Der gewöhnliche Kapitalismus oder Konkurrenz, die den Fortschritt lähmt

Ende März 2010 machte die Entwicklungschefin von Opel in Europa, Rita Forst, einen ungewöhnlichen Vorschlag. Sie bot den anderen großen Autobauern an, Elektromotoren für künftige umweltfreundliche Elektroautos sowie die dazugehörigen Batterien gemeinsam zu entwickeln. Sie fragte in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung: „Warum müssen Elektromotoren unterschiedlich sein?“

Recht hat sie! In ihrem Vorschlag wird jedoch das ganze Dilemma des Kapitalismus sichtbar!

Einerseits möchte natürlich jeder Kapitalist gegenüber dem Konkurrenten die Nase vorn haben. Er muss darum kämpfen, sonst geht er im Konkurrenzkampf unter. Spätestens bei der nächsten Krise, beim nächsten Einbruch der Produktion geht ihm sonst die Luft aus. Opel musste gerade diese Gnadenlosigkeit des Kapitalismus bitter erfahren, als Opel und der Konzern GM kurz vor der Pleite standen und nur noch mit staatlichen Hilfen überlebten.

Mit dem Vorschlag von Frau Forst würde diese Konkurrenz in einem Teilgebiet aufgehoben. Tatsächlich ist der Vorschlag sogar sinnvoll und entspricht der Logik der Entwicklung der Produktivkräfte. Denn warum soll das Rad zehnmal erfunden werden, wie es im Kapitalismus üblich ist? Warum sollen die teuren Entwicklungskosten für entsprechende Motoren und Batterien von jedem Autokonzern separat aufgebracht werden? Warum soll so viel Fachwissen, so viele Fachleute verschwendet werden, indem sie die Arbeit mehrfach erbringen und am Ende zu ähnlichen Ergebnissen kommen? Frau Forst gibt mit ihrem Vorschlag zu, was im Kapitalismus Normalität ist: die ungeheure Verschwendung von Produktivkräften durch den Konkurrenzkampf.

Und da der Kapitalismus eben Kapitalismus ist und die Konkurrenten unter den eisernen Gesetzen des Marktes arbeiten, lehnten sie den Vorschlag von Frau Forst umgehend ab. Sie wollen ihren Wissenstand für sich behalten und hoffen, daraus Vorteile ziehen zu können, schneller zu sein. Den, der am weitesten zurück ist oder der das wenigste Kapital hat, wird halt irgendwann untergehen. Dann ist man den lästigen Konkurrenten los. Und man hofft selbstverständlich, dass man selbst nicht derjenige ist, der den Platz räumen muss.

Frau Forst träumte bei ihrem Vorschlag allerdings nicht von sozialistischen Zuständen und sie war auch nicht uneigennützig. Opel liegt, wie gerade die Krise brutal gezeigt hat, weit gegenüber den Konkurrenten zurück. Eine Chance zu überleben, hat Opel nur, wenn es schnell aufholt und überholt. Was liegt da näher, als den Konkurrenten scheinheilig eine Zusammenarbeit anzubieten, um vom Wissen, den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand der Konkurrenten zu profitieren. Deshalb ließen die Konkurrenten VW, BMW, Daimler auch verlauten, sie seien Premiumhersteller, die nicht mit Opel in einen Topf geworfen werden wollten. Das ist ein netter, kleiner Seitenhieb gegen die Konkurrenz, die gegen den Untergang ankämpft. Solidarität gibt es im Kapitalismus nicht! Da gibt es nur den Kampf bis auf das Messer. Das kann zeitweilige Bündnisse, Produktionsabsprachen, gemeinsame Fertigung einschließen, um beispielsweise andere, stärkere Konkurrenten in die Knie zu zwingen oder die Kosten zu senken. Aber solche Bündnisse zerbrechen auch rasch wieder, wenn die eigenen wirtschaftlichen Interessen das erforderlich machen.

Der durchaus sinnvolle Vorschlag von Frau Forst könnte auf Dauer und zum Nutzen der gesamten Gesellschaft nur in einem System verwirklicht werden, in dem die Produktionsmittel der Gesellschaft gehören und diese planmäßig nach den Interessen der Gesellschaft entwickelt werden. Dann muss man das Rad nicht mehr zehnmal erfinden, sondern setzt die besten Fachkräfte auf solche grundlegenden Entwicklungen an und lässt sie eine Lösung entwickeln. Doch nicht nur in Forschung und Entwicklung ist der Kapitalismus zerstörerisch und vernichtet massenhaft Produktivkräfte. Wenn Millionen Menschen ohne Arbeit sind, wird die wertvolle Produktivkraft Mensch verschwendet und liegt brach. Wenn mal wieder ein Konzern pleite geht, werden Millionen oder Milliarden Werte vernichtet. Manchmal werden durch die kapitalistische Konkurrenz Fabriken, die vor kurzem noch mit einem hohen Aufwand errichtet wurden, wieder geschlossen. Frau Forst hat nur ein kleines Schlaglicht auf die Unsinnigkeit der kapitalistischen Produktionsweise gerichtet. Vielen Dank! Denn damit wurde wieder mal an einem Beispiel deutlich, wie verrottet dieses System ist.