Betriebsratswahlen 2010: Kämpferische Kolleginnen und Kollegen in die Betriebsräte!



Bis Ende Mai 2010 finden Neuwahlen zu den Betriebsräten statt. Die Betriebsräte haben im Alltagskampf der Betriebe große Bedeutung, auch wenn in zahlreichen Punkten das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), das bekanntlich die Tätigkeit der Betriebsräte regelt, ausgesprochen reaktionär ist: Denn es verpflichtet die gewählten Vertreter/innen der Belegschaft auf die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ „zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebes“ mit dem Unternehmen, dem Arbeitgeber, mit den Vertretern des Kapitals. Betriebsräte ist es verboten, Arbeitskämpfe oder Arbeitskampfaktionen zu organisieren und durchzuführen. Klassenzusammenarbeit und Co-Mangement per Gesetz!

Aber das BetrVG enthält trotzdem für die gewerkschaftliche und klassenkämpferische Arbeit im Betrieb vielfältige Rechte und Möglichkeiten. Es ist deshalb trotz aller Einschränkungen unverzichtbar, an den Wahlen zum Betriebsrat teilzunehmen. Und das sieht das Gros der kämpferischen Kolleginnen und Kollegen auch so. Sie stellen sich zur Wahl oder unterstützen die Kandidatur fortschrittlicher und kämpferischer Kolleginnen und Kollegen.

 

Einiges zur Taktik!

Grundsätzlich treten wir dafür ein, dass klassenkämpferische Kolleginnen und Kollegen als Gewerkschafter/innen antreten und gewerkschaftliche Listen unterstützen. Denn viele Kolleginnen und Kollegen identifizieren die Betriebsräte mit der Gewerkschaft, weil in zahlreichen Betrieben die Mehrheit im Betriebsrat Gewerkschafter/innen innehaben. Die Wähler/innen erwarten von den gewählten Vertreter/innen den entschiedenen und kämpferischen, zugleich aber auch verantwortungsvollen und kompetenten Einsatz für die Interessen der Beschäftigten. Sie erwarten Führung und Mut von ihnen.

Im Jahr 2010 stehen gerade die klassenkämpferischen Kolleg/innen vor komplizierten Herausforderungen. Die massive Krise der kapitalistischen Wirtschaft bewirkt unverändert und zunehmend Spannung, Ängste und massiven Druck überall. Vorstände Geschäftsführungen und alle Vertreter des Kapitals fordern überall Zugeständnisse der Belegschaften. Angriffe auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, Lohnsenkungen und systematische Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, all das ist Krisenalltag in den Betrieben. Aber für kämpferische Kolleg/innen ist dies eine gute Gelegenheit, gemeinsam zu kämpfen und die Betriebsratswahlen zum Bestandteil dieser Auseinandersetzungen zu machen. Dadurch können sie nur gewinnen! Hier können sie ihr Profil deutlich machen, ganz sondern konkret im Kampf.

In vielen Betrieben gibt es heute Gruppierungen oder Strömungen, die gegen die Gewerkschaften, ganz speziell aber gegen ein klassenkämpferisches Bewusstsein in der Gewerkschaftsarbeit auftreten. Nicht selten treten diese unter gütiger Mithilfe der Unternehmer mit eigenen Listen in der Betriebsratswahl an. Wie können kämpferische Gewerkschafter/innen besser gegen diese Kräfte antreten als durch ihren energischen Einsatz für Lohnerhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen, gegen die Krisenzugeständnisse, die zur Zeit tagtäglich vom Kapital gefordert werden?

 

Wie vorgehen in der Betriebsratswahl?

Treten zur Betriebsratswahl mehrere Listen, z. B. eine Gewerkschaftsliste und solch eine unternehmernahe Liste, dann gilt laut § 14 BetrVG Verhältniswahl. Für eine Liste muss man eine klare Reihenfolge der Mitglieder festlegen und mindestens eine vom Wahlvorstand festgelegt Zahl von Unterstützungsunterschriften von Wahlberechtigten sammeln. Hat man diese beisammen, steht die Liste. Man muss lediglich noch beachten, dass die Kolleg/innen, die eine solche Unterstützungsunterschrift geben, dies nur für eine Liste tun können.

Die Wähler/innen können jetzt nur zwischen Listen wählen und die Sitze des Betriebsrates werden nach dem Stimmenanteil der Listen verteilt. Wer wirklich in den BR kommt, wird in diesem Fall nicht durch das direkte Votum der Kolleg/innen entschieden, sondern nach dem Platz des Kandidaten auf der Liste. Erringt eine Liste beispielsweise 5 Sitze, so sind die ersten 5 Kandidat/innen auf der Liste gewählt. Die, die weiter hinten stehen, kommen nur als Ersatzmitglieder zum Einsatz, wenn die Hauptvertreter mal verhindert sind.

Kommt es innerhalb der betrieblichen Gewerkschaftsorganisation zur Aufstellung einer Liste, hat logischerweise die Festlegung der Listenplätze entscheidende Bedeutung.

Wir vertreten, dass diese Platzierung nach möglichst demokratischen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Hier muss die Basis der Gewerkschaft sprechen: Aufstellung der Kandidaten durch die Vertrauensleute oder die Mitgliederversammlung. Eine weitere Möglichkeit wäre, wenn sich das organisieren lässt, Urwahl durch die Mitglieder.

 

Persönlichkeitswahl ist ein demokratisches Vorgehen, das wir begrüßen!

Das BetrVG kennt auch die Möglichkeit einer Persönlichkeitswahl, schützt diese aber in keiner Weise. Dieser Wahlmodus erfreut sich großer Beliebtheit. Er kommt aber nur dann zustande, wenn es nur einen einzigen Wahlvorschlag gibt, klarer ausgedrückt: wenn alle Kandidaten, und seien sie untereinander auch politische Gegner, auf einer einzigen gemeinsamen Liste kandidieren. Dann herrscht Mehrheitswahlrecht, d.h. dann können die Wähler ihre Kandidaten selbst auswählen. Wähler haben dann so viele Stimmen, wie das zukünftige Gremium Mitglieder. In das BR-Gremium kommen die mit den meisten Stimmen.

Diesen Wahlmodus durchzusetzen, erfordert oft neben Entschlossenheit hohes Fingerspitzengefühl, Diplomatie und taktisches Geschick von den Kolleg/innen, die eine solche Liste bilden. Herrscht in der Belegschaft ein sehr guter Zusammenhalt und sind die Kandidaten klar und bekannt, geht es oft leicht. Schwierig wird es, wenn man eine Persönlichkeitswahlliste mit politisch gegnerischen Kandidat/innen aufstellen will, die gleichzeitig mit der Aufstellung einer eigenen Liste drohen oder liebäugeln, und deshalb das ganze Verfahren oft ungemein belasten. Da die Persönlichkeitswahl leicht kaputt gemacht werden kann, dringen manche Kandidaten auch auf einen vorderen Listenplatz, obwohl das bei einer Persönlichkeitswahl keine Rolle spielt.

Nicht wenige fortschrittliche Kolleg/innen sind dagegen, mit Gegnern zusammen zu kandidieren. Wir nehmen diesen Einwand ernst, aber oft gewinnen wir, gewinnen die kämpferischen Kräfte, wenn sie die Persönlichkeitswahl durchzusetzen vermögen.

Wie bereits gesagt: Das BetrVG sieht diesen Modus vor, schützt ihn aber in keiner Weise.

Um es beispielhaft auszudrücken: Es kann gelingen, eine gemeinsame List zu formieren. Aber wenn im letzten Moment vor dem Listenabgabeschluss plötzlich eine zweite Liste auftaucht, die der Wahlvorstand anerkennen muss, ist die Persönlichkeitswahl gestorben. Ein Einfallstor für das Kapital!

Deshalb muss man in vielen Betrieben, wo es starke Gegensätze in der Belegschaft gibt, zweigleisig fahren, also auf eine Listenwahl vorbereitet sein für den Fall, dass eine Persönlichkeitswahl trotz sorgfältiger Vorbereitung am Ende platzt.

 

Kampf der Ausgrenzung und Marginalisierung kämpferischer Kolleg/innen! Neue Fälle!

Besonders schwierig wird aber die Situation für kämpferische Kollegen, wenn sie innerhalb der Gewerkschaften von rechten, bürokratischen und auf Zusammenarbeit mit dem Kapital gepolten Gewerkschaftsfürsten isoliert und bekämpft werden. Vor der Betriebsratswahl 2006 dokumentierte Arbeit Zukunft dokumentierte die Auseinandersetzungen bei (damals noch) DaimlerChrysler, heute Mercedes Benz in Mettingen. Hier wurden aktive, kämpferische und unter ihren Kollegen stark verankerte Gewerkschafter/innen der Gruppe „Alternative“, weil sie die sozialpartnerschaftlichen Machenschaften des Betriebsrates um Helmut Lense nicht mitmachen, aus der Listenaufstellung gedrängt und förmlich zu einer eigenen Liste gezwungen. Sie erkämpften 10 Betriebsratssitze, eine schallende Ohrfeige für die Daimler-Betriebsratsfürsten! Und diese Kolleginnen und Kollegen haben die Hände nie bin den Schoß gelegt. Legendär ist ihr „Marsch über die B 10“ zu einer Betriebsversammlung in Untertürkheim mit tausenden Daimlerkolleg/innen, um gegen Angriffe der Daimlerbosse zu protestieren!

Die Tätigkeit der Mettinger „Alternative“, ihre lebendige und kämpferische Politik sowie ihre systematisch offene Informationspolitik in der Belegschaft, ihre wirkliche Massenverankerung – all das hat einen dermaßen starken Druck auf die offizielle IG Metall Stuttgart ausgeübt, dass diese sich bereit fand, sowohl das Erscheinen der „Alternative“-Zeitung hinzunehmen als auch diesmal mit einer gemeinsamen Liste zur Betriebsratswahl anzutreten.

Kaum hat hier eine kämpferische Initiative einen Achtungserfolg gegen rückschrittliche Betriebsrats- und Gewerkschaftsfürsten errungen, wiederholt sich das Drama 30 Kilometer weiter, bei Daimler Sindelfingen. Seit einiger Zeit tritt eine sehr kämpferisch auftretende Gruppe, gleichfalls mit Namen „Alternative“ auf. In der letzten Nummer stützten wir uns bei der Berichterstattung über die Sindelfinger Kämpfe im Dezember 2009 auf ihre lebendigen Flugblätter. Sie wird nach bekanntem Muster ausgegrenzt und kandidiert jetzt mit eigener Liste (Siehe eigener Bericht und Kommentar).

In einer solchen Situation kann es legitim sein, dass solche Kolleg/innen mit eigenen Listen antreten. Denn andernfalls bekommt fortschrittliches, kämpferisches Herangehen oft keine Chance! Schließlich ist eine Betriebsratswahl ein demokratisches Recht der Belegschaft und nicht einer Clique in der Gewerkschaft.

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