Neues aus einigen Daimler-Benz-Werken

Werk Gaggenau/Rastatt (Werk 30):Weitere Lohnsenkungen und Verlust von Besitzständen.

Am 28. April 2009 fand wegen „der Wirtschaftslage des Unternehmens“ eine weitere Betriebsversammlung im Werk 30 statt. Für die rund 5 000 Mitarbeiter/innen musste eine Beschallung nach außen angebracht werden, weil nicht alle in die Halle gepasst haben. Die wirtschaftliche Lage war und ist weiterhin krisenhaft.

Im ersten Quartal 09 war ein Gesamteinbruch von 28 % gegenüber 2008 zu verzeichnen: Bei der Truck-Produktion um 43.2 % ( auf 21.808 Einheiten), bei der die Van-Produktion um 50,3 % (auf 12268 Einheiten) gegenüber dem ersten Quartal 08. Bei der AP(Außenplaneten)-Achsen-Produktion sind dies 400 Stück pro Woche anstatt pro Tag wie im Boomjahr 2008. Der Gesamteinbruch setzt sich in den anderen Produktionsbereichen des Werks Gaggenau fort.

Die Montage arbeitet dies ganze Jahr statt im Dreischicht- nur noch in Zweischicht-, seit Mai 09 nur noch im Einschicht-Betrieb. Der Großteil der restlichen Abteilungen des Werks wird vom Dreischicht- in den Zweischicht-Betrieb zurückgeführt. Dies ist verbunden mit einer Lohnsenkung, einem tiefen Griff in die Taschen der Mitarbeiter. Außerdem – der Hammer – werden die Pausen nicht mehr, wie noch im Dreischicht-Betrieb, bezahlt. Ferner ändern sich die Pausenzeiten und es gibt auch keine Nachtschichtzuschläge mehr, was einen Entgeltverlust von ca. 150 Euro ausmacht.

Am 26.04.09. wurde spät abends das „Maßnahmenpaket zur Senkung der Arbeitskosten zur Beschäftigungssicherung“ unterschrieben. Die Vereinbarung trat dann am 01. Mai in Kraft und endet am 30.06.2010. Einen Monat vor Auslauf wird über eine mögliche Verlängerung beraten. Unternehmensleitung (UL) und Gesamtbetriebsrat(GBR) können für das Gesamtunternehmen bzw. für einzelne Unternehmensteile vereinbaren, die Arbeitszeitkürzung aufzuheben, wenn sich eine stabile Verbesserung abzeichnet. Der Betriebsratsvorsitzende des Werks Gaggenau, Brecht, sieht in der Vereinbarung ein Vorbild für den ganzen Konzern. Jedenfalls werden die Belegschaften vom Konzern wie immer zur Kasse gebeten. Jahrelang habt man ihnen „zur Sicherung der Arbeitsplätze“ Opfer abverlangt:

  • Anrechnung von Tariferhöhungen auf übertarifliche Bestandteile,

  • der so genannte „Rastatt-Lohnverzicht“,

  • Reduzierung der Steinkühlerpause durch die Standorterpressung 1996.

  • Und wer erinnert sich nicht noch an 2004 und die schärfste Auseinandersetzung, die diese Belegschaft mit dem Konzern bisher geführt hat., in der uns 500 Millionen Euro pro Jahr an Einsparungen abgepresst wurden.

Die Großen wollen halt weiter Wein saufen und uns die Wasserrationen kürzen.

Kredit von der Belegschaft!

Die vereinbarte Ergebnisbeteiligung wird im Jahr 2009 nicht ausbezahlt. Vereinbart wurde, dass 1900 Euro Ergebnisbeteiligung als „Mitarbeiter-Guthaben mit Gewinnbeteiligung“ im Unternehmen verbleiben. Der Vorstand ist zu einer Verzinsung von 5 % bereit. Welch Großzügigkeit des Unternehmens. Demnach erhalten alle Beschäftigten im Mai 2010 2003 Euro statt 1900 Euro Ende 2009. Vereinbart ist noch die Option, diese Zahlung auf Oktober 2010 weiter hinauszuschieben. Dann würde jeder Mitarbeiter 2045 Euro erhalten. Ehemalig Befristete und ausscheidende Kollegen bekommen die 1900 EUro ausbezahlt.

