal noch für Kunden. Ist das Merkels und Spahns „bestens aufgestelltes Gesundheitswesen.“ Schutzhandschuhe, Desinfektion? Alles ausverkauft und kein Nachschub in Sicht! Eine Apothekerin ist gereizt und faucht mich an, es gebe keine Masken, basta!, eine Auskunft, wann oder wo es welche geben könnte, lehnt sie brüsk ab. Nervosität! Nächste Apotheke, Stadtteil Gaisburg: gleiche Frage, gleiche Antwort, diesmal freundlicher. Auch hier hat das Personal keine Masken, die Chefin auch nicht. Immerhin hat sie einen Spender mit Händedesinfektion für die Kunden aufgestellt! Auf dem schönen, fast historisch alten Mahgonitresen an zwei festgelegten Bedienplätzen stehen je ein improvisierter, ca. anderthalb Meter hoher Holzrahmen mit Plexiglas, unten eine Handbreit frei zum Durchreichen von Rezepten, Ware und Geld. Schutz? Ein wenig vielleicht.

In den nächsten Tagen werde ich das immer mehr sehen: Beim Imbiss- und Zeitungsstand der RAN-Tankstelle, bei OBI an der Kasse.

Apropos OBI: Weder Masken fürs Personal, und natürlich, auch nicht für mich…Dabei ist ordentlich was los, Leute, die gerade keine Arbeit haben, holen Material für Garten oder Haus.

Freitag Mittag, 20. März 2020, Stuttgart Innenstadt, „Königsbau-Passagen“: Ein Einkaufstempel, dessen kalt-glitzernde Pracht darüber hinwegtäuschen soll, dass in all den Läden dort, egal, ob Luxusshop oder Rossmann-Filiale, Bratwurst-Bude oder Sushi – Bar Kolleginnen und Kollegen zu oft unkontrollierten Arbeitszeiten, prekären Arbeitsverträgen und Niedriglöhnen arbeiten. Ein Wurststand, eine Bäckerei und der Drogeriemarkt haben auf. Der Bratwurstverkäufer sagt. „Heute ist hier mein letzter Tag.“ Und dann?

Aber alles andere ist geschlossen: keine Klamotten, keine Edelmöbel, dasselbe Bild in der ganzen Innenstadt…An zahlreichen Läden gehe ich vorbei: Zwei Tage zuvor schon sah ich in der Königsstraße, dass der „Edel“-Klamotten-Laden Zara ganz geschlossen hat. Dann fiel mir ein, dass in dem kleinen Bäckerei-Shop in meinem Stadtteil, die junge Kollegin, die morgens ab 6 bis 9 Uhr arbeitet, auch schon ein paar Tage nicht mehr da ist. Diese Kolleginnen und Kollegen – wo sind sie? Wovon leben sie? Was ist mit Kurzarbeit?

Am Wochenende Didf-TV (Vgl. https://www.facebook.com/didf.de/videos/511312066197248/?t=11 ): Interview mit der Stuttgarter ver.di-Sekretärin Sidar Carman zur Lage im Einzelhandel. Sie ist zuständig für diesen Bereich. Kollegin Carman (hier und da etwas gekürzt):

Im Textileinzelhandel haben wir wahnsinnig viele Schließungen, nicht, weil der Arbeitgeber die Filialen schließt, um den Gesundheitsschutz der Beschäftigten irgendwie zu achten, sondern weil er schließen muss. Politik und Landesregierungen haben beschlossen, dass jetzt Stück für Stück Filialen schließen. Vor ein paar Tagen bei H&M, das Unternehmen hat bundesweit alle Filialen geschlossen, Zara hat alle Filialen geschlossen, Primark hat jetzt geschlossen.

Teilweise bis zum 31. März – oder wie bei Primark auf unbestimmte Zeit. Zum Glück – muss man sagen – sind hier die Beschäftigten unter Fortzahlung der Löhne und Gehälter freigestellt worden. Aber da gibt es natürlich ganz viel Ängste um den Arbeitsplatz.

Kurzarbeit ist ein Thema im Einzelhandel. D.h. alle blicken auf den Tag, auf den 31. März, der vom Arbeitgeber als Zeitpunkt genannte wurde. Aber was folgt danach??

Die Textileinzelhändler verkünden jetzt schon, dass es auf jeden Fall zu Insolvenzen kommt, zu finanziellen Verlusten, das ist gleichzusetzen mit Existenzangst für viele Beschäftigte. Sie wissen nicht, ob sie die Arbeitszeit reduzieren müssen, also in Kurzarbeit gehen, oder komplett um ihre Arbeitsplätze bangen müssen.

Kurzarbeit im Einzelhandel ist wirklich ´ne komplett andere Situation als Kurzarbeit, z. B., in der Automobilbranche. Wir haben im Einzelhandel ganz geringe Löhne und Gehälter. Es gilt nur in wenigen Häusern, in wenigen Unternehmen der Tarifvertrag, wo man etwas besser verdient als im Branchendurchschnitt. Kurzarbeit bedeutet für die Beschäftigten dort, noch viel weniger in der Tasche haben, als sie jetzt schon verdienen.“

So wird die Krise auf die arbeitenden Menschen abgewälzt. Auf der Welt brennt eine Pandemie los, viele Arbeiterinnen und Arbeiter aber können sich nicht solidarisch um die Kranken kümmern, sondern müssen um die eigene Existenz bangen und kämpfen.

Nun zur Lage in den Supermärkten! Sidar Carman (ver.di Stuttgart):

Es ist ´ne komplett andere Welt im Lebensmitteleinzelhandel. Kurzarbeit und Filialschließungen – das ist überhaupt kein Thema – ganz im Gegenteil: Die Kolleginnen und Kollegen sind dort erheblich überlastet, sie arbeiten am Limit, …berichten, dass sie Sonderschichten arbeiten müssen, nicht nur Überstunden. Ruhezeiten werden nicht mehr eingehalten. Die Kollegen machen fast kaum mehr Pausen. Betriebsräte erzählen, dass sie gar nicht mehr dazu kommen, ihre Sitzungen abzuhalten, weil sie auf der Fläche gebraucht werden. Also, es ist eine wahnsinnige Überlastung der Verkäuferinnen und Verkäufer im Lebensmittelbereich. Da rächt sich wirklich das jahrelange Kaputt-Sparen der Arbeitgeber…

…70-80% des Verkaufspersonals sind Frauen, und die werden nicht nur überbelastet auf der Arbeit, sondern sie müssen gleichzeitig auch die Kinderbetreuung organisieren. Da ist natürlich auch ganz zentral die Forderung, dass diese Betreuung der Kinder all der Beschäftigten, die gerade jetzt für die Versorgung der Gesellschaft aufkommen, endlich auch organisiert wird.

Zur Hygienesituation, zum Gesundheitsschutz: Da kann man wirklich mit wenigen Ausnahmen sagen, die Arbeitgeber im Lebensmitteleinzelhandel kümmern sich überhaupt nicht, kaum um den Gesundheitsschutz. Was wir bisher in den Supermärkten gesehen haben, das ist alles nur improvisiert, diese dünnen Plastik- oder Plexiglas-Scheiben im Kassenbereich – das ist im Grunde überhaupt nicht effektiv, das zeigt eigentlich meiner Meinung nach, dass Gesundheitsschutz nicht im Interesse der Arbeitgeber steht. Gleichzeitig aber schürt das natürlich auch die Ängste der Verkäuferinnen. Die haben Angst – sie haben Angst sich anzustecken – angesteckt zu werden, sie arbeiten mit der Angst, sie kommen mit der Angst auch nach Hause, sie sind heute noch leider unzureichend geschützt. Wir brauchen auf jeden Fall eine Ausweitung des Gesundheitsschutzes!“

Ohne diese harte, ungesunde und aufopferungsvolle Arbeit kein Profit, ohne das rücksichtslose Runtersparen auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen, keine Profitsteigerung und jetzt in der Krise noch mal extra. Ist es wirklich eine Hilfe, wenn jetzt da eine Security-Frau oder dort ein Security-Mann rumstehen?

Ist es wirklich witzig, wenn es kein Toilettenpapier gibt?

Die Wahrheit ist, dass die Handelskonzern-Bosse gar kein Problem damit haben, wenn die Regale mit dem, was alle dringend brauchen, ratz fatz von irgendwelchen Leuten leergekauft werden, die das Zeug dann überteuert im Internet anbieten können. Was Aldi Süd (gesehen in Stuttgart!) sich leistet, ist schon fast offensichtlich Förderung dieses Unwesens. Mahnen Rewe oder DM wenigstens noch, sich mit einer Packung zufrieden zu geben, heißt es bei Aldi an der Tür: „2 X Packungen Klopapier (Sic!) pro Einkauf, 2 X Packungen Küchenrolle pro Einkauf“ Das brauche ich nur wörtlich zu nehmen. Bei Ladenöffnung mit drei Leuten rein, jeder nimmt zwei Stück (wenn frisch nachgefüllt werden konnte), bezahlt, raus und wieder rein, ist ja ein neuer Einkauf…

Und das bei leergefegten Regalen, klar – kein Wunder bei dieser Einladung an Hamsterer. Eine Packung – das würde man verstehen. Ich würde angesichts der Lage verstehen, wenn man sich diese „künstlichen“ Mangelartikel einzeln bei der Marktleitung aushändigen lassen müsste.

Dasselbe Spiel bei Mehl, Nudeln, etc etc.. Der Staat macht nichts! Die zuständige Bundesministerin, Julia Klöckner belässt es bei lauen Reden, hauptsächlich an die „Verbraucher“. Von Maßnahmen, die das Handelskapital zwingen, hier nachvollziehbare Maßnahmen durchzusetzen, hören wir nichts. Klar, die Kasse bei den Albrechts und Schwarz klingelt umso schneller… Kapitalismus eben. Wenn in den Läden überhaupt eingegriffen wird, dann müssen das auch wieder die Kolleginnen und Kollegen machen. Noch mehr Aufgaben! Noch mehr Belastung. Ungebremster Kapitalismus schädigt solidarische, korrekte Menschen und fördert Krisenprofiteure.

Wir werden weiter berichten.