Korrespondenz: Besuch bei der ARGE-Chemnitz

Liebe AZ-Freunde!
Ich möchte heute wieder einmal von meinen Erlebnissen bei der ARGE – Chemnitz
berichten:
Ein halbes Jahr „ALG II – Bewilligung“ ist wieder mal rum und ich
mußte mich auf die „Einladung“ der ARGE hin dort melden.
Zu meiner Verwunderung wurde ich von meiner Managerin auf die Anwesenheit einer
zweiten Dame hingewiesen. Ich erkläre mir diese als Vorsichtsmaßnahme, da ich
zu früheren „Einladungen“ meinen Standpunkt auch schon mal etwas
lauter zu vertreten wußte. Widerworte hört man nicht gern.
Entwürdigend ist stets von neuem, daß man sich fast einer hochnotpeinlichen
Befragung gegenüber sieht.
Seit mehr als zehn Jahren bin ich arbeitslos. In dieser Zeit haben es weder
Arbeitsamt noch ARGE fertig gebracht, mir eine menschenwürdig entlohnte Arbeit
zu beschaffen. Trotz unermüdlicher Eigenbemühungen ist es mir noch weniger
gelungen. Aus meinem kommunistischen Standpunkt machte ich auch dieses Mal kein
Geheimnis, als wiederum gefordert wurde, ich solle mich noch mehr um Arbeit
bemühen. Mein Minijob genüge bei weitem nicht.
(Job = Gelegenheitsarbeit).
Nun, stets antworte ich darauf, daß mir ein Kapitalist keine Arbeit meines
netten Wesens halber gibt.
Nein, er muß sich von meiner Arbeit einen Profit versprechen. Darüber hinaus
muß man sich unterwürfig zeigen. Dies werde ich aber niemals tun!
Für mich als langjährigem Kulturarbeiter und über 50-Jährigem ist da heutzutage
fast nichts mehr drin.
Außerdem mache ich aus meiner Gewerkschaftsmitgliedschaft auch kein Geheimnis!
Ganz im Gegenteil.
Ich machte deutlich, daß ich keinerlei sinnlose Bewerbung mehr abgeben würde
und fragte die Damen, ob sie mir darin nicht beipflichten könnten? Nein, kam
die Antwort. Ihr Arbeitgeber (die ARGE) würde es ihnen abverlangen, die
Arbeitslosen auch zu den sinnlosesten Bewerbungen aufzufordern. Die fordere nun
mal das Gesetz.
Nun, ich ließ durchblicken, daß auch von ihnen eines Tages Rechenschaft
gefordert werden könnte, was sie für die entrechteten Menschen getan hätten.
Sie lächelten daraufhin etwas verbissen. Vielleicht haben sie noch ein
Gewissen?
Aufgefallen ist mir, daß im Warteraum mehr als früher von den bestellten
Arbeitslosen gegen die Zustände gemotzt wird. Leider kommt aber dann die
resignierende Feststellung, man könne doch sowieso nichts dagegen tun. Ich habe
meine AZ-Exemplare wieder dort ausgelegt und darauf hingewiesen, man könne
darin Anregungen zum Widerstand finden. Als ich wieder in den Wartebereich kam,
waren sie verschwunden… Vielleicht stecken sie jemandem ein Licht auf?
Auch den beiden ARGE-Damen habe ich wiederum ein AZ-Exemplar mit meiner
Leserzuschrift hinterlassen. Sie haben´s genommen. Das freute mich.
Aus meiner Erfahrung heraus möchte ich allen ALG II – Beziehern raten, sich
nicht zu verstecken und offensiv aufzutreten. Was haben wir zu verlieren? Den
Kapitalismus!
Solidarische Grüße – H.