Im Ganzen sind dies fast 300 Millionen Euro, die dem Kapital als Kredit von den „lieben Mitarbeiter/innen“ zugeführt werden. Genehmigt vom GBR, obwohl allen Mitarbeiter/innen in diesem Jahr erhebliche Entgeltverluste zugemutet werden:

  • Arbeitszeitkürzung ab 01. Mai 09 –: Die Forderung der Unternehmensleitung von minus 5 Std. (-14 %) für alle. Geeinigt hat man sich auf eine Absenkung von -8,75 % der Arbeitszeit und entsprechende Entgeltabsenkung; für den Dienstleistungsvertrag 7.7 % – weniger Arbeitszeit sowie entsprechende Verdienstminderung.

    Diese Arbeitszeitkürzung bringt den Daimlerbossen allein 200 Millionen Euro.

  • Volles Urlaubs- und Weihnachtsgeld nur durch Kürzungen an anderer Stelle!.

    Arbeitszeitverkürzung auf 28 Stunden mit entsprechendem Lohnabzug für alle Azubis, die 2009 auslernen.

  • Keine Lohnerhöhung zum 1. Mai 2009, sondern erst am 1. Oktober 2009 und dann auch noch reduziert, weil der GBR eine nicht effektive Lohnerhöhung akzeptierte. Die Einmalzahlung von 122 Euro reduziert sich entsprechend auf 45,75 Euro. Die Unterschriftensammlung, mit der die IGM von den Mitgliedern beauftragt wurde, für die volle Lohnerhöhung zu klagen, ist damit hinfällig geworden. Welch eine Entmündigung von Gewerkschaftsmitgliedern!

  • Ab 01. Mai 09. deutlich gekürzte Aufzahlung, also  schlechtere Bezahlung für Kurzarbeiter. Dazu ein Beispiel: Wer durch Kurzarbeit nur noch 60 % seiner bisherigen Arbeitszeit erreicht, erhält einen betrieblichen Zuschuss, der 86,5 % seines vorherigen Nettoentgelts absichert.

    Die Netto-Absicherung für die von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten sinkt aber, je nach Anzahl der Kurzarbeitszeittage sinken. Die Höhe des Zuschusses durch den Arbeitgeber orientiert sich also am Umfang der Kurzarbeit im Betrieb. Für die Niederlassungen wird lokal über die Einführung von Kurzarbeit entschieden. Dabei sollen ebenfalls alle Beschäftigten einbezogen werden. In den Niederlassungen, in denen Kurzarbeit vereinbart ist, steht auch das Instrument der Arbeitszeitverkürzung im Umfang von 8.3 % für eine lokale Vereinbarung zur Verfügung, so die neue Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit bei den Niederlassungen.

  • Auzubildende! Der Betriebsrat konnte verhindern, dass 20 Prozent der Auszubildenden, wie ursprünglich vorgesehen, nach der Lehre auf der Straße landen. Denn hätte man nur 80 Prozent übernommen, hätte dies allein für Rastatt bedeutet, dass 13 junge Leute auf der Straße gestanden wären. 80 Prozent der Auszubildenden der Einstellungsjahrgänge 2006 und 2007 werden nun unbefristet übernommen. Die restlichen 20 Prozent allerdings nur befristet für 12 Monate.

  • Betriebsbedingte Kündigungen sind für die nach dem August 2004 Eingestellten. Ausgeschlossen, allerdings nur bis Ende des Jahres. Das ist keine Absicherung, die den Kollegen eine Perspektive gibt. Sie sitzen weiter auf der Schleuder.

Eines ist doch sicher: der Vorstand geht der Belegschaft massiver an die Löhne als je zuvor, dies mit Zustimmung des GBR und der Mehrheiten im Betriebsrat. Ob die Belegschaften dies so akzeptieren, wird gar nicht erst gefragt. Von der Spitze des Betriebsrats wird behauptet, der Lohnverzicht sei berechtigt und notwendig. Tatsache ist aber trotzdem: wenn es ein Liquiditätsproblem gibt, ist es da nicht viel eher berechtigt, das Geld von denen zurückzuholen, die sich die letzten 15 Jahre bereichert haben?

Sondersituation im PKW-Werk Rastatt (Werk 54):

Hier wurde die Betriebsversammlung von rund 3 500 Mitarbeiter. Jeder der rund 5 600 Beschäftigten im Rastatter Werk hat eigene Probleme. Glücklich über die getätigten Abschlüsse ist natürlich keiner. Betriebsratsvorsitzender Fischer: „Bei dem Kompromiss haben wir zwangsläufig auch Kröten schlucken müssen.“ Schwere Einbußen in der Lohntüte sind die Folge. Diese Einbußen liegen im Gesamtkonzern zwischen 6.5 % und 19.5 %. Dies ist ein herber Verlust für die einzelnen Mitarbeiter. „Ohne Entlassungen durch die Krise“, so kam es als Signal vom Betriebsrat an die Belegschaft rüber. Nach einem Verlust von 1,3 Milliarden Euro nach Steuern und einem Umsatzeinbruch von 22 % auf 18,7 Milliarden Euro im ersten Quartal 2009 setzt Daimler nun die Axt bei den Lohnkosten an.

Ende 2007 titelte  „ die Süddeutsche Zeitung: „Kriegskasse gut gefüllt. Autobauer horten 34 Milliarden Euro und ein Ende des Geldsegens sei nicht abzusehen“ Da fragen viele: „Wo ist eigentlich das ganze Geld hin?“

Aber seit dem Monat Mai 2009 gibt es  keine Kurzarbeit mehr im PKW Werk Rastatt , im Juni 09 nur in den Pfingstferien bei der B-Klasse. Im Gegenteil: eine Sondersituation entsteht im PKW Werk Rastatt:

Zeitweise werden bis zu 150 Mitarbeitern vom Werk Gaggenau „freiwillig“ ins PKW Werk Rastatt abgeordnet, um dort die gestiegenen Produktionszahlen auf Grund der Abwrackprämie zu erfüllen. Allein 40 bis 50 Gaggenauer Jungfacharbeiter mussten am 28.04.09 nach Rastatt. Man kann schon jetzt die Frage stellen, was  geschieht, wenn die Abwrackprämie Ende des Jahres weg fällt.

Die restlichen 100 Mitarbeiter sind vom 02. Mai 09 bis Ende September 09 für dieses PKW Werk Rastatt abkommandiert worden. Betriebsratsvorsitzender Fischer dazu:

„Wir dürfen keinen Hehl daraus machen , dass jeder Beschäftigte nun etwas auf dem Tisch des Hauses legt. Wenn es unter dem Strich damit getan ist, die Beschäftigungssituation in der Krise zu halten, dann ist das Paket in Ordnung … Ich hoffe, dass diese Opferbereitschaft auch als Botschaft in der Konzernspitze angekommen ist.“ Ist dies eine Empfehlung für höhere Weihen des Herrn Fischer in der Arbeiteraristokratie? Dazu noch der erste Bevollmächtigte der IG Metall Zitzelsberger: „Ingesamt ist das Packet mit Blick auf die Beschäftigungssicherung akzeptabel“ Er betonte, „dass wir hier nicht über ein Kostenpaket zur Gewinnmaximierung, sondern über eines zur Zukunftsabsicherung des Unternehmens reden.“ Am wichtigsten sei, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen gebe; dieser Schutz gelte jetzt auch für die Mitarbeiter, die nicht unter die Vereinbarung „Zukunftssicherung 2012“  fallen.(In Gaggenau sind dies immerhin rund 1100 Mitarbeiter). Dies mag akzeptabel sein aus der Sicht der Arbeiterfürsten, aber nicht aus der Sicht der Arbeitnehmer denn ihnen wird tief in den Geldbeutel gegriffen.

Den Verlauf der gemeinsamen, knapp dreistündigen Betriebsversammlung von Früh- und Spätschicht mit rund 3 500 Beschäftigten bewertet der Rastatter Betriebsrat als positiv. Der BR-Chef spricht von hoher Konzentration und Spannung ohne laute Kritik.

Das Werk Wörth (Werk 60)

Im LKW-Werk Wörth, das im Sommer des vergangenen Jahres 2008 noch einen Rekordstand von 13 200 Beschäftigten aufwies und 2008 trotz des Einbruchs im Herbst bei Schichtverlängerungen und regelmäßiger Produktion bis spät samstagsnachts mit 113 000 Einheiten einen Produktionsrekord einfuhr, gehen Anfang Mai 2009 7500 Beschäftigte in Kurzarbeit. Gearbeitet wird nur noch in einer Schicht an vier Tagen in der Woche.

 Fazit: Die Beschäftigten werden immer wieder Opfer von Maßlosigkeit und Gier“ des Kapitals. Wo hören wir von unseren Bewtriebsräten mal so eifache Forderfungen wie“Rückname der „Rente mit 67!“ und  „Die Förderung der Altersteilzeit“ , Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalabbau? Im Grunde sind das richtige Forderungen!

Denn der Markt ist keineswegs, wie die Kapitalisten behaupten, die Quelle von Selbstheilungskräften. Dort, wo Anarchie und Konkurrenz die Produktion bestimmen, ähnelt er eher einem Haifischbecken.MAn muss sich wehren!

MRg

Quellen:
Badische Neuste Nachrichten,- Badisches Tagblatt sowie die Rheinpfalz .
Ferner die Vereinbarung  Senkung der Arbeitskosten zur Beschäftigungssicherung und Benzler.