Kita Streik ausgebremst – vom Ver.di-Vorstand!

90 % Zustimmung in der Urabstimmung gab es bei den in ver.di organisierten Kindergartenerzieherinnen und Beschäftigten der Erziehungs- und Sozialberufe. Das war keine Zustimmung zu einer normalen Lohnrunde, sondern für die Forderung nach Höhergruppierung, was gleichbedeutend ist damit, dass eine erhöhte Anforderung an die Tätigkeit der Kolleg/innen, dass ihre gestiegenen Qualifikationsanforderungen anerkannt werden. „Aufwerten jetzt!“ hieß denn auch das Motto der Kampagne. Gleichwohl hätte die Durchsetzung der Forderungen zu erheblichen Lohnsteigerungen geführt.

Vier Wochen wurde aufopferungsvoll gestreikt, in enger Abstimmung mit den betroffenen Eltern. Vier Wochen Kampf um deren Verständnis und Solidarität. Allein dass das so oft geklappt hat, ist eine unglaubliche Leistung gerade der Kolleginnen an der Basis. Presse und Medien bejammerten zwar täglich die „armen Eltern“, versuchten – weitgehend vergeblich – einen Keil zwischen die Streikenden und die Eltern zu treiben. Auch die Elternsolidarität war und blieb groß. Zu den letzten Demonstrationen in Frankfurt (28. Mai) und Düsseldorf (2. Juni) strömten mit je zwanzigtausend viel mehr Teilnehmer als erwartet. Der Streik behielt sein hohes gesellschaftliches Ansehen und wurde mit großem Enthusiasmus geführt.

 

Die Arbeitgeber: Qualifizierte Arbeit ja – kosten darf es nichts!

 

Bei den Tarifverhandlungen blockierte der Verband der Kommunalen Arbeitgeber (VKA) dagegen, was das Zeug hielt. Ein halbes Jahr lang lehnte der VKA eine generelle Verbesserung der Bezahlung im Sozial- und Erziehungsdienst konsequent ab. Das letzte Angebot vom 28. Mai 2015 beinhaltete lediglich Höhergruppierung und Zulagen für einen Teil der Beschäftigten, die vierzig bis fünfzig Euro im Monat ausgemacht hätten. Für einen großen Teil der Sozialarbeiter/-innen und Kinderpfleger/-innen waren keinerlei Verbesserungen vorgesehen. Der nackte Hohn, so möchte man meinen, aber es war schlimmer: Das war eine Ohrfeige für zahllose engagierte Kolleg/innen und Kollegen.

Nur ein Beispiel: In dem Bereich der Erziehungs- und Sozialberufe leisten die so genannten Kinderpfleger/innen oft genau dieselbe harte Arbeit wie besser bezahlte Erzieher/innen, leisten in manchen Einrichtungen sogar Leitungstätigkeiten, werden aber am Schlechtesten bezahlt. Für sie keinerlei Verbesserungen vorzusehen grenzt an Diskriminierung und Beleidigung. Zugleich ist es ein Hinweis der politisch Verantwortlichen, wie sie in Zukunft die Kitas und sonstigen Einrichtungen zu betreiben gedenken. Höchst qualifizierte Arbeit wird gefordert, kosten darf es nichts!

 

Tatsachen sind hartnäckig: Streikabbruch!

 

Am 4. Juni gab ver.di-Chef Frank Bsirske nach einer weiteren erfolglosen Verhandlung den Abbruch des Arbeitskampfs bekannt! Er und die ver.di-Verantwortlichen hatten bereits einem Schlichtungsverfahren zugestimmt, während dem Friedenspflicht zu herrschen hat. Ende des Streiks, zumindest vorläufig!

Es verwundert deshalb nicht, wenn in einem ver.di-Mitgliedernetz ein Blog kritisiert: „Ich fühle mich verraten!“ Die ver.di-Verantwortlichen hätten gesagt, „Es wird gestreikt, bis ein verhandlungsfähiges Ergebnis vorliegt. Dass uns nach vier Wochen Streik und praktizierter Solidarität die eigene Gewerkschaft in den Rücken fällt, finde ich unfassbar. Ich bin stinksauer. Wer ist jetzt eigentlich Streikbrecher?“

Unter den einfachen Verdi-Mitgliedern sind deshalb Verunsicherung und Wut über das Ende des Streiks groß.

Die Schichtung wurde vielerorts mit Misstrauen quittiert und kritisiert: Das Ziel des Schlichtungsverfahrens sei vor allem der Streikabbruch. Aus einem Kritikbrief von Stuttgarter Kolleg/innen: „Schon als die Schlichtung kam, ging eine Welle des Entsetzens durch unsere Reihen … das Ergebnis ist lächerlich!… Das ist keine Aufwertung“

 

Der Schlichterspruch wird auf breiter Front abgelehnt!

 

Der Schlichterspruch stößt auf breite Ablehnung! Schon die Wahl der beiden Schlichter wurde sofort kritisch gesehen. Der VKA benannte den früheren sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) als Schlichter, ver.di den ehemaligen Oberbürgermeister von Hannover, Herbert Schmalstieg (SPD). Die Tatsache, dass ver.di-Chef Bsirske früher Untergebener des früheren Hannoveraner Oberbürgermeisters Schmalstieg war und mit ihm befreundet sein soll, hat das Misstrauen sicherlich nicht verringert

Beide Schlichter hatten bereits 2010 gemeinsam einen Schlichterspruch für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen präsentiert, den die Tarifparteien damals übernahmen. Mit dem damaligen Spruch wurde eine faktische Lohnsenkung durchgesetzt. Obwohl Verdi anfangs fünf Prozent Lohnerhöhung gefordert hatte, gab sie sich am Ende mit einer 1,2-prozentigen Lohn- und Gehaltserhöhung zufrieden und akzeptierte eine 26-monatige Laufzeit. Arbeit Zukunft damals: „Im öffentlichen Dienst ist das Ergebnis . . ähnlich erschreckend“ wie bei der IG Metall damals. „Hatte ver.di-Chef Bsirske zu Beginn … noch so getan, als ob er im Gegensatz zur IG Metall keinen Lohnverzicht, sondern einen harten Kampf wolle, sah die Realität ganz anders aus. Nach ein paar Warnstreiks wurde ebenfalls in Geheimverhandlungen und Schlichtung ein Minusabschluss ausgekocht … letztlich noch weniger als die IG Metall … Eine Kollegin aus dem Kindergartenbereich, wo es besonders schwierig ist, Aktionen zu organisieren, äußerte verständnislos: Erst bringt Bsirske die Leute in Aktion, dann lässt er sie fallen… jedes Mal wird es schwieriger, die Kollegen zu mobilisieren!“ (Vgl. Arbeit Zukunft 2/2010, S. 4)

Also ein bekanntes Szenario, das Misstrauen aufkommen lässt. Der diesjährige Schlichterspruch ist denn auch undurchsichtig und angesichts der Forderung nach Höhergruppierungen schwer verständlich: Nur 8 von 17 Entgeltgruppen sollen von dem Spruch betroffen sein. Er sieht je nach Erfahrungsgruppe Steigerungen zwischen 2 und 4,5 % vor. In der größten Gruppe, bei den Erzieherinnen, steht eine Erhöhung von durchschnittlich 3,3 Prozent in Aussicht. Die Beschäftigten würden damit zwischen 33 und 160 Euro mehr bekommen. Die Gewerkschaften hatten ein Plus im Umfang von durchschnittlich zehn Prozent verlangt. Pustekuchen also!

Nur einzelne Entgeltgruppen, vor allem im Bereich der Vorlesungstätigkeiten sollen besser gestellt werden. Allein das ist eine politische Aussage: Man will bewusst die sowieso latent immer wirkende Spaltung zwischen den die Alltagsarbeit erbringenden Kolleg/innen und den Leitungen weiter vertiefen!

Das bereits zitiert Papier aus Stuttgart bemängelt außerdem: „Alle Erzieher nach S 8a oder b, auch bei den Leitungen sind die Empfehlungen nicht tragbar! Viel Städte bezahlen längst die Erzieher nach S8. Sie haben erkannt, dass diesen verantwortungsvollen Beruf sonst kaum noch jemand ausüben möchte. Das ist keine Aufwertung!“

Was ebenfalls schwer wiegt: Zusätzlich sollen die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst eine extrem lange, fünfjährige Laufzeit hinnehmen, was Friedenspflicht, also praktisch ein Streikverbot bedeutet.

Die VKA-Mitgliederversammlung hat den Schlichterspruch sofort angenommen, unter der Bedingung, dass es zu keinerlei Nachverhandlungen bzw. nachträglichen Änderungen kommt.

Das Echo auf örtlichen ver.di-Aktiventreffen und auf der bundesweiten ver.di-Streikkonferenz am Mittwochabend (24.06.2015) war ablehnend. Die bundesweite Streikdelegiertenversammlung hat das Schlichtungsergebnis vehement kritisiert und klar abgelehnt.

 

Mitgliederbefragung?

 

Jetzt lavieren ver.di-Vorstand und Frank Bsirske. Sie wollen eine „Mitgliederbefragung“ durchführen lassen. Die Befürworter dieses Vorgehens argumentierten – je nach ihrer Stellung in dieser Auseinandersetzung entweder demagogisch oder verunsichert – mit dem 75% Quorum bei der Urabstimmung: Die könne man doch jetzt nicht durchführen. Denn wenn nur 25 % dem Schlichterspruch zustimmten, wäre der Streik endgültig vorbei und alles erledigt. Also sei eine „aufsuchende Mitgliederbefragung“ doch der bessere Weg. Da sei es besser, um eine Mehrheit zu kämpfen, die nicht das 75 %-Quorum erreichen müsse…

Die Streikdelegiertenkonferenz hatte nach den uns vorliegenden Information bereits klar Nein gesagt und damit die Weichen für die Fortsetzung des Streiks gestellt. Auch Aktiventreffen vor Ort haben gleich nach Bekanntwerden des Schlichterspruchs entsprechend abgestimmt. Das Votum der Streikdelegierten wird nun offensichtlich für irrelevant erklärt.

Es gibt Protestinitiativen bei ver.di-Mitgliedern gegen diese Praktiken: Eine Unterschriftensammlung lautet: Kein Abschluss ohne Aufwertung – Bei der Mitgliederbefragung mit Nein stimmen und weiter an der Aufwertung arbeiten! Außerdem liegt der Redaktion eine Unterschriftensammlung aus dem Kitabereich in Stuttgart vor für einen Brief an den Vorsitzenden mit der bezeichnenden Anrede: „Sehr geehrter Herr Bsirske“, in dem die Initiator/innen ihn auffordern, seine Haltung und sein Vorgehen als Vorsitzender zu erklären: „Wir wollen eine deutliche Aufwertung des Berufsbildes und keine Mogelpackung…“ Empörung und Verbitterung schlagen hohe Wellen!

Vier Wochen, bis Anfang August, soll diese Mitgliederbefragung dauern, und Frank Bsirske erklärte laut Stuttgarter Zeitung vielsagend: „Es wäre widersinnig, die Mitglieder über die Schlichtungsempfehlung abstimmen zu lassen und gleichzeitig dagegen zu streiken.“ Frage an ihn: Wozu dann die Streikdelegiertenkonferenz, die bestimmt nicht ohne Mandat der Basis gegen den Schlichterspruch votiert hat?

Auf einem kurzen Verhandlungstermin am Mittwoch (24.06.2013) in Offenbach hat ver.di zur Empörung der VKA-Vertreter immerhin einen gewissen Nachbesserungsbedarf am Schlichterspruch angemeldet. Bsirske laut Stuttgarter Nachrichten: „Es gibt noch Punkte, wo nachgebessert werden muss, etwa bei den Sozialarbeitern. Auch die Laufzeit des Tarifvertrages ist mit 5 Jahren sehr lang“. Aber schon an dem Mittwoch war klar, dass die VKA-Delegation für diese Thema gar kein Mandat hat (vgl. oben!). So wurde wegen der „Mitgliederbefragung“ ein weiterer Verhandlungstermin erst für den 13. August vereinbart! Daraus folgt noch eine Pointe: Da somit kein Scheitern vorliegt, gilt bis dahin weiter die Friedenspflicht!

Die Schlussfolgerung liegt nahe: Der Streik wird ausgebremst, der Schwung der Streiks wird gebrochen, und es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich das Ende vorzustellen. Es werden noch ein paar symbolische Verbesserungen „errungen“ und der Schlichterspruch geht dann durch. So scheint wenigstens die ver.di-Führung zu kalkulieren.

Wir hoffen aber, dass diese Prognose nicht zutrifft: Wir sind mit all den kämpferischen ver.di-Mitgliedern, die in der Befragung für die Weiterführung des Streiks stimmen und rufen zur Solidarität mit all denen auf, die diesen, auf Grund dieser Vorstandspolitik noch schwereren Weg gehen wollen!

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