Ukrainischer Freiheitskampf oder multipolare Friedensordnung? Oder Kampf gegen den Krieg?

Der Krieg in der Ukraine hat innerhalb der linken Bewegung in Deutschland zu heftigen Diskussionen und weit auseinander liegenden Positionen geführt. Die Extreme: Da wird auf der einen Seite aufgerufen, den ukrainischen „Freiheitskampf“ zu unterstützen, während auf der anderen Seite die Verteidigung einer multipolaren Welt und damit eine Verteidigung Russlands gefordert wird. Beide Positionen beruhen auf einer falschen Analyse.

Freiheitskämpfer“

Die erste und sehr viel einflussreichere Position ist die der „linken Unterstützung“ des „ukrainischen Freiheitskampfes“. Was diese so gefährlich macht ist nicht nur die falsche Analyse, sondern auch, dass ihre Verirrungen sich direkt mit den Interessen und der Propaganda der westlichen Kriegstreiber deckt und diese somit bestärkt und Öl ins Feuer der Imperialisten gießt.

Anfang Mai fand in Lwiw, Ukraine ein Treffen des „Europäischen Solidaritätsnetzwerks mit der Ukraine“ statt. Aus Westeuropa nahmen rund zwei Dutzend Anarchisten, Trotzkisten und andere Linke teil. Akweb, eine Plattform, die vor allem von Postautonomen unterhalten wird, berichtet ausführlich und mit linken Phrasen bemäntelt über diese Konferenz (https://www.akweb.de/2022/05/was-wollen-linke-in-der-ukraine-solidaritaets-delegation-in-lwiw/). Es beginnt verlockend:

Ebenso selbstverständlich sollte es sein, an der Seite der Arbeiter*innenklasse und Unterdrückten zu stehen, die in einem Land kämpfen, in dem es nicht leicht ist, Linke*r zu sein und das von einem imperialistischen Staat überfallen wird.“

Solidarität ist ein großes Wort! Doch was ist damit gemeint? Solidarität gegen die eigene Bourgeoisie? Solidarität im Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung? Nein! Auch einige „linke“ Abgeordnete sind laut akweb dabei gewesen: „Søren Søndergaard, der für die rot-grüne Enhedlisten im dänischen Parlament sitzt, die finnische Abgeordnete Veronika Honkasalo vom dort an der Regierung beteiligten Linksbündnis…“

Verschämt verschwiegen wird dabei, dass dies Parteien sind, die sich nun unter linken Sprüchlein für die NATO positionieren. Offen wird zugegeben, dass Hilfsgüter nicht immer bei den Menschen ankommen, sondern in Supermarktregalen landen oder dass Hilfsgelder in die Taschen von korrupten Oligarchen und ihren Helfern fließen sowie Arbeiterrechte mit dem Kriegsrecht ausgehebelt werden. Sympathie wird für das Verbot verschiedener Organisationen und Parteien geäußert. Denn: „Trotz all der Kritik an der Regierung: In der Verteidigung gegen die russische Invasion unterstütze man sie.“

Und in dieser Logik wird dann offen erklärt: „Ihm persönlich falle niemand aus der demokratischen und sozialistischen Linken ein, der sich gegen die bewaffnete Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg ausspreche, sagt Pilash. Auch alle Anarchist*innen, die er kenne, seien klar für den militärischen Widerstand gegen die russische Aggression.“ „Von ihrer Unterstützung profitieren rund 100 Anarchist*innen und andere Linke, die sich den ukrainischen Territorialkräften angeschlossen haben.“

Man kämpft also gemeinsam mit „ukrainischen Territorialkräften“ wie dem faschistischen Asow-Regiment! Das ist echte „Vaterlandsverteidigung“! Gegen Lenins Aufforderung, den Krieg zu nutzen, um gegen die eigene Bourgeoisie zu kämpfen, meinen diese „tapferen Revolutionäre“: „Ja, wie wäre es, wenn ihr schon mal anfangt? Und wenn dann auch in Russland die Waffen gegen den Kreml gerichtet werden, können wir gern nochmal sprechen, dann ziehen wir bestimmt auch nach.“ „Nicht wieder wehrlos und ohnmächtig dazustehen, ist eines von vielen linken Motiven, sich dieses Mal ebenfalls zu bewaffnen.“

Also: Wir fangen nicht mit dem Sturz des Kapitals an. Bitte tretet ihr erstmal vor. Solange morden wir unsere russischen Brüder für die „Freiheit“.

Etwas heuchlerisch heißt es, man dürfe Russen nicht zu Feinden erklären – auch die seien Kanonenfutter. Es gebe unter ihnen „Anständige“. Toll! Erst mal erschießen und dann „Völkerfreundschaft“ rufen! Erst mal mit der eigenen Bourgeoisie in den Kampf ziehen, dann wieder „internationale Solidarität“ rufen. Da werden sich die russischen Arbeiterfamilien, die zuvor ein Opfer durch ukrainische „Freiheitskugeln“ hatten, genauso freuen wie ukrainische Familien, die durch eine angeblich „antifaschistische“ russische Kugel einen Angehörigen verloren haben.

In seinem bedeutenden Werk „Sozialismus und Krieg“ erklärt Lenin: „Aber stellen wir uns einmal vor, ein Sklavenhalter, Besitzer von 100 Sklaven, läge im Krieg mit einem anderen Sklavenhalter, Besitzer von 200 Sklaven, um die „gerechtere“ Neuaufteilung der Sklaven. Es ist klar, daß die Anwendung der Begriffe „Verteidigungs“krieg oder „Vaterlandsverteidigung“ auf einen solchen Fall historisch verlogen und praktisch ein glatter Betrug wäre, begangen von gerissenen Sklavenhaltern am einfachen Volk, an den Kleinbürgern, an der unaufgeklärten Masse. Ganz genauso werden im gegenwärtigen Krieg, den die Sklavenhalter führen, um die Sklaverei aufrechtzuerhalten und zu verstärken, die Völker von der heutigen imperialistischen Bourgeoisie mittels der „nationalen“ Ideologie und des Begriffs der Vaterlandsverteidigung betrogen.“ (Lenin Werke, Bd.21, S.301).

Lenin führt als Beispiel die Besetzung Belgiens durch den deutschen Imperialismus im ersten Weltkrieg an: „Die englische und die französische Bourgeoisie betrügen das Volk, wenn sie behaupten, sie führten den Krieg für die Freiheit der Völker und Belgiens: in Wirklichkeit führen sie ihn, um die von ihnen massenhaft zusammengeraubten Kolonien behalten zu können. Die deutschen Imperialisten würden Belgien usw. sofort freigeben, wenn die Engländer und Franzosen ihre Kolonien „brüderlich“ mit ihnen teilen wollten… Aber Deutschland selbst kämpft nicht für die Befreiung, sondern für die Unterdrückung der Nationen. Es ist nicht Sache der Sozialisten, dem jüngeren und kräftigeren Räuber (Deutschland) zu helfen, die älteren, sattgefressenen Räuber auszuplündern. Die Sozialisten haben den Kampf zwischen den Räubern auszunutzen, um sie allesamt zu beseitigen. Zu diesem Zweck müssen die Sozialisten vor allem dem Volk die Wahrheit sagen, nämlich, daß dieser Krieg in dreifachem Sinne ein Krieg der Sklavenhalter für die Verstärkung der Sklaverei ist.“ (Lenin Werke, Bd.21, S.303-4).

In „Sozialismus und Krieg“ sagt Lenin weiter: „Sozialchauvinismus ist das Eintreten für die Idee der „Vaterlandsverteidigung“ in diesem Kriege. Aus dieser Idee ergibt sich weiter der Verzicht auf den Klassenkampf während des Krieges,…“ (Lenin Werke, Bd.21, S.307).

Und weiter: „Diese Aufgabe findet ihren richtigen Ausdruck nur in der Losung: Umwandlung des imperialistischen Kriegs in den Bürgerkrieg, und jeder konsequente Klassenkampf während des Krieges, jede ernsthaft durchgeführte Taktik von „Massenaktionen“ muß unvermeidlich dazu führen. Man kann nicht wissen, ob eine starke revolutionäre Bewegung im Zusammenhang mit dem ersten oder mit dem zweiten imperialistischen Krieg der Großmächte, ob sie während des Krieges oder nach dem Kriege aufflammen wird, jedenfalls aber ist es unsere unbedingte Pflicht, systematisch und unentwegt in eben dieser Richtung zu wirken.“ (Lenin Werke, Bd.21, S.314).

Das verbreitetste Mittel der Bourgeoisie, das Volk im gegenwärtigen Krieg zu betrügen, ist die Verschleierung der räuberischen Kriegsziele durch die Ideologie der „Völkerbefreiung“. Die Engländer versprechen Belgien, die Deutschen Polen die Befreiung usw. In Wirklichkeit wird dieser Krieg, wie wir gesehen haben, von den Unterdrückern der Mehrzahl der Nationen der Welt geführt, um diese Unterdrückung zu festigen und zu erweitern.

Die Sozialisten können ihr großes Ziel nicht erreichen, ohne gegen jede Art von nationaler Unterdrückung zu kämpfen. Sie müssen daher unbedingt fordern, daß die sozialdemokratischen Parteien der unterdrückenden Länder (insbesondere der sog. ,,Groß“mächte) das Selbstbestimmungsrecht der unterdrückten Nationen anerkennen und verfechten, und zwar ausdrücklich im politischen Sinne des Wortes, d. h. als Recht auf politische Lostrennung. Ein Sozialist, der einer großstaatlichen oder kolonienbeherrschenden Nation angehört und dieses Recht nicht verteidigt, ist ein Chauvinist.“ (Lenin Werke, Bd.21, S.317-8).

Lenins Standpunkt ist eindeutig und eine Richtschnur für revolutionäres Handeln in der gegenwärtigen Situation. Denn der Ukraine-Krieg findet nicht isoliert statt. Er ist Teil des Ringens der Großmächte um die Beherrschung der Welt. Auf der einen Seite steht die emporstrebende kapitalistisch-imperialistische Macht China mit Russland; auf der anderen Seite stehen die schwächer gewordenen USA mit der NATO, EU usw. Der Kampf zwischen diesen Blöcken durchzieht nicht erst jetzt, sondern bereits seit rund 30 Jahren die Welt mit einer riesigen Blutspur. Ob Afghanistan, Libyen, Irak, Syrien, Jemen, Mali und die Sahelzone, Kuba, Venezuela – in all diesen mehr oder weniger gewaltsamen Konflikten und Kriegen stehen im Hintergrund diese Mächte. Sie lassen gern andere für sich sterben, liefern Waffen, machen damit ungeheure Profite für ihre Rüstungsmonopole. Menschenrechte und Freiheit sind ihre Parolen, um die Massen zu betrügen und auf ihre Seite zu ziehen. Die Menschen sollen willig in den Krieg ziehen und ihr Leben lassen – für ihre eigenen Ausbeuter!

Multipolare Welt verteidigen?

Auf der anderen und sehr viel marginaleren Seite stehen linke Organisationen und Medien wie unter anderem der Rotfuchs, die KPD und die DKP, die mehr oder weniger Verständnis für Russlands Krieg zeigen oder sich um eine klare Stellungnahme gegen den russischen Angriff auf die Ukraine drücken. Dabei wird die sozialistische UdSSR, die uns vom Hitler-Faschismus befreite, mit dem heutigen Russland Putins vermischt. So schreibt der Rotfuchs: „Wir stehen für alle Zeiten in der Schuld des Landes, das im Zweiten Weltkrieg 27 Millionen Menschen verlor. Das scheint hierzulande weitgehend vergessen.“ (Arnold Schölzel im Leitartikel, Ausgabe Mai 2022). Diese Position ist zwar in der absoluten Minderheit in der deutschen Öffentlichkeit, sie ist jedoch in dem Maße fatal wie sie die Friedensbewegung beeinflusst und somit diskreditiert, indem sie eine falsche Analyse zur Grundlage nimmt.

Doch klar ist: Das heutige kapitalistisch-imperialistische Russland hat mit der sozialistischen UdSSR nichts mehr zu tun. Alte, revisionistische Parteikader sind heute Monopolkapitalisten und beherrschen den Staat gegen die Arbeiterklasse. Auf S.2 der gleichen Ausgabe wird von Hans Schoenefeldt behauptet, Russland habe sich in der Ära Jelzin unter „neokoloniale Kontrolle“ begeben, die Putin nun abschüttele. Putin als antikolonialer Kämpfer, der Russland vom Joch des westlichen Imperialismus befreit? Eine kuriose Darstellung.

Ebenda wird aus der „jungen Welt“ vom 5. April Rudi Hechler zitiert: „’Der Einmarsch in ein anderes Land ist durch nichts zu rechtfertigen. Weder durch den Hinweis auf eigene Sicherheitsinteressen noch durch die Kette völkerrechtswidriger Kriege der NATO. Der Imperialismus aber, das erleben wir in unserem langen Leben zum wiederholten Mal, ist in der Lage, Umstände zu schaffen, die die betroffenen Staaten bei Strafe ihres Untergangs zwingen, Maßnahmen zu ergreifen, die durch nichts zu rechtfertigen sind außer durch den Selbsterhaltungstrieb.‘ Und genau um den geht es.“

Also ist der Einmarsch in ein anderes Land dann doch zu rechtfertigen?! Und eifrig wird weiter entschuldigt: „Weder die Sowjetunion noch Rußland wollten oder wollen seit ihrer Existenz jemals einen Krieg. Es ist die NATO, die den gegenwärtigen Krieg geradezu herbeigeschrieben und -geschrien hat.“

Auch hier wird wieder die sozialistische Sowjetunion mit dem heutigen kapitalistisch-imperialistischen Russland in einen Topf geworfen. Dabei hat Russland in den letzten Jahrzehnten im Kampf um die Vorherrschaft auf der Welt keine Samthandschuhe getragen. Russland hat militärisch im Nahen Osten, Asien und Afrika interveniert, Waffen geliefert, Söldner geschickt – genauso wie der US-Imperialismus und die NATO das auch tun. Dabei hat oft der US-Imperialismus seine Ziele nicht erreicht bzw. wie in Afghanistan eine Niederlage erlitten. Das heutige kapitalistisch-imperialistische Russland ist nicht das bedauernswerte „Opfer“, als das es sich darstellt, sondern agiert militärisch massiv.

Karin Leukefeld darf dann auf S.6 des Rotfuchs, Mai 2022, behaupten: „Es geht darum, ob der westliche US-geführte Block aus NATO, EU und Partnern andere geopolitische Zentren auf der Erde respektiert oder ob dieser „westliche Block“ sich dem US-Plan unterwirft, als „einzige Weltmacht“ über die Erde zu herrschen…. Nun ist dieser Krieg in Europa angekommen und richtet sich gegen die Russische Föderation. Die marschierte am 24. Februar in die Ukraine ein, um das Land zu entmilitarisieren und die nazistischen Kräfte in Militär und Politik zu vertreiben.“

1993 bezeichnete Putin, damals noch zweiter Bürgermeister von St. Petersburg, in einem Vortrag vor deutschen Wirtschaftsvertretern den chilenischen Mörder und Faschisten Pinochet als sein Vorbild. Er unterschied zwischen „krimineller“ Gewalt, die auf die Beseitigung der „Marktwirtschaft“ ziele und einer „notwendigen“ Gewalt, wenn diese private Kapitalinvestitionen fördere und schütze. Das wurde übrigens damals von anwesenden deutschen Firmenvertretern und dem stellvertretenden deutschen Generalkonsul mit freundlichem Beifall aufgenommen. (Quelle: Neues Deutschland, 31.12.1993) Unter Kapitalisten war man sich einig, dass Gewalt und Diktatur zum Schutz des Kapitals notwendig ist.

Putin verurteilte mehrfach die gerechte Nationalitäten-Politik Lenins und Stalins. Er griff sie an, weil sie der Ukraine nationale Unabhängigkeit zugestanden haben. In seiner Rede an die Nation vom 21.02.2022 meinte Putin: „Also, dies zuerst: Die heutige Ukraine wurde voll und ganz und ohne jede Einschränkung von Russland geschaffen, genauer: vom bolschewistischen, kommunistischen Russland. Dieser Prozess begann im Grunde gleich nach der Revolution von 1917. Lenin und seine Mitstreiter gingen dabei äußerst rücksichtslos gegen Russland selbst vor, von dem Teile seiner eigenen historischen Gebiete abgetrennt und abgestoßen wurden. …

Vom Standpunkt des historischen Schicksals Russlands und seiner Völker waren die Leninschen Prinzipien des Staatsaufbaus nicht nur einfach ein Fehler, sie waren, sozusagen viel schlimmer als ein Fehler. Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ist das vollkommen offensichtlich. …

Lenin (…) schlug vor, Zugeständnisse an die Nationalisten zu machen, an die „Unabhängigkeitler“, wie er sie damals nannte. Auf Basis genau dieser Leninschen Ideen eines konföderativen Staatsaufbaus und der Parole vom Selbstbestimmungsrecht der Völker bis hin zur Abspaltung wurde dann die sowjetische Staatlichkeit errichtet; 1922 wurden sie in der Erklärung zur Gründung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken verankert, und dann, nach dem Tod Lenins, 1924 in der Verfassung der UdSSR.“

Und so ein Antikommunist und Pinochet-Anhänger soll die Ukraine „entmilitarisieren und die nazistischen Kräfte in Militär und Politik zu vertreiben“?

Das Argument, dass Russland sich verteidige und sich gegen die Dominanz der USA und der NATO wehre, dass es wichtig sei, eine multipolare Welt zu erhalten, ist bei vielen Linken sehr beliebt. Um eine solche multipolare Welt zu erhalten und eine unumschränkte Herrschaft des US-Imperialismus zu verhindern, müsse man Russland und China unterstützen. Diese These wird vom Rotfuchs lautstark vertreten. Sie ist allerdings gegen Lenins Analyse vom Imperialismus gerichtet. Denn nach dieser These ist es Aufgabe der Arbeiterklasse und der Revolutionäre, sich um das Wohlergehen des einen Konkurrenten im Kampf um die Weltherrschaft zu kümmern und diesen zu unterstützen, damit der andere nicht siegt. Das machen die Imperialisten schon selbst. Denn da will keiner untergehen. Wer davon ausgeht, dass eine Alleinherrschaft durch einen Imperialismus real möglich sei, hängt offensichtlich der Theorie vom Ultraimperialismus an, die Karl Kautsky auftischte, um den Imperialismus zu verherrlichen. Kautsky schloss daraus, dass Frieden möglich sei, wenn es nur noch einen Imperialismus gibt. Lenin wies nach, dass dies aufgrund der ungleichmäßigen Entwicklung der verschiedenen imperialistischen Mächte unmöglich sei. Stattdessen gebe es immer wieder imperialistische Mächte, die absteigen und andere die aufsteigen. Gerade dies sah Lenin als Quelle der imperialistischen Kriege an. Daher wird es immer wieder Kriege um die Neuaufteilung der Welt geben, solange es Kapitalismus und Imperialismus gibt.

Sicher können im Einzelfall kleine Staaten und deren Bourgeoisie die Widersprüche zwischen den aktuell großen imperialistischen Blöcken ausnutzen, um etwas mehr Spielraum für ihre eigenen Interessen zu haben. Doch das ist begrenzt und zudem nur vorübergehend. Mit der Veränderung der Machtverhältnisse kann man auch den „Schutz“ einer imperialistischen Macht verlieren. Zudem verlangen die imperialistischen „Schutzherren“ ihren Preis in Form von Rohstoffen, Zugang zu Märkten. Das Ausnutzen der imperialistischen Widersprüche ist also kein dauerhaftes Konzept für den nationalen und sozialen Befreiungskampf der unterdrückten Völker. Der einzige dauerhafte Weg ist ein konsequenter antiimperialistischer Kampf und eine antiimperialistische Revolution.

Wir haben dazu oben Lenin zitiert. Seine Aussage ist klar und eindeutig: „Es ist nicht Sache der Sozialisten, dem jüngeren und kräftigeren Räuber (Deutschland) zu helfen, die älteren, sattgefressenen Räuber auszuplündern. Die Sozialisten haben den Kampf zwischen den Räubern auszunutzen, um sie allesamt zu beseitigen.“

Das ist unsere Position! Wir werden weder den „Freiheitskampf“ der Ukraine unterstützen noch den „antifaschistischen“ Kampf Russlands. Wir werden in Deutschland gegen Aufrüstung und Kriegsbeteiligung mobilisieren. Wir werden gleichzeitig alle Bestrebungen der Arbeiterklasse und der Völker in allen Ländern solidarisch unterstützen, die sich gegen diesen Krieg und die eigenen Herren wenden. Wir haben schon mehrfach die Beispiele von italienischen und griechischen Arbeiter/innen angeführt, die Waffentransporte der NATO verhindert bzw. behindert haben. Ebenso haben wir das Beispiel belorussischer Arbeiter/innen propagiert, die russische Waffentransporte ver– und behindert haben. Wir sollten uns in Deutschland daran ein Beispiel nehmen und dies in den Gewerkschaften und unter den Kolleg/innen verbreiten.

Die nächsten Jahre werden schwierig werden. Denn der Kampf zwischen USA, NATO, EU einerseits und China mit Russland andererseits um die Weltherrschaft wird mit dem Krieg in der Ukraine nicht beendet sein, sondern weltweit weiter gehen. Dabei wächst auch die Gefahr eines Weltkrieges! Abgesehen davon besteht auch die Möglichkeit, dass sich der Krieg in der Ukraine jahrelang ausdehnt. Egal wie, der Druck auf die revolutionären Kräfte wird zunehmen. Wir werden als „vaterlandslose Gesellen“, als „Putin-Versteher“, als „NATO-Freunde“ verleumdet und angegriffen werden. Man wird uns zwingen wollen, für den einen oder anderen Räuber Partei zu ergreifen und seinen Krieg als „gerechtfertigt“ anzuerkennen. Doch unsere Wahl ist bereits getroffen: Wir werden mit der allmählich erwachenden Arbeiterklasse gegen den Krieg und gegen das imperialistische System, für die Beseitigung des Kapitalismus und eine andere, sozialistische Gesellschaft kämpfen!