Interessen in der Ukraine: Imperialistische USA, demokratisches Deutschland?

Mit dem Einzug Trumps in das Weiße Haus wurde der Ton der USA gegenüber der Ukraine rauer: Man solle dankbarer sein, Rohstoffdeals unterzeichnen und wissen, dass man ohne die USA nichts mehr gegen Russland ausrichten könne. Die USA will nach jahrelanger Unterstützung im Krieg gegen Russland ihren Anteil und sich unter anderem seltene Erden sichern. In der EU und Deutschland war der Aufschrei groß und das Vorgehen Trumps wurde genutzt, um sich selbst als Demokraten zu inszenieren, die die Ukraine unabhängig von eigenen Interessen weiterhin im Sinne der Menschenrechte unterstützen. Doch wenn man genauer hinschaut, dann liegen auch die deutschen Interessen, auch die der neuen Regierung, offen zutage.

Alte Deals werden in Frage gestellt

Mit dem Verkünden des Rohstoffdeals mit den USA, dessen Einzelheiten noch verhandelt werden, wurden einige Sicherheiten, mit denen man in der EU rechnete, in Frage gestellt. So hielt die EU zuletzt 2020 die Notwendigkeit fest, in kritischen Rohstoffen unabhängiger zu werden. So wie die seit dem Ukraine-Krieg vieldiskutierte Abhängigkeit von Russland bei fossilen Brennstoffen sollte bereits damals in Bezug auf kritische Rohstoffe (30 davon trug die EU in einer Liste zusammen, darunter Lithium, Mangan und Kobalt) die Abhängigkeit von Drittstaaten (vor allem China, das die Lieferketten bei seltenen Erden dominiert), reduziert werden, um im digitalen Wandel auch sicher eine führende Rolle auf dem Weltmarkt zu spielen. In diesem Rahmen legte die EU 2020 einen „Aktionsplan zu kritischen Rohstoffen“ vor, dem 2021 eine strategischen Partnerschaft mit der Ukraine folgte, die besonders auf Batterieproduktion ausgerichtet war. (https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-und-ukraine-bringen-strategische-partnerschaft-fur-rohstoffe-und-batterien-auf-den-weg-2021-07-13_de)  Mit dem Deal zwischen Ukraine und USA, der die EU nicht miteinbezieht, wird dieser Zugriff nun in Frage gestellt.

Deutsches Kapital bekräftigt Interesse

Diese Entwicklung, wenn auch in der EU mit großen Aufschrei begleitet, ist keineswegs eine Überraschung. Denn es war abzusehen, dass im Fall einer Präsidentschaft Trumps die Partnerschaft von USA und EU mit einem anderen Ton begleitet werden würde. In diesem Rahmen bereitete sich auch das deutsche Kapital darauf vor, seinen Willen in Bezug auf die Ausbeutung ukrainischer Rohstoffe erneut zu bekräftigen.

Während Trump das US-Interesse offen heranstellt, wird in deutschen Publikationen von Kapitalvertretern gerne die Zukunft der Ukraine in den Vordergrund gerückt, für die hohe Summen für den Wiederaufbau benötigt werden. In sogenannten „Wiederaufbaukonferenzen“ der letzten Jahre wurde bereits darüber diskutiert, wie Deutschland die Ukraine dabei unterstützen könne – nicht ganz uneigennützig: „Wissen sollte man in Deutschland außerdem, dass die Ukraine nicht um Geld aus dem deutschen Staatshaushalt bettelt. Sie fragt vielmehr nach Darlehen, die verzinst zurückgezahlt werden. Davon profitiert letztendlich auch die deutsche Wirtschaft. Denn die dringend benötigten Energieanlagen werden von deutschen Firmen hergestellt“ – so offenherzig warb der taz-Autor Juri Larin 2024 für Verständnis in der deutschen Bevölkerung für die Ukraine-Unterstützung (https://taz.de/Ukraine-Wiederaufbaukonferenz/!6015066/). Schon jetzt schuldet der ukrainische Staat 70% seiner Schulden ausländischen Gläubigern, wobei auch Deutschland sich durchgehend um ein Stück vom Kuchen bemüht. 2023 brachte unter anderem Friedrich Merz persönlich einen Antrag im Bundestag ein, nach dem es der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) ermöglicht werden sollte, mehr in der Ukraine zu investieren, weil dies „im unmittelbaren Interesse Deutschlands“ sei, „da so Auslandsinvestitionen in Entwicklungsländern und potenziell attraktiven Auslandsmärkten unterstützt werden“. (https://dserver.bundestag.de/btd/20/071/2007189.pdf)

Genau wie die Investitionen, von denen das deutsche Kapital ganz direkt profitiert, werden auch die Rohstoffdeals mit der Ukraine als eine Wohltat am ukrainischen Volk verkauft: „Neben der militärischen Verteidigung ukrainischer Souveränität ist es deshalb wichtig, die Wirtschaft zu stützen, damit Erholung, Wiederaufbau und EU-Integration gelingen können“, heißt es in einer Studie der kapitalnahen Bertelsmann-Stiftung von Mai 2024. Die Autorin Miriam Kosmehl betont zudem gegenüber dem ZDF die Bedeutung kritischer Rohstoffe aus der Ukraine, die tatsächlich „für uns elementar wichtige Rohstoffvorkommen und seltene Mineralien anzubieten“ habe. Und selbst die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt offen: „Als EU-Mitglied könnte [die Ukraine] die europäischen Abhängigkeiten bei strategischen Rohstoffen massiv lindern und aus den Erlösen der Rohstoffe bzw. der bei Verwendung im eigenen Land an sie anschließenden Wertschöpfungsketten die hohen Wiederaufbaukosten finanzieren. Als Teil Russlands hingegen würde die Ukraine dessen Marktmacht massiv vergrößern oder würde bei dauerhaft schwelendem Konflikt neutralisiert, weil niemand unter den Risikobedingungen investieren würde.“

Von Titan bis Taurus

Auch die Stiftung der neuen Regierungspartei CDU, die Konrad-Adenauer-Stiftung, betont den Wert der ukrainischen Rohstoffe in einem Papier von August 2024: „Die Bedeutung des existenziellen Abwehrkampfes der Ukraine im russischen Invasionskrieg geht weit über völkerrechtliche und militärische Aspekte hinaus. Geografisch und aufgrund ihres enormen Rohstoffreichtums ist die Ukraine im Osten Europas von geopolitischer Relevanz. Zugleich stellt sie eine potenzielle geoökonomische Rohstoffbasis für eine Reihe strategischer Schlüsselindustrien Westeuropas dar“. In dem Papier wird nicht nur die Bedeutung der Rohstoffe für die digitale Transformation, sondern besonders für die Rüstung hervorgehoben: „von Titan bis Taurus“.

Angesichts der Offenheit, mit der das deutsche Kapital seine Absichten in der Ukraine formuliert, kann es überraschen, wie glaubwürdig die Erzählung von der „selbstlosen“ Unterstützung Deutschlands für die Ukraine noch immer ist. Dies dürfte auch mit dem Politikstil in Deutschland zu tun haben, der aufgrund der eigenen Geschichte und der traditionell weit verbreiteten Ablehnung von Kriegsbeteiligung in der Bevölkerung umso mehr auf demokratische Hüllen für den imperialistischen Inhalt seiner Vorhaben angewiesen ist. Bei einem klaren Blick hinter die Kulissen zeigt sich jedoch, vor welchem Hintergrund das aktuelle Pokern um die Ukraine stattfindet. Für die ukrainische Bevölkerung, die sich seit Herbst in der Mehrzahl für Friedensverhandlungen ausspricht, bleibt dieses Pokern um Rohstoffe ein schlechter Deal – denn je nach den Berechnungen der verschiedenen Player kann auch die Verlängerung des Krieges das Ergebnis sein. Der Weg von Titan zu Taurus funktioniert schließlich auch umgekehrt.