Die Notwendigkeit des Lohnkampfes

Die Verbraucherpreise schießen in die Höhe, insbesondere die Energiepreise (so genannte nicht beschränkbare Kosten), und wir stehen erst am Winteranfang! Aber hinter diesen Ankündigungen, die die Kaufkraft von Millionen von Arbeitern, Angestellten, Beamten, Jugendlichen, Älteren und Rentnern usw. ernsthaft schmälern werden, verbirgt sich auch dieser historische Anstieg (der sowohl von Les Echos als auch von der Zeitschrift Alternative économique als solcher bezeichnet wird) der Gewinnspannen der Unternehmen hinsichtlich ihrer Rentabilität. In der ersten Hälfte des Jahres 2021 wird er 35 % erreichen.

Dies ist ein neuer Rekord seit 1949, als INSEE 1) mit der Messung dieser Kennzahl begann. Es besteht kein Zweifel: Macrons „was immer es kostet“ hat es dem Kapital nicht nur ermöglicht, sich den mit der Pandemie verbundenen Risiken zu stellen, sondern auch erhebliche Gewinne zu erzielen. Darüber hinaus gibt es einen weiteren Rekord, nämlich die Erhöhung der Dividenden von siebenunddreißig der CAC 40-Unternehmen 2), die gerade ihre Ergebnisse für das erste Halbjahr 2021 veröffentlicht haben, mit einem Netto-Gesamtbetrag von 57 Milliarden Euro. Dem Kapital geht es gut, danke! Andererseits hat sich die wirtschaftliche Lage der arbeitenden Massen durch die Gesundheitskrise und die allgemeine Kurzarbeit, die für Millionen von Arbeitnehmern über mehrere Monate hinweg zu Lohnkürzungen von mindestens 16 % geführt hat, besonders verschlechtert. Teilarbeitslosigkeit, die in zahlreichen Unternehmen durch den Abschluss von Verträgen des Typs APLD (Langzeit-Teilzeitbeschäftigung) verlängert wird, ohne dass es eine andere Rechtfertigung dafür gibt, als die Löhne zu senken, um die Gewinne zu steigern.

Mit den angekündigten Rekorderhöhungen werden die berühmten „Arbeitskosten“ 3), von denen wir seit Jahren von der Regierung, den Arbeitgebern, den Medien und sogar von den Gewerkschaften hören, durch die „Lebenshaltungskosten“ ersetzt. Dies ist der einzige Indikator, der die soziale Frage vom Klassenstandpunkt aus stellt, vom Standpunkt der Interessen der Arbeiterklasse und der arbeitenden Massen.

Wenn die Bosse und die Regierung nie aufhören, sich auf die Höhe der Löhne zu berufen (denn darum geht es bei den „Arbeitskosten“), um Verlagerungen, Arbeitsplatzabbau, Umstrukturierungen zu rechtfertigen…, so stellt diese Preisexplosion heute die Dinge objektiv auf den Kopf und wirft die Frage der Kaufkraft und folglich der Löhne unter dem Gesichtspunkt der Arbeitnehmerinteressen mit Nachdruck auf. Was sonst ist ein Lohn in der kapitalistischen Gesellschaft, wenn nicht das, was die Erneuerung der Arbeitskraft ermöglicht, um den Arbeitsprozess Tag für Tag fortzusetzen und damit die Möglichkeit, das zu erwerben, was man zum Leben und zur Versorgung der eigenen Familie braucht.

Dass das Kapital ein Interesse daran hat, die Löhne so weit wie möglich zu drücken, um immer mehr Profit zu machen, und dass es dabei auf den Staat zählen kann, ist in dieser kapitalistischen Gesellschaft logisch. Aber diese Logik widerspricht zwangsläufig auch den unmittelbaren Interessen der Arbeiterklasse und der arbeitenden Massen, der großen Mehrheit der Bevölkerung.

Die Reaktionen auf den drastischen Anstieg der Verbraucherpreise sind der Beweis dafür, und in den Medien äußern sich im Moment alle (Präsidentschaftskandidaten oder nicht), auch Bruno Le Maire, zur Frage der Löhne. Aber jenseits aller Reden ist die Erhöhung des SMIC 4) bei der offiziell erfassten Inflation (ohne Energie) auf dem strikten Minimum geblieben, das das Arbeitsgesetzbuch vorschreibt! Die derzeitige wirtschaftliche Realität stellt die Frage der Lebenshaltungskosten in den Mittelpunkt der Forderungen und rückt damit die Frage der Löhne wieder in den Mittelpunkt. Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, nicht einfach nach Firmen getrennt, oft abhängig von den Ergebnissen des Unternehmens, sondern als eine Frage, die sich für die gesamte Arbeitswelt stellt und die es zu lösen gilt. Vielmehr stellt sich die Frage nach dem Grundwiderspruch des kapitalistischen Systems, der kapitalistischen Ausbeutung, welche die Arbeit dem Kapital gegenüberstellt.

Es handelt sich gewissermaßen um eine „Rückkehr zu den Grundlagen“ des Klassenkampfes, die die Arbeiter aus der Atmosphäre der Spaltung und Verwirrung herausholt, die monatelang im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie und der Impfung geherrscht hat. Um diese Frage des Kampfes um die Löhne muss nach diesen schwierigen Monaten ein neues Kräfteverhältnis gegenüber dem Kapital, gegenüber der kapitalistischen Ausbeutung aufgebaut werden. Ein gewerkschaftliches Kräfteverhältnis, aber auch ein politisches und ideologisches. Und in den vor uns liegenden Kämpfen wird auch die Frage des Bruchs mit diesem System aktuell sein.

Anmerkungen:

1) INSEE = Institut national de la statistique et des études économiques, Staatliches Institut für Statistik und ökonomische Studien.

2) CAC 40: Börsenindex der Pariser Börse

3) Auf der Grundlage dieses Konzepts der „Arbeitskosten“ haben die Unternehmer von den aufeinanderfolgenden Regierungen (kampflos) die faktische Befreiung von ihren an die Löhne gekoppelten Sozialversicherungsbeiträgen erhalten. Bei einem Gehalt in Höhe des Mindestlohns sind sie innerhalb weniger Jahre von 40 % auf 12 % gesunken, wodurch das Sozialsystem geschwächt wurde und diese Ausnahmen zu echten „Niedriglohnfallen“ werden. Dies erklärt auch die allgemeine Politik der Erhöhungen in Form von Prämien, die es den Unternehmern ermöglichen, innerhalb der Grenzen zu bleiben, um weiterhin in den Genuss dieser Befreiungen zu kommen.

4) SMIC = salaire minimum interprofessionnel de croissance; Mindestlohn auf der Basis der gesetzlichen Läge der 35-Stunden-Woche

Übersetzung aus La Forge 10/2021, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF);

die Anmerkungen 1, 2 und 4 sind von uns hinzugefügt.