Zwei Jahre nach Hanau

Kundgebung in Hanau am 22.8.2020. Foto von Leonhard Lenz – Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=93601135

Zwei Jahre nach dem rechten Anschlag in Hanau sind weiterhin viele Fragen offen. Die seit der Tatnacht eingeforderte Aufklärung sowie die Konsequenzen bleiben weiterhin aus. Was in den letzten zwei Jahren passiert ist:

Neue Informationen kamen vor allem über das Verhalten der Polizei ans Licht. Ein großes Fragezeichen ist das nicht besetzte Notfalltelefon. Eines der Opfer des Anschlages, Vili-Viorel Paun, versuchte an diesem Abend die Polizei zu erreichen, während er den Täter verfolgte. Später wurde er erschossen, bei der Polizei hatte er nach fünfmaligem Anrufen niemanden erreicht. Das Telefon bei der zuständigen Dienststelle der Polizei war in der Tatnacht wohl nicht ausreichend besetzt. Vili-Viorels Vater stellte Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung, doch die Staatsanwaltschaft Hanau lehnte ein Ermittlungsverfahren mit der Begründung ab, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Nichterreichbarkeit des Notrufs und dem Tod von Vili-Viorel Paun gäbe.

Eine weitere Anzeige stellten Hinterbliebene aufgrund des verschlossenen Notausgangs an einem der Tatorte. Obwohl seit der Tatnacht bekannt war, dass der Notausgang der Arena-Bar verschlossen war, erfuhr die Öffentlichkeit erst ein Jahr später, als die Angehörigen Einsicht in die Akten erhielten. Wäre der Notausgang geöffnet gewesen, hätten die Opfer vielleicht eine Chance gehabt, vor dem Rechtsterroristen Tobias R. zu fliehen. Der Verdacht ist jedoch, dass der Notausgang auf polizeiliche Anweisung geschlossen war, um bei regelmäßigen Razzien die Flucht von Personen zu verhindern. Doch die Staatsanwaltschaft stellte sich auch hier quer und sah den verschlossenen Ausgang nicht als Anlass für Ermittlungen an.

Dass die Rolle der Polizei so wenig hinterfragt wurde, scheint noch perfider, seitdem im Sommer 2021 die SEK-Einheit in Frankfurt wegen rechter Chatgruppen aufgelöst wurde. Von 19 betroffenen Beamten waren 13 in der Tatnacht in Hanau im Einsatz. Überlebende warfen der Polizei schon früh nach dem Anschlag schlechten Umgang mit den Opfern und ihren Familien vor. Die fragwürdige Rolle der Polizei zieht sich wie ein roter Faden durch die Tatnacht.

Aber auch die Familie des Täters rückte in den letzten zwei Jahren in ein neues Licht. Nachdem man in der Tatnacht die Leiche von Tobias R. und die seiner Mutter fand, wurde der Vater Hans-Gerd R. festgenommen und noch am selben Tag wegen fehlender Hinweise auf eine Tatbeteiligung freigelassen. Einige Monate später stellte sich heraus, dass der Vater anscheinend dieselben menschenverachtenden Ansichten wie sein Sohn teilt. In einem Gerichtsverfahren, bei dem Hans-Gerd R. unter anderem aufgrund rassistischer Beleidigungen angezeigt wurde, berief er sich mehrmals auf die Rechtsanwälte des Rechtsterroristen Franco A. Trotzdem wurde gegen Hans-Gerd R. wegen einer möglichen Beteiligung nie ermittelt, doch scheint es immer wahrscheinlicher, dass er in die Pläne seines Sohnes eingeweiht und in der Tatnacht im Täterhaus direkt involviert war. Man muss sich aber auch Fragen, welche Gefahr weiterhin von Hans-Gerd R. ausgeht.

Es ist die Arbeit und der Druck von Hinterbliebenen und antifaschistischen Organisationen, die es uns ermöglichen, zumindest ein etwas klareres Bild von der Rolle des Staates in Fällen von rechtem Terror zu bekommen. Egal ob NSU, Halle oder die Anschlagsserie auf Asylheime in den frühen 90er Jahren – der Staat spielte immer eine entscheidende Rolle. Auch in Hanau deutet alles darauf hin, dass es zu vollständiger Aufklärung noch ein langer Kampf ist.

Am 19. Februar 2022 wird es zum 2. Jahrestag des rechtsterroristischen Anschlages von Hanau in Hanau und in vielen weiteren Städten Aktionen geben. Wir rufen auf, sich daran zu beteiligen!