Hannover: Obdachlosendemonstration


Karikatur von Guido Kühn, https://www.guidos-welt.de/ Wir danken für die Überlassung.

Korrespondenz von Heinz Ahlreip

In der November-Dezember Ausgabe 2020 der ‚offeniv‘ – einer Zeitschrift für Frieden und Sozialismus – hat Frank Flegel in seinem Beitrag ‚Zur imperialistischen Corona-Politik der BRD‘ einen sehr interessanten Hinweis, gegeben. Er hat auf einen Zusammenhang aufmerksam gemacht, der in den sich überschlagenden Corona-Meldungen und Warnhinweisen rasch untergehen kann. Frank Flegel verwies auf die im Herbst stattgefundenen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, in denen der Sozialdemokrat Ulrich Mägde als Vertreter der öffentlichen Arbeitgeber den 500.000 im öffentlichen Dienst tätigen Menschen eröffnete: „Die Kassen sind leer“. Das ist angesichts der zirka 350 Milliarden Euro, die der Bund bisher über die Häupter der sogenannten Arbeitgeber inzestuös ausgeschüttet hat, ein dreistes Bubenstück, reiben sich doch die Menschen in der BRD die Augen, wie viel Geld vorhanden ist, wenn es gilt, nicht nur die Kapitalisten während der Pandemie über Wasser zu halten, sondern auch zu sichern, dass diese weiter ihren Profit einstreichen können.

Am 5. Dezember 2020 fand in Hannover ab 13 Uhr eine Demonstration von Obdachlosen statt, aus der heraus 15 Obdachlose im Stadtteil Vinnhorst in der Schulenburger Landstraße in ein leerstehendes Gebäude der Stadt Hannover gelangten, um dort Winterquartier zu nehmen. Hat nun der grüne Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Belit Onay überlegt, na – wenn im Land 350 Milliarden Euro für die Kapitalistenklasse da sind, dann werden doch auch ein paar Tausend Euro für die Obdachlosen, für einfache arbeitslose Menschen, die nicht das Nötigste haben, da sein? Damit sie sich Möbel besorgen können, Nahrung und Heizung für den Winter? Hat er so gedacht? Denken kann man viel, das kapitalistische System, das auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruht, kann ein solch humanistisches Vorgehen nicht zulassen. Stattdessen schaltete der Oberbürgermeister die Polizei ein und der Ortsverein Hannover der ‚Roten Hilfe‘ bereitet sich auf eine Rechtsberatung der 15 Obdachlosen vor, die jetzt in der Innenstadt nicht nur in irgendeiner eiskalten Nische ihren nächtlichen Ruheplatz suchen, und je nach eigener gesundheitlicher Lage mehr oder minder der Lebensgefahr ausgesetzt sind, sondern auch noch eine Anzeige wegen Landfriedensbruch in der Tasche haben. Dabei hatte Onay noch im Sommer den Obdachlosen während ihrer Demo, die vor dem Rathaus Halt machte, versprochen, er werde sich nach Arbeitsplätzen für sie umsehen. Und die bürgerlichen Politikerinnen und Politiker glauben allen Ernstes, dass wir dieses perverse, menschenfeindliche Ausbeutersystem auch noch an unsere Kinder und Enkel weiterreichen werden. Gab doch schon der Aufklärer Voltaire an, dass die Kunst der Politik darin bestehe, das Geld aus den Taschen einer Klasse in die einer anderen zu transferieren.

Nur wenige haben sich am Samstag, dem 5. Dezember mit den Obdachlosen solidarisiert. Man zog es vor, im warmen Sessel die Verdauung zu pflegen. Man täusche sich nicht: Die Pandemie wirbelt vieles durcheinander und wer weiß schon, wer nächsten Winter vor der Tür steht, ohne Wohnungsschlüssel